Das Doppel-M am Kühlergrill für Maybach-Motorenbau stand früher für großvolumige Zwölfzylinder-Motoren mit seidenweichem Lauf und für üppigst ausgestattete Autos mit technischen Finessen, gebaut für eine exklusive Zielgruppe. Mit den von Wilhelm und Karl Maybach konstruierten Superluxus-Autos protzten in den 1920 und 1930er Jahren Kaiser und Maharadschas, Kaufhauskönige und Nazi-Größen wie Reichsminister Joseph Goebbels. Für „Distanz zur Masse“ (so der damalige Werbeslogan der Marke) sorgten schon Kaufpreise von bis zu 48.000 Reichsmark. Zur Einordnung: Das jährliche Durchschnittseinkommen in Deutschland betrug 1932 gerade einmal 2.100 Reichsmark. Im Jahr wohlgemerkt, nicht im Monat.

An die Zeiten versucht Mercedes-Benz nun offenbar anzuküpfen. Im vergangenen Sommer gab Konzernchef Ola Källenius bekannt, dass sich Mercedes sich künftig auf die Luxus-Klasse konzentrieren werde, um mit Klasse statt Masse die Renditen zu steigern und die Aktionäre zu beglücken. Konzentrieren wolle sich das Unternehmen fortan auf Fahrzeuge in den drei Produktkategorien Top-End Luxury, Core Luxury und Entry Luxury. Maybach – seit 1960 Teil des Konzerns – soll dabei als Marke im Top-End-Luxury-Segment zu neuen Ehren kommen.

Den Anfang macht der neue, 484 kW starke (in China auf 470 kW gedrosselte) Mercedes-Maybach EQS 680 SUV, den das Unternehmen jetzt auf der Messe „Auto Shanghai“ in China präsentierte. Was der vollelektrische „Top-End-Luxus-SUV“ kosten wird, wurde da noch nicht verraten. Er dürfte jedoch deutlich teurer sein als der „normale“ Mercedes EQS 580 SUV, der für 135.435 Euro feilgeboten wird. Für den Maybach dürften schätzungsweise deutlich über 200.000 Euro aufgerufen werden. Schließlich glänzt er mit vielen Extras und einer opulenten Ausstattung, die der XXL-Stromer auch protzig zur Schau trägt. Wie eine Zweifarb-Lackierung und aufwändige Lichtinszenierungen, Chromzierrat an allen Ecken und Enden sowie ein Frontgrill in Nadelstreifenoptik.

Noch oppulenter geht es im Innenraum des Allradlers zