Mazda hat schon mit mancher Extravaganz auf sich aufmerksam gemacht. Die Japaner hält als einziger Autohersteller weltweit am Wankelmotor fest, bietet die legendäre Maschine mit dem rotierenden Kolben im bislang einzigen Elektroauto sogar als Reichweiten-Verlängerer an. Zusammen mit „Freestyle Doors“ – Türen, die sich gegenläufig öffnen. Ein Verkaufsschlager ist der Mazda MX-30 trotzdem nicht geworden, weder in der rein batteriebetriebenen Version, noch als R-EV mit dem zum Generator umfunktionierten Wankelmotor. Und das trotz heftiger Preisnachlässe auf den Listenpreis von 35.990 Euro von bis zu 37 Prozent. Im Oktober wurden deutschlandweit gerade einmal 82 Exemplare des Fahrzeugs zugelassen, das beim Kraftfahrtbundesamt als SUV gezählt wird. Die meisten davon übrigens als Plug-in-Hybrid. Was wohl auch damit zusammenhängt, dass der Vollstromer derzeit abverkauft wird.
Einstiegspreis von unter 45.000 Euro
Das zweite Elektroauto der Marke, das im Frühjahr in den Handel kommt, soll da wesentlich besser performen. Ja, der Mazda 6e e-Skyactiv EV – so der vollständige Name des Fahrzeugs – soll sogar eine neue Ära einläuten, mit einer elektrischen Reichweite in der Long-Range-Version mit der Zusatzbezeichnung 245 von bis zu 552 Kilometern und einem Einstiegspreis von unter 45.000 Euro. Offiziell vorgestellt wird das neue Auto dieser Tage auf der 101. Brüssel Motor-Show – wir durften schon Ende November im Forschungs- und Entwicklungszentrum von Mazda in Oberursel bei Frankfurt einen Blick auf den Hoffnungsträger werfen.
Wer befürchtet hatte, Mazda werde der Welt einen weiteren Elektro-SUV bescheren, sah sich dabei angenehm überrascht: Bei dem Mazda 6e – der Name legt es schon nahe – handelt es sich eine elegante, 4,92 Meter lange Elektro-Limousine, die gegen das Model 3 von Tesla, aber auch gegen den Polestar 2 sowie den BMW i4 sowie den BYD Seal antreten soll.
Kostengünstig durch Produktion in China
Entwickelt wurde das Fahrzeug in einem Joint Venture mit dem chinesischen Autobauer Changan. Produziert wird es in Nanjing auf einer neuen Plattform, die sich auch für einen Brennstoffzellenantrieb nutzen lässt – wer weiß, was da noch auf uns zukommt. In China wird die heckgetriebene Limousine unter der Modellbezeichnung EZ-6 bereits seit dem Herbst in zwei Antriebsvarianten angeboten – zu Preisen zwischen 139,800 und 179,800 Yuan, umgerechnet 18.242 bzw. 23.500 Euro. Das erklärt, warum das für Europa nur leicht modifizierte Modell trotz der erwarteten EU-Strafsteuer für Elektroautos aus China von in dem Fall 20 Prozent trotz Vollausstattung relativ günstig angeboten werden kann. Die Chancen auf einen Verkaufserfolg stehen nicht schlecht: Das heckgetriebene, 188 kW starke und ebenfalls aus China importierte Model 3 von Tesla steht derzeit mit knapp 40.000 Euro in der Preisliste, die 200 kW starke Basisversion des Polestar 2 mit 48.990 Euro. Und für den allradgetriebenen BYD Seal werden aktuell 44.990 Euro aufgerufen
Zumal der Mazda 6 auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken kann, die bis ins Jahr 2001 zurückreicht. Allein in in Deutschland fand das Modell über die Jahre rund eine Viertelmillion Käufer. In Japan endete die Produktion erst im Frühjahr, in Europa schon 2023. Mit dem vollelektrischen 6e will Mazda nun an diese Erfolgsgeschichte anknüpfen – stylistisch, aber nicht antriebstechnisch: Eine Verbrenner-Version ist derzeit nicht geplant.
In China auch mit Reichweiten-Verlängerer
In China gibt es den Mazda EZ-6 wegen der schlechten Ladeinfrastruktur im Land allerdings noch mit Range Extender. Bei den sogenannten EREV-Versionen schrumpfen die Batteriekapazitäten wahlweise auf 18.9 oder 28.4 kWh und die Reichweiten im Elektromodus auf maximal 200 Kilometer. Dafür steigt dank des 70 kW starken benzingetriebenen Hilfsaggregats an der Vorderachse die Gesamtreichweite des Plug-in Hybrid auf bis zu 1300 Kilometer. Ob auch dieses Modell bei uns angeboten wird, steht allerdings noch nicht fest. „Wir überlegen noch“, heißt es in Oberursel.
