Ob es diesmal klappt? Schon mehrfach hat Lotus einen Neustart versucht. Doch diesmal soll es klappen – mit Hilfe des chinesischen Geely-Konzerns, zu dem die britische Sportwagenmarke seit 2017 mehrheitlich gehört. Und ausgerechnet ein vollelektrisches SUV soll die Marke fit für die Zukunft machen. Damit folgen die chinesischen Briten ihren Vorbildern Porsche, Ferrari, Aston Martin und Lamborghini. Im Gegensatz zur Konkurrenz will Lotus aber mit dem neuen Model namen Eletre keine Kunden halten, sondern neue dazugewinnen. Und zwar ganz viele – um die Verkaufszahlen von derzeit 1.000 auf bis zu 150.000 Fahrzeuge im Jahr zu erhöhen.

Die Chancen stehen nicht schlecht: Der 5,10 Meter lange Lotus Eletre ist ein echter Hingucker. Und das nicht allein wegen der gefälligen Front, die zusammen dem verkleideten Unterboden einen cW-Wert von 0,26 ermöglicht. Zu den aktiven Aerodynamik-Maßnahmen gehören ein Frontgrill, der sich je nach Kühlungsbedarf öffnet und schließt sowie ein freitragender Heckspoiler aus Kohlefaser, der je nach Fahrgeschwindigkeit in drei verschiedenen Positionen verharren kann. Zudem ist bereits alles an Bord, was für das autonome Fahren an Hardware benötigt wird. Nur die erforderliche Software muss noch per Over-the-Air-Updates nachgeliefert werden. Wir sind gespannt.

Hingucker auf der Landstraße 
Der neue vollelektrische Lotus Eletre dürfte nicht nur an der Ladestation für Aufsehen sorgen, sondern auch auf der deutschen Autobahn, wo er mit bis zu 258 km/h stromern kann - nur hier ist so etwas noch möglich. Fotos: Lotus
Hingucker auf der Landstraße
Der neue vollelektrische Lotus Eletre dürfte nicht nur an der Ladestation für Aufsehen sorgen, sondern auch auf der deutschen Autobahn, wo er mit bis zu 258 km/h stromern kann – nur hier ist so etwas noch möglich. Fotos: Lotus

Auch der Innenraum des Lotus kann sich sehen lassen. Über das gesamte Armaturenbrett zieht sich eine Lichtleiste, die nicht nur dekorativ, sondern auch informativ ist und bei niedrigem Batteriestand, Temperaturschwankungen in der Klimaanlage oder eingehenden Anrufen Warnsignale gibt. Die harten Teile der Innenraumverkleidung sind aus Karbonfasern gefertigt, die weichen Oberflächen bestehen aus Mikrofaser und die Sitzbezüge sind mit einem Wollmischmaterial bezogen. Leder sucht man im neuen Lotus Eletre leider vergebens – bitter in der 100.000 Euro-Liga.

Rollende Playstation

Aber das einfallsreiche Infotainment-System wird die meisten Kunden von solchen Unzulänglichkeiten ablenken. Das so genannte Hyper OS wird von zwei leistungsstarken Computer-Gehirnen gespeist, die eine aus der Spieleindustrie entliehene Unreal-Engine verwenden. Mit der Folge, dass man sich bei der Steuerung vieler Fahrzeugfunktionen wie auf einer PS (Playstation)5-Mission vorkommt. Der 15,1-Zoll-Bildschirm verwendet Grafiken, die schneller und brillanter sind als alles, was uns die europäischen Luxus- und Sportwagenhersteller derzeit als „ultimative Technik“ verkaufen – in Echtzeit und in 3D.

Tesla lässt grüßen
Ohne Touchscreen kommt heute kein neues Auto mehr auf die Straße. Der Lotus Elettre glänztt im Unterschied zum Tesla Model X aber noch mit einem zusätzlichen Head-up-Display - sowie fünf weiteren hochauflösenden Monitoren im Innenraum.
Tesla lässt grüßen
Ohne Touchscreen kommt heute kein neues Auto mehr auf die Straße. Der Lotus Elettre glänztt im Unterschied zum Tesla Model X aber noch mit einem zusätzlichen Head-up-Display – sowie fünf weiteren hochauflösenden Monitoren im Innenraum.

Die Instrumententafel wird dominiert von digitalen Instrumenten nebst Head-Up-Display, dem zentralen Touchscreen, dessen einzelne Funktionen sich auf die Schnelle nur schwer erschließen sowie einem Beifahrerbildschirm. Das fünfte Display mit einer Diagonale von neun Zoll ist in der hinteren Mittelarmlehne untergebracht. Darüber können die Fondinsassen Sitzposition sowie Klima- und Audiofunktionen einstellen.

112 kWh-Akku für bis zu 600 Kilometer

Die Sicht nach hinten ist schlecht, was der Lotus Eletre durch seinen digitalen Rück- und Außenspiegel ebenso ausgleicht wie durch die Bilder der 360-Grad-Kameras auf dem zentralen Touchscreen. Die Vordersitze haben integrierte Kopfstützen, sie sind gut verarbeitet, bieten ausreichend Seitenhalt und Komfort. Auch in der zweiten Reihe ist das Platzangebot bei der Zweisitzer-Konfiguration großzügig, während es für drei Personen hinten recht eng wird. Großzügig ist mit seinem Volumen von 688 bis 1532 Litern jedoch der Laderaum.

