Die E-Klasse war einst der wohl durchblutete Magen von Mercedes, denn die Mischung aus Ertrag und Verkaufsvolumen war konkurrenzlos im breiten Sternenportfolio. Mittlerweile ist der GLC das meistverkaufte Fahrzeug mit Stern und mit der kommenden E-Klasse teilt sich der SUV das Schicksal, dass es keine komplett elektrische Version geben wird. Kein Wunder, dass nach dem gelungenen Start des Mercedes EQS nun viele auf den kleinen Bruder EQE schauen. Denn dieser soll für die Schwaben zum echten Wechselmodell werden. Er soll zeigen, dass die Fahrzeuge mit Elektroantrieb keine Verzichtsmodelle sind – und der EQE das perfekte Langstreckenmodell ist. Schwache Basisversionen spielen beim EQE ebenso keinerlei Rolle mehr wie bei der elektrischen Konkurrenz. Denn bereits das Grundmodell EQE 350 kommt mit einer Antriebsleistung von 215 kW (292 PS) daher.
858 Newtonmeter Drehmoment
Wer Lust auf Exklusivität, Dynamik und Fahrspaß hat und über die entsprechende Dienstagen-Berechtigung verfügt, sollte sich jedoch gleich für den Mercedes EQE 500 entscheiden. Denn der bietet neben Allradantrieb auch üppige Reichweiten und zwei Elektromotoren. Die Antriebsleistung beträgt hier muntere 300 kW (408 PS). Spektakulär ist jedoch das maximales Drehmoment des Antriebs von 858 Newtonmeter, das bereits ab dem Start anliegt. Die 4,95 Meter lange Oberklasselimousine fährt sich dann nicht nur ausgesprochen sportlich. Auf Wunsch legt sie auch brutale Ampelstarts hin. Dabei drückt es die Insassen in die Sitze, als wäre man auf der Rennstrecke unterwegs.
Nicht ganz so sportlich sieht es dagegen bei Höchstgeschwindigkeit und Ladeleistung aus. Denn bei 210 km/h wird der Vorwärtsdrang abgeregelt. Und an der Schnelladesäule fließt der Strom mit maximal 170 Kilowatt. Beides ist nicht schlecht, aber alles andere als wirklich schnell. Mehr gefallen kann das Fahrwerk, das sich mit seinen verschiedenen Fahrprogrammen ganz dem Wunsch des Fahrers anpasst. Für Wendigkeit und Dynamik sorgt dabei nicht zuletzt die Hinterachs-Lenkung, die die Räder in engen Kurven mit einem Winkel von bis zu 4,5 Grad einschlägt. Dabei macht auch der Komfortmodus den EQE 500er nicht zur Sänfte. Er bleibt sportlich und wird in den beiden Sportmodi nochmals bissiger und straffer. Mit seinem Normverbrauch von 17,8 – 21,1 kWh pro 100 Kilometer schafft der Allradler bis zu 500 Kilometer ohne Ladestopp – bei verhaltener Fahrweise und unter optimalen Außenbedingungen.
Viel Platz dank Radstand von 3,12 Meter
Doch es ist nicht allein der Elektrospurt, der begeistert. Es ist vielmehr die entspannte Gelassenheit, mit der der Viertürer aus Bremen aus allen nur erdenklichen Tempi anschiebt. 30, 60, 100 oder gar 160 km/h – ein Druck auf das rechte Pedal und nahezu geräuschlos rauscht das das über 2,4 Tonnen schwere Luxusmodell nach vorn. Der Fahrkomfort ist dabei kaum weniger beeindruckend als das Platzangebot, denn auch im EQE lässt es sich auf den vorderen wie auf den hinteren Sitzen überaus bequem reisen. Dafür sorgt nicht zuletzt ein 3,12 Meter langer Radstand und der fehlende Mitteltunnel.
Angenehm: im Unterschied zum großen Bruder öffnet sich nicht die ganze Heckklappe mit Scheibe und kühlt im Winter so den Innenraum aus, sondern es bleibt bei einem normalen Kofferdeckel, der sich elektrisch öffnet und ein Volumen von 430 Litern hinter sich verbirgt.
Innen geht es nicht nur wegen des gigantischen Hyperscreens technischer und moderner zu als in den meisten anderen Oberklasse-Autos. An die durch das Akkupaket im Unterboden leicht erhöhte Sitzposition gewöhnt man sich schneller als gedacht, doch es fehlt – wenn auch nicht ganz so wie beim EQS – das Luxusgefühl eines Mercedes. Handschuhweiches Leder, sattes Zufallen von Türen oder schick bespannte Verkleidungen und Applikationen – das alles war einmal. Denn auch hier geht auch der Mercedes EQE einen neuen, veganen und angeblich nachhaltigeren Weg, an den sich ehemalige E-Klasse-Fahrer erst einmal gewöhnen müssen.
Preise für den EQE beginnen bei rund 70.000 Euro
Doch das ist nun einmal der neue Weg der Mobilität. Und der EQE wird mittelfristig eine deutlich größere Bedeutung im Produktportfolio der Schwaben haben als eine E-Klasse, die in der kommenden Generation unverändert mit Diesel und Benziner sowie als Plug-in-Hybrid zu haben sein wird, aber künftig nicht mehr so strahlen darf wie sein vollelektrische Schwestermodell. Kein Wunder, dass die Mercedes-Verantwortlichem mit dem EQE gerade als 500er zufrieden sein können. Denn der Umstieg von einem aktuellen Mercedes E 400 auf einen EQE 500 fällt leichter als man denkt – wenn man im Gehirn die Synapsen erst einmal neu sortiert hat.
Und die mehr als 500 Kilometer Reichweite zwischen den Ladestopps sollten für die meisten Käufer oder Nutzer völlig reichen. Für die Freunde des Dieselantriebs dürfte die Umgewöhnung deutlich schwerer werden. Denn 800 Kilometer ohne Pause selbst bei flotter Fahrt über die Autobahn sind mit dem Mercedes EQE 500 4matic nicht zu machen.
Der Preis des Mercedes EQE 500 4matic steht noch nicht fest. Den Einstieg in die EQE-Welt bildet ab diesem Monat der 79.908 Euro teure E 350+. Das Topmodell AMG EQE 43 kostet bereits stattliche 104.000 Euro. Insofern dürfte das sportlichste aller elektrische Oberklassemodelle ohne AMG-Signet wohl um die 90.000 Euro kosten.