Das Wichtigste in Kürze

  • Neue Mercedes Elektro-Plattform
  • Batterie mit bis zu 108 kWh Speicherkapaziät
  • Reichweite von bis zu 770 Kilometer
  • Weitere Karosserie-Varianten folgen

Der erste Blick überrascht. Wer hätte das gedacht? Die neue elektrische S-Klasse, der Mercedes EQS, wird keine klassische Stufenheck-Limousine, und auch kein SUV – sondern eine fünftürige Fließheck-Limousine. Kurze Motorhaube, niedrige Silhouette und ein nach hinten stark abfallendes Heck mit einer großen Klappe. Kurze Überhänge vorne und hinten, eine kurze und steil ansteigende Motorhaube, ein großes Panorama-Dach sowie insgesamt niedrige Karosserie lassen erahnen: Der Mercedes EQS soll sich geradezu durch den Wind schneiden. Statt eines Kühlergrills kommt eine schwarze Front zum Einsatz, optional mit vielen kleinen leuchtenden dreidimensionalen Mercedes-Sternchen versehen. Kleine optische Spielerei: eine durchzogene gespindelte Doppel-Helix in den Rückleuchten, als Hinweis auf die elektrische DNA. Eine Klappe am vorderen linken Kotflügel nimmt das Waschwasser für die Scheiben auf.

Mercedes wollte keine S-Klasse mit Elektroantrieb anbieten, sondern ein eigenständiges Modell, das sich etwas zurücknimmt und sehr dezent auftritt. Klingt einleuchtend, hat Mercedes doch erst 2020 seine neue S-Klasse vorgestellt – und will sie noch ein paar Jahre lang verkaufen. Mit dem Mercedes EQS schielen die Schwaben auf neue Kunden: Tesla-Fahrer, aber auch Porsche-Taycan- oder Audi E-Tron-Fahrer sollen gerne bei einem Mercedes-Händler vorbeischauen.

Bis zu 770 Kilometer Reichweite

Neben dem neuen, anderen Design soll aber auch die Technik überzeugen. Den Mercedes EQS wird es mit zwei Batteriegrößen geben, die 90 und 107,8 kWh Strom speichern – zum Start im August gibt es zunächst nur den großen Akku im EQS 450+ und EQS 580 4MATIC. Bis Tesla das Model S Plaid mit einer angeblich mindestens 120 kWh großen Batterie anbietet, hat der Mercedes EQS damit vorerst den größten Akku im Boden verstaut. Damit soll nach der Verbrauchsnorm WLTP bis zu 770 Kilometer Reichweite möglich sein. Dank der windschlüpfrigen Karosserie mit einer Stirnfläche von 2,51 m2  liegt der Widerstandsbeiwert bei nur 0,20 cW – das ist Rekordwert für ein Serienfahrzeug. Bei sparsamer Fahrweise und im Stadtverkehr verbraucht die E-Maschine beim EQS 450+ nach WLTP angeblich nur 15,7 kWh auf 100 Kilometer. Im Alltagsbetrieb außerhalb der City sind eher Werte um die 20 kWh zu erwarten.

Insgesamt sind zehn oder zwölf Zellmodule (je nach Batteriegröße) mit der Leistungselektronik im EE-Compartment, der Batterie-Einheit, untergebracht. Ein Modul besitzt wiederum 18 Zellen. Die Batterie lässt sich am AC-Lader mit 11 kW oder optional 22 kW laden, am Schnelllader mit 200 kW Gleichstrom. Mittels einer intelligenten Regelung soll das konstant möglich sein, so dass eine Reichweite von 300 Kilometer innerhalb von 10 Minuten nachgeladen werden kann. „Eine Fahrt von Stuttgart nach Berlin wird dadurch zur entspannten Tour“, sagt Michael Weiss, technischer Leiter bei Mercedes Benz, für die elektrische Antriebsplattform des EQS. 

Schöne neue Elektro-Welt
Autor Fabian Hoberg beeindruckte der großzügig bemessene Innenraum – die Mercedes S-Klasse bietet selbst in der Langversion nicht mehr Beinfreiheit. Foto: Mercedes-Benz

Der Trick: Bevor der Fahrer lädt, weiß das System über das Navi und den Haltepunkt, wann sie die Batterie für die Ladung vorkonditionieren und vorwärmen muss – so kann sie im optimalen Temperaturfenster schneller geladen werden. Ein Batteriezertifikat gibt Kunden ein Leistungsversprechen über eine Laufzeit von zehn Jahren oder bis zu 250.000 Kilometer. Dank einer neuen Zellchemie konnte zudem der Kobalt-Anteil an den Kathoden auf unter zehn Prozent gedrückt werden.

