Wer sich einen Lamborghini zulegt, tut das eher nicht, um dem Klima einen Gefallen zu tun. Mit den Sportwagen aus Sant’Agata Bolognese erfüllen sich die – überwiegend männlichen – Käufer den Wunsch nach einer exklusiven wie extrovertierten Form der Mobilität. Es geht um Schnelligkeit, Performance, auch darf es unterwegs gerne auch etwas lauter werden. „Unsere Kunden reagieren – wenig überraschend – extrem auf Themen wie Sound, Vibrationen, Direktheit und Eingebundenheit“, sagt Rouven Mohr, der Technikchef der italienischen Audi-Tochter. Der Energieverbrauch und der damit verbundene CO2-Ausstoß sind den meisten Lambo-Fans eher nebensächlich.
Aber natürlich kann sich die italienische Audi-Tochter auch nicht auf Dauer der Klimadebatte entziehen und CO2-Emissionen von zum Teil deutlich über 300 Gramm pro Kilometer akzeptieren, die ihre Hochleistungs-Fahrzeuge derzeit noch verursachen. Zumal die Verkaufszahlen der Marke stetig steigen: Im vergangenen Jahr setzte Lamborghini erstmals über 10.000 Autos her – als Kleinserienproduktion geht das bei der EU-Kommission in Brüssel schon lange nicht mehr durch.
Deshalb wird nun auch in der Emilia-Romagna intensiv an der Elektrifizierung der Modellpalette gearbeitet. Bis Ende des Jahres soll kein einziges Luxusaahrzeug der Marke mehr allein von einem Acht-, Zehn- oder gar Zwölfzylinder angetrieben werden. Auch der Huracán-Nachfolger, der im Sommer vorgestellt wird, fährt ausschließlich mit Hybridantrieb, also zumindest teilelektrifiziert. Das erste reine Elektroauto, der Lanzador, wird allerdings erst 2028 in die Showräume der Lamborghini-Händler kommen. Und noch später, nämlich 2029, der erste vollelektrische SUV vom Typ Urus. In der Zwischenzeit müssen Teilzeitstromer mit Stecker reichen. „Für unsere Kunden ist das derzeit die erste Wahl“, sagt Rouben Rouven Mohr, der deutsche Chief Technical Officer.
Urus SE fährt 60 Kilometer vollelektrisch
Bereits im vergangenen Jahr wurde mit dem Revuelto der erste Plug-in Hybrid auf den Markt gebracht – ein Supersportwagen, bei dem ein Zwölfzylinder mit gleich drei Elektromotoren zu einem 746 kW (1.015 PS) starken Kraftpaket zusammengeschnürt ist. Immerhin 13 Kilometer kann die 350 km/h schnelle Flunder dank eines 3,8 kWh fassenden Batteriespeichers vollelektrisch und damit emissionsfrei fahren. Der Anfang ist also gemacht.
Nun folgt mit dem Urus SE der erste „Plug-in-Hybrid-Power-SUV“ von Lamborghini. Hier ist ein 456 kW (620 PS) starker V8 mit einem elektrischen Antriebsstrang mit 141 kW Leistung zu einem Kraftpaket von 588 kW oder 800 PS verschmolzen. Und der Stromspeicher im Hinterwagen ist auf 25,9 kWh deutlich gewachsen. Bis zu 60 Kilometer kann der Urus SE damit lautlos durch Wohngebiete stromern.