Kamera is watching you 
Gegen einen Aufpreis von 2.980 Euro ist der Eletre auch mit Seitenkameras anstelle von analogen Außenspiegeln lieferbar.
Kamera is watching you
Gegen einen Aufpreis von 2.980 Euro ist der Eletre auch mit Seitenkameras anstelle von analogen Außenspiegeln lieferbar.

Alle drei Eletre-Versionen (Basis, S und R) verfügen über eine 112-kWh-Batterie und ein 800-Volt-System. Reichweitenangste sollten damit nicht aufkommen: Selbst der 675 kW (918 PS) starke Lotus Eletre R soll damit noch 490 Kilometer weit kommen. Die zahmeren Versionen sollen mit einer Akkuladung 600 Kilometer fahren können. Hier leisten die beiden Permanentmagnetmotoren 450 kW (612 PS) bei einem maximalen Drehmoment von 710 Newtonmeter.

Erst bei 258 km/h wird abgeregelt

Wir haben uns für die erste Ausfahrt einen Lotus Eletre S geschnappt – und haben ordentlich Spaß damit. Trotz eines Leergewichts von 2,5 Tonnen lässt sich der Elektro-SUV sehr sportlich bewegen. Über Schaltwippen hinter dem Lenkrad lässt sich die Rekuperation in drei Stufen einstellen. Von 0 (Segeln) bis rauf auf 3. In der höchsten Stufe lässt sich so etwas wie ein One Pedal Drive darstellen, auch wenn das Fahrzeug nicht komplett zum Stillstand kommt, wenn man das Fahrpedal loslässt. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 258 km/h lässt der Eletre die meisten europäischen Konkurrenten alt aussehen – die regeln meist schon deutlich früher ab.

Raumgleiter 
Trotz Luftfederung und adaptiven Dämpfern fährt sich der Lotus Eletre eher sportlich als komfortabel. Die Karosserie kann per Knopfdruck um bis zu 25 Millimeter abgesenkt werden - und fährt bei hohen Geschwindigkeiten automatisch nach unten.
Raumgleiter
Trotz Luftfederung und adaptiven Dämpfern fährt sich der Lotus Eletre eher sportlich als komfortabel. Die Karosserie kann per Knopfdruck um bis zu 25 Millimeter abgesenkt werden – und fährt bei hohen Geschwindigkeiten automatisch nach unten.

Trotz serienmäßiger Zweikammer-Luftfederung und adaptiven Dämpfern setzt die Einzelradaufhängung eher auf Fahrstabilität denn auf Komfort, was nicht zuletzt an den aufgezogenen 22-Zoll-Rädern liegt. Im Sportmodus werden Wankneigung und Eintauchen der Karosserie spürbar reduziert, ohne dass das Fahrzeug übermäßig hart wird. Derweil sorgt die aktive Luftfederung für eine geschwindigkeitsabhängige Tieferlegung des Fahrzeugs um bis zu 25 Millimeter. Das hilft, den Luftwiderstand zu verringern und die Reichweite zu vergrößern. Per Tastendruck kann das Fahrwerk auch manuell um bis zu 25 Millimeter angehoben werden, um die Geländegängigkeit zu verbessern.

Einstiegspreis von 95.990 Euro

Der Eletre ist der erste Lotus, der eine elektromechanische Servolenkung verwendet. Eine gute Entscheidung gerade bei der S-Version, die ab Werk ab Werk ohne aktive Hinterachslenkung auskommen muss. Die ist im Eletre R serienmäßig an Bord und kann bei den anderen Versionen als Teil des 6550 Euro teuren „Lotus Dynamic Handling Pack“ zugekauft werden. Bei der Topversion werden auch die Bremsen mit Keramikscheiben aufgerüstet – beim Eletre S kosten sie 11.670 Euro Aufpreis.

Panoramawagen 
Das intelligente Glasdach zum Aufpreis von 1790 Euro kann elektrisch in 10 Stufen verstellt werden - von voller Lichtdurchlässigkeit bis hin zu vollständiger Abdunkelung. Nur öffnen lässt es sich leider nicht.
Panoramawagen
Das intelligente Glasdach zum Aufpreis von 1790 Euro kann elektrisch in 10 Stufen verstellt werden – von voller Lichtdurchlässigkeit bis hin zu vollständiger Abdunkelung. Nur öffnen lässt es sich leider nicht.

Leider fehlten bei der Testfahrt geeignete Straßen, um den Eletre S einem anspruchsvolleren Test zu unterziehen, aber ein paar leere Kreisverkehre bestätigen, dass das Torque Vectoring beim Bremsen nicht so sehr auf die dynamischen Kompetenz einzahlt wie ein Sperrdifferenzial, mit dem der Eletre leider nicht ausgestattet ist. Der elektrische Allradantrieb trägt ebenfalls dazu bei, die Bodenhaftung zu erhöhen, wobei das Drehmoment im Verhältnis 50:50 auf die Achsen verteilt wird und je nach Geschwindigkeit, Straßenbedingungen und Bodenhaftung bis zu 100 Prozent auf eine der beiden Achsen verteilt werden.

Der Einstiegspreis beträgt für das Basismodell 95.990 Euro und reicht rauf bis auf 150.990 Euro für das Spitzenmodell – ein wettbewerbsfähiger Preis, der sicher einige Kunden von Porsche, aber auch von Tesla anlocken dürfte.

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