Neue Mercedes-eigene Elektroplattform EVA

Beim EQS (2021) entwickelte Mercedes im Gegensatz zum Mercedes EQC eine neue Modulare Elektro-Architektur (MEA), intern EVA II. Die neue EVA-Plattform lässt sich in Spurweite und Radstand skalieren. Schon jetzt ist klar, dass der Mercedes EQS neben der Fließheck-Variante eine SUV-Variante erhält. Eine Nummer kleiner folgt später die Elektrovariante der E-Klasse, auch mit zwei unterschiedlichen Aufbauten.

Im Gegensatz zur konventionellen S-Klasse offeriert Mercedes beim EQS nur einen Radstand. Allerdings bietet der Mercedes EQS von Grund auf mehr Platz auf die S-Klasse. Der Mercedes EQS musst zwar 5,21 Meter wie eine kurze S-Klasse (5,18 Meter), doch er bietet dabei dank eines Radstandes von 3,21 Meter einen Innenraum so groß wie der einer langen S-Klasse (5,28 Meter). Fünf Personen finden immer Platz, eine Einzelsitzanlage für den Fond bietet Mercedes nicht an. Dafür einen riesigen Kofferraum von 610 Litern. Die Scharniere der Klappe liegen am Dach, die Rücksitze lassen sich umklappen und es entsteht eine große Ladefläche mit bis zu 1770 Litern. Wer hätte gedacht, dass eine S-Klasse mal praktisch wird?

Vorerst zwei Leistungsklassen im EQS

Zunächst verkauft Mercedes den EQS in zwei unterschiedlichen Leistungsklassen und optional auch schon mit Allradantrieb. Zum Verkaufsstart wird erst einmal nur die große Batterie angeboten. Der Mercedes EQS 450+ (das Plus steht für hohe Reichweite) leistet 245 kW und überträgt seine Leistung auf die Hinterachse. Mindestens 550 Newtonmeter Drehmoment sollen die Maschinen leisten. Die Reichweite soll dann bei rund 770 Kilometer liegen. Beim Mercedes EQS 580 4Matic sorgt eine permanent erregte Synchronmaschine mit 385 kW Leistung für Vortrieb über alle vier Räder.

Dabei arbeiten die beiden E-Maschinen unabhängig voneinander, sind komplett steuerbar und gleichen sich elektronisch rund 10.000 Mal pro Minute miteinander ab. Trotz eines Leergewichts von rund 2,5 Tonnen beschleunigt der Mercedes EQS 580 in 4,3 Sekunden, 828 Newtonmeter Drehmoment helfen ihm dabei. Bei 210 km/h werden die Mercedes-Modelle abgeregelt, AMG-Varianten sollen später etwas schneller fahren.

Zum Prizing hat sich Mercedes bei der Weltpremiere noch nicht geäußert. Dem Vernehmen nach soll der Einstiegspreis für den EQS allerdings bei unter 100.000 Euro liegen. Zum Vergleich: Das allradgetriebene Tesla Model S mit 663 Kilometern Reichweite startet bei knapp unter 87.000 Euro.

Serienmäßig mit Luftfederung

Genug der Datenhuberei. Wie fährt sich das Auto? Also rein in den Innenraum. Elegant fahren die Türgriffe wie bei der normalen S-Klasse aus, die Türen öffnen weit. Auf Wunsch öffnet sich sogar optional die Fahrertür automatisch. Weit nach hinten reicht die A-Säule, gibt den Blick nach vorne schön frei. Etwas höher als in der konventionellen S-Klasse sitzen die Passagiere, haben dafür eine bessere Rundumsicht. Ein Tipp auf den Startknopf und der riesige Bildschirm erwacht. Kurz auf D klicken und der Mercedes EQS fährt los. Sehr leise, sehr komfortabel. Selbst bei 100 km/h auf der Landstraße kommen dringen kaum Windgeräusche in Ohr, die serienmäßige Luftfederung kompensiert Stöße und das hohe Fahrzeuggewicht.

Leicht, ja fast sportlich, lässt sich der EQS über enge Landstraßen zirkeln. Je nach Fahrmodi reagiert der Mercedes EQS Fünftürer giftig oder gemächlich auf Fahrbefehle. Für mehr Fahrkomfort lagerten die Ingenieure die E-Maschinen speziell, sie absorbieren nun Körper- und Luftschall. Vibrationen oder hohe Frequenzgeräusche werden dadurch eliminiert. Wer dennoch Fahrgeräusche haben will, kann sich einen künstlichen Motorsound in den Innenraum holen. Drei Rekuperationsstufen regeln die Energierückgewinnung, und zwar bis zu 290 kW.