Optisch weist das für Europa vorgesehene Modell keine nennenswerte Veränderungen zum chinesischen Schwestermodell auf. Warum auch? Die Mazda-Designer haben der Fließhecklimousine ein sportlich-elegantes Karosseriekleid geschneidert, das die genannten Wettbewerber fast schon altbacken aussehen lässt. Die Mazda-typische Front mit scharfen LED-Schlitzaugen über dem schwertförmigen Tagfahrlicht und dem wappenförmigen Kühlergrill haben sie beim 6e um einen „Signature-Wing“ genannten Lichtrahmen ergänzt, der den fein ziselierten Grill scheinbar schweben lässt. Erst recht in der Nacht an der Ladesäule, wenn er leicht pulsierend die Befüllung des Akkus mit Strom anzeigt.
Das Heck wiederum zieren nicht nur vier scharf angeschnittene Rundleuchten, die beim Laden ebenfalls Lichtsignale senden. Darüber hebt sich bei Geschwindigkeiten jenseits von 90 km/h auch der Heckspoiler an, um den Anpressdruck bei höheren Geschwindigkeit zu erhöhen und damit die Fahrstabilität zu verbessern.
Müde Ladeleistungen der Langstrecken-Version
Denn so sportlich der Elektro-Mazda aussieht, so sportlich soll er auch bewegt werden können – bei einer Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h. Mit 190 kW oder 258 PS in der Standardversion 258, mit 180 kW oder 245 PS in der Long Range-Variante 245. Damit Autokäufer die beiden Modelle besser unterscheiden können, haben Juristen darauf gedrängt, in den Prospekten die Antriebsleistung in PS (!) an die Modellbezeichnung anzuhängen.
Und hier fängt es dann leider auch an, beinahe Mazda-typisch etwas krude zu werden. Denn gekoppelt ist der stärkere Motor an einen LFP (Lithium-Eisenphosphat)-Akku von CATL mit einer Speicherkapazität von 68,8 Kilowattstunden für Reichweiten von bis zu 479 Kilometer, der am HighPower-Charger mit immerhin 200 kW geladen werden kann. So weit, so gut, so wettbewerbsfähig.
Bei der Langstreckenversion hingegen ist ein klassischer NMC (Nickel-Kobalt-Mangan)-Akku des ebenfalls chinesischen Batterieherstellers CALB verbaut, der zwar insgesamt 80 kWh Strom für Fahrstrecken von bis zu 552 Kilometer speichern kann, aber an der Ladesäule – man muss es so hart sagen – eine ziemliche Krücke ist: Die maximale Ladeleistung beträgt gerade einmal 95 kW. Sie liegt damit in der Disziplin noch hinter einem Opel Corsa E, der Gleichstrom immerhin mit 100 kW laden kann. Eine Dreiviertelstunde dauert es demzufolge, um den Ladestand des Mazda von 10 bis 80 Prozent anzuheben – da sind fast alle Wettbewerber und auch die Standardversion (Ladezeit von 10 auf 80 Prozent: 22 Minuten) schon lange hinterm Horizont verschwunden.
Klassische Moderne im Innenraum
Etwaige Mehrkosten für die Langstrecken-Version des Mazda 6-e – die Preisliste wird erst in gut einem Monat publiziert – dürften deshalb die meisten Kaufinteressenten hierzulande aus gutem Grund scheuen: Eine derartige Ladeperformance akzeptiert man vielleicht noch bei einem elektrischen Kleinwagen, aber heute nicht mehr bei einem Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse.
Die edle Innenausstattung mit „Zero-Gravity“-Sitzen vorne und einer herrlich bequemen, ebenfalls mit Nappa- und Kunstleder bezogenen Rücksitzbank ist da nur ein schwacher Trost. Immerhin hat man während der Ladepause ausreichend Zeit, durch das große Panorama-Glasdach die Wanderung von Sonne und Mond zu betrachten. Für Ablenkung sorgen sicher auch Unterhaltungsprogramme, die während der Ladepause auf dem 14,6 Zoll großem Infotainment-Bildschirm betrachtet werden können.
So hinterlässt die erste Begegnung mit dem neuen Mazda 6e einen zwiespältigen Eindruck: Design, Ausstattung und Verarbeitung sind Spitze, doch die Konfiguration des Antriebsstrangs diktierte offenbar der chinesische Rotstift. Aber vielleicht tut sich bis zur Markteinführung ja noch etwas: Uwe Mandel, der als Leiter des Forschungs- und Entwicklungszentrums in Oberursel die Homologation des Modells für den europäischen Markt verantwortet, hat versprochen, die Kritik an die Mazda-Zentrale in Hiroshima weiterzuleiten. Vielleicht kann er das Schlimmste ja noch verhindern. Es wäre schade um das Auto.