Seit 1979 baut Mercedes die G-Klasse. Und seither gilt der kantige Allradbulle als Benchmark für komfortables Vorankommen auf der Straße, vor allem aber in selbst rauen Gelände – als „Wolf“ machte er unter anderem bei der Bundeswehr Karriere. Während in den gut 40 Jahren seit Produktionsbeginn andere Modellreihen unter dem Stern erschienen und wieder verlöschten, ist die G-Klasse immer noch da. Rund 450.000 Exemplare wurden bislang bei Magna-Steyr in Graz gebaut. Aktuell ist die G-Klasse bis Ende 2024 ausverkauft und es gilt ein Bestellstopp für das mindestens 110.000 Euro teure Modell. Immerhin: In zwei Jahren steht die vollelektrische Version EQG an. Mit insgesamt vier Elektromotoren an Bord soll sie zum Jahreswechsel 2024/2025 erstmals in Kundenhand ins Gelände gehen – parallel zum weiterhin mit Verbrennungsmotoren angebotenen Schwestermodell.
Noch wird sie mit ein paar in Tarnfolie gepackten Prototypen rund um den Globus getestet. Aber eine erste Mitfahrt mit dem Mercedes EQG auf einem Offroadgelände in der Nähe von Barcelona lässt zumindest schon erahnen, was da langsam Gestalt annimmt – über die Technik der elektrischen G-Klasse will man bei Mercedes-Benz noch nicht so gerne reden.
Also erst einmal ein paar Worte zur Optik. Zumindest an der kantigen Form des Offroaders wird sich dabei wohl wenig ändern. Eine geschlossene Front statt eines überflüssig gewordenen Kühlergrills ist wahrscheinlich, dazu werden die Scheinwerfer überarbeitet. Innen gibt es auch nicht allzu viele Veränderungen gegenüber der G-Klasse. Das weitgehend abgedeckte Armaturenbrett der Prototypen scheint jedenfalls ähnlich geradlinig zu werden wie bei der aktuellen G-Klasse.
Akku wird in den Leiterrahmen integriert
Unter der Fronthaube des Kastenwagens gibt es allerdings keinen Verbrennungsmotor mehr – da wäre also eigentlich genug zusätzlicher Stauraum. Doch hier haben die Ingenieure lieber Elektronik und elektrische Leitungen untergebracht – so eine „hohe Ladekante“ sei eh niemandem zuzumuten.
Aber rein elektrisch ins Gelände? Passt das? Das passt sogar sehr gut, wie bereits der Prototyp des Mercedes EQG zeigt. Denn der Stromer ist eigentlich ideal konzipiert für ruppige Offroad-Einsätze. Das fängt mit den Lithium-Ionen-Akkus an. Die sind in den robusten Leiterrahmen aus bis zu 3,4 mm dickem Stahl integriert. Das macht die Karosserie nicht nur noch einmal deutlich verwindungssteifer, es sorgt auch für einen niedrigen Schwerpunkt. Selbst bei extremen Neigungswinkeln bleibt die elektrische Mercedes G-Klasse so auf dem Boden.
Um die Akkus, die aus dem Konzernregal kommen und auch in den anderen elektrischen Mercedes-Modellen verbaut werden, besonders zu schützen, haben die Entwickler extra robuste Unterboden-Abdeckungen aus einem extrem widerstandsfähigen Material entwickelt. Gleich ein halbes Dutzend Mal setzte unser Prototyp während der Testfahrt hart auf Fels und Stein auf – unbeschadet.
Vier Elektromotoren einzeln ansteuerbar
Hilfreich im Gelände auch die Konstruktion mit vier einzeln ansteuerbaren Elektromotoren nahe den Rädern. So lässt sich Schlupf ganz fein und individuell elektronisch je nach Untergrund austarieren. Dazu kommt, dass das maximale Drehmoment – für ein Elektroauto typisch – praktisch ab der ersten Umdrehung anliegt. Über die Leistungswerte selbst – PS und Drehmoment – mag man bei Mercedes zu diesem frühen Entwicklungsstadium ebenso wenig sagen wie zu den Fahrleistungen oder der Akkukapazität. In jedem Fall aber arbeitet sich die elektrische Mercedes G-Klasse auch auf extrem steilen und rutschigem Untergrund unaufhaltsam nach Oben – die Steigfähigkeit liegt bei bis zu 100 Prozent. Über ein schaltbares Getriebe lässt sich eine Geländeuntersetzung darstellen und der Offroader in einen extra fürs Grobe gedachten „Low Range Modus“ bringen.
Als kleiner Nebeneffekt sorgt der Einsatz von vier Motoren für vier Räder auch für eine deutlich präzisere und engere Kurvenfahrt. Da jedes Rad unabhängig ansteuerbar ist, lässt sich seine Umdrehung mit zur Lenkung nutzen. Zumindest beim Prototypen geht das so weit, dass er sich auf der Stelle drehen kann – Wendekreis = Fahrzeuglänge. Erreicht wird das vom Prinzip her wie bei einem Panzer: Zwei Räder drehen sich vorwärts, die zwei anderen rückwärts. Ein Druck auf den entsprechenden Knopf am Lenkrad – und über die Paddel am Lenkrad lässt sich dirigieren, in welche Richtung die Karussellfahrt geht und wie lang.
Aktuell funktioniert das dank einer elektronischen Sperre rein im Gelände und auf sandigem Untergrund – auf Asphalt wären die Kräfte zu stark, die auf Reifen und Mechanik einwirken. Ob der so genannte „G-Turn“, den Konkurrent Rivian in seinem Modell R1T als „Tank-Turn“ anbietet, später auch in der Serienversion des Mercedes EQG zum Einsatz, bleibt allerdings abzuwarten.