1,41 Meter breites Display im Mercedes EQS

Im noch getarnten Prototyp sind nur ein paar Embleme im Innenraum abgeklebt, der riesige Bildschirm aber ist voll funktionstüchtig. Auf 1,41 Meter Breite umspannt der Mbux Hyperscreen die Front, er teilt sich in bis zu drei Monitore auf. Serienmäßig misst der Monitor hinterm Lenkrad 10,25 Zoll, optional 12,3 Zoll. In der Mitte kommt ein 12,8 Zoll großer Screen oder optional einer mit 17,7 Zoll zum Einsatz. Für den Beifahrer steht ein weiterer 12,3-Zoll-Monitor zur Wahl. Klar und edel. Zudem bietet es einen verzerrungsfreien Blick. Selbst vom Fahrersitz aus sind die Symbole ganz rechts klar zu erkennen.

Mercedes EQS
Erste Ausfahrt noch im Tarnkleid
Trotz eines Leergewichts von rund 2,5 Tonnen beschleunigt der vollelektrische EQS in 4,3 Sekunden auf Tempo 100. Bei 210 km/h werden die Mercedes-Modelle abgeregelt, AMG-Varianten sollen später noch etwas schneller fahren können. Foto: Mercedes-Benz

24 Gigabyte Arbeitsspeicher und 46,4 GB pro Sekunde RAM-Speicherbandbreite sorgen für eine schnelle Reaktionszeit. Ein Wisch oder leichter Tastendruck genügt und der mittlere Monitor ändert sofort seine Oberfläche. Zwölf Stellmotoren reagieren bei Berührungen für eine haptische Rückmeldung.

Gegen Aufpreis mit Hinterradlenkung

Shahram Hami-Nobari, zuständig für die elektrische Reichweite und Energie-Optimierung des Mercedes EQS und die kommenden Fahrzeuge der Plattform, ist besonders stolz auf die Reichweite von 770 Kilometer. „Das macht nicht nur ein großer Akku und ein sparsamer E-Motor aus, sondern viele kleine Optimierungen am ganzen Fahrzeug“, erklärt Hami-Nobari. Dazu zählt die Reduzierung des Stromverbrauchs im gesamten Bordnetz über Kühlung, einem niedrigen cW-Wert und vorausschauendes Fahren je nach Wetter und Topologie. Das gesamte System ist zudem bis auf die Batterie updatefähig, die meisten Funktion over the air. Sogar die Hinterachslenkung können sich Fahrer später elektronisch zubuchen. In der Serie ändert sie sich je nach Fahrsituation um vier Grad, optional sind dann zehn Grad Verstellwinkel möglich. Damit fährt sich der Mercedes EQS in engen Kurven wie eine Kompaktklasse.

Wer hätte das von einer elektrischen Mercedes S-Klasse gedacht?

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14 Kommentare

  1. Jürgen Baumann

    Nehmen wir mal den völlig unwahrscheinlichen Fall an, das die Tesla Leute dem Modell S eine weitere Modellpflege angedeihen liessen. Würde dann auch wieder die Altersfrage gestellt? Ich meine, auf der einen Seite ein Fahrzeug mit ein paar Millionen km Erfahrung auf der Strasse und dann dieses recht junge Erzeugnis eines Traditionsherstellers. Müssten wir dann im Text irgendwo einen Verweis auf Babywindeln gegenwärtigen?

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  2. Thomas

    „Dagegen sieht ein Tesla Model S alt aus“
    Abgesehen vom Clickbait
    „kostet ja auch das Doppelte“

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  3. Phaetonix

    Das Tesla Model S kam im Sommer 2012 auf den Markt. Ob es gegen den EQS alt aussieht, werden Vergleichstests zeigen. Die Überschrift hätte es nicht gebraucht…

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  4. Andreas Kühweg

    „Dagegen sieht ein Tesla Model S alt aus“
    Kann man nicht bestreiten – und zwar ziemlich genau neun Jahre alt.
    Hat das EQS Team von Mercedes eigentlich nichts dagegen, wenn sie mit so einem Oldie verglichen werden?

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  5. Raimund

    Was hat die Überschrift mit dem Artikel zu tun? Würde ich als Clickbait definieren🙄

    Warum wird eigentlich kein Preis angegeben?