Dynamischer als ein „Performante“
„Und trotzdem ist es ein echter Lamborghini“, versichert Mohr im Gespräch mit EDISON. Mit der Systemleistung komme das Modell an die Spitze in dem Markt – „auch wenn das eher ein Katalogwert ist.“ Bestechend sei das Modell vielmehr durch die Kombination aus Leistung, Performance und Komfort. „Wir haben sehr viel Mühe darauf verwandt, dass sich das Auto deutlich besser fährt als der Verbrenner – und auch alles andere, was derzeit auf dem Markt ist.“
Das Fahrerlebnis sei einzigartig, sogar noch besser als das im bisherigen, 490 kW oder 666 PS starken Topmodell Urus Performante, schwärmt der Ingenieur. Unter anderem dank eines neuen Allradkonzepts, das ohne ein Torsen-Ausgleichsgetriebe auskommt. Das habe bei der Abstimmung des Antriebs und der Verteilung der Antriebsmomente in den verschiedenen Fahrprogrammen ganz neue Freiheitsgrade gegeben. Mohr: „Von Fun to drive bis eher neutral ist nun alles drin.“
Der Permanentmagnet-Synchron-Elektromotor (PSM), der beim allradgetriebenen Urus SE im Gehäuse des Achtgang-Automatikgetriebes sitzt, stammt wie viele andere Kernmodule vom Volkswagen-Konzern. Doch die Ansteuerung der Maschine und das Zusammenspiel mit dem überarbeiteten Vierliter-V8 sei Lambo-spezifisch, manchmal auch typisch Lambo-charakteristisch etwas rauher und härter. Das stecke nun mal in der Lamborghini-DNA. Mohr: „Das ist wie in einer Küche: Man kauft die besten Tomaten, die auf dem Markt sind. Aber ob das Gericht schmeckt, hängt von der Zubereitung in der Küche ab.“
7,2 kW-Lader muss reichen
Der zusätzliche Elektromotor hat den SUV natürlich nicht leichter gemacht – zu den 2200 Kilogramm, die der aktuelle, rein benzingetriebene Urus S auf die Waage bringt, sind noch einmal gut 100 Kilogramm hinzugekommen. Aber durch den Verzicht auf das 50 Kilo schwere Sportdifferenzial und den Wechsel auf eine elektrisch geregelte Hinterachssperre habe man einiges von dem Mehrgewicht kompensieren. Auch wurde bewusst ein kleiner Onboard-Charger gewählt, der den Akku mit maximal 7,2 kW lädt – ein 11-kW-Ladegerät wäre zu schwer geworden. Ebenso wie eine größere Batterie für mehr elektrische Reichweite. „Denkbar ist vieles, aber das hat gerade keine Priorität für uns: Das Auto soll ja auch im Rennstreckenbetrieb noch Benchmark sein.“ Und da bewegt man sich heutzutage ja eher noch selten vollelektrisch.
Mit der Markteinführung des Urus SE fliegen die beiden rein benzingetriebenen Modelle S und Performante aus dem Programm – sobald die vorhandenen Bestellungen abgearbeitet sind: „Der Plug-in Hybrid ist kein Zusatzangebot, sondern künftig unser einziges Angebot“, betont der Technikchef. Im vergangenen Jahr wurden rund 6000 Exemplare des SUV verkauft – daran wird sich der neue Kampfstier messen lassen müssen. Bis zum vollelektrischen Nachfolger, der Stand heute wohl erst 2029 auf den Markt kommt.
Lambo-Käufer mögen E-Autos (noch) nicht
„Derzeit gibt es keinen technischen Grund, der gegen einen vollelektrischen Urus spricht“, räumt Mohr ein. Theoretisch könnte man den Stromer auch schon früher bringen – Porsche plant die Markteinführung eines vollelektrischen Cayenne bereits für 2026. „Aber momentan spricht die Kundenakzeptanz gegen ein solches Modell: Im Luxussegment werden Elektroautos auch wegen der geringen Restwertstabilität eher mit spitzen Fingern angepackt. Und wir müssen uns an dem orientieren, was die Kundschaft nachfragt.“ Das Risiko wäre hoch, dass der BEV ein Ladenhüter würde – da lässt man lieber der Konzernschwester den Vortritt.
Bleibt noch die Frage nach dem Preis des Urus Hybrid. Bei Lamborghini halten sie sich dazu noch bedeckt. Nur so viel mögen sie verraten: In Europa wird der Basispreis oberhalb von 260.000 Euro liegen. Das wäre in etwa der Preis für den aktuellen Performante. Das sollte die Lamborghini-Kunden nicht schrecken.