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  6. Matthias

    Relevant ist nur Reichweite und Verbrauch nach dem jeweiligen Zyklus. Das muss stimmen.

    Irreführend ist die Akkukapazität, daher gibt Tesla keine Werte mehr an.
    Werden 770km und 16 kWh/100km angegeben kann man errechnen dass dafür 16kWh x 7,7 = 123,2 kWh nötig sind die das Auto am (heimischen) Ladekabel verbraucht, wovon im Auto aber nur 108 kWh ankommen. Das sind 14% Verlust beim Laden durch den Gleichrichter im Ladegerät, bzw. 88% Effizienz. Die berühmten Ladeverluste, die im Verbrauch schon berücksichtigt sind.

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  7. theo thalmann

    sehr geehrte Edison Redaktion,
    ich fahre seit mehr als 4 Jahren einen i3, habe eben auf die grössere Reichweite gewechselt und bin sehr zufrieden.
    Was mich bei der Vorstellung der neuen E-Autos massiv stört sind die masslosen Übertreibungen bei der Reichweite.
    Eine 107.8 kW Batterie mit einem 16kW Verbrauch auf 100km ergibt nach Adam Riese 670 km. Woher die fehlenden 100 km kommen ist mir schleierhaft.
    Ich fahre den i3, wenn ich mir Mühe gebe, mit 15.5 kW. Kann mir nicht vorstellen, dass man den 2.5 Tonnen schweren Mercedes mit bloss 16kW fährt. Zudem wird bei jeder Neuvorstellung mit maximaler Beschleunigung und riesigen PS Zahlen geblufft, was dann wohl eher mit 30kW/100km zu Buche schlägt, man rechne.
    Ich denke, dass es zu mindestens Edison anstehen würde hier ein wenig Distanz zu markieren.

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    • Franz W. Rother

      Lieber Herr Thalmann, die Angaben der Hersteller über die WLTP-Verbräuche können wir nicht kritisieren, die sind amtlich festgestellt. Allerdings hinterfragen wir sie regelmäßig – siehe auch im aktuellen Bericht über den Skoda Enyaq. Aber dazu müssen wir das Auto erst einmal in die eigenen Finger bekommen, um realistische Verbräuche zu erzielen. Ich selbst fahre seit fünf Jahren Elektroautos, hatte selbst auch schon einen i3 und weiß, was im Alltag möglich ist. Komme auch gerade von einer Fahrt mit dem Mini-e nach Frankfurt zurück. Bei Tempo 120 auf der Autobahn kam ich wenig mehr als 130 Kilometer mit einer Akkuladung weit.

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    • Der Diktator

      eine Batterie hat eine (Energie-) Kapazität die in kWh angegeben wird. Der Verbrauch wird z.B. in kWh/100km angegeben.
      Die Einheit kW wird üblicherweise für die Angabe von Leistung verwendet.
      Bitte um freundliche Beachtung.

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    • Jürgen Baumann

      Habe meinen i3 nach 35‘090 km auch abgegeben mit 15.07 kWh/ 100 km über die ganze Strecke berechnet. Alles Akku to wheel. Angabe des Herstellers: 12.9 kWh / 100 km. Naja … sind ja nur 16.8% Differenz und also nur „etwas“ mehr.
      Jetzt habe ich einen Kona electric seit 2 Jahren und 25‘000 km. Stehe gerade bei 13.3 kWh / 100 km. Angabe des Herstellers 14.3 kWh / 100 km. Hm, Differenz 7.5%, aber weniger.
      Fazit: Beide „schummeln“. Aber die Art der Schummelei der Koreaner ist mir viel lieber.

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  8. Der Diktator

    „Bei sparsamer Fahrweise verbraucht die E-Maschine angeblich nur 16 kW auf 100 Kilometer.“

    ich kaufe ein „h“
    Schickes Auto. Was kosten die optional größeren Bildschirme und bieten diese mehr Information oder sind diese für die Autofahrer mit schlechten Augen gedacht?

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  9. haarthhoehe

    107,8 geteilt durch 16 macht 770 km. Alles klar.

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    • Der Diktator

      107,8kWh / 770km = 140Wh/km

      Durchaus möglich bei 80km/h

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    • Patrice

      Ist schon ein fantastischer Wagen dieser EQS, die Fahrberichte bis jetzt sind sehr positiv, toll für Europa und Deutschland um die Konkurrenz in Schach zu halten. Ich konnte aber in diesem Artikel nicht herausfiltern warum Tesla alt aussieht…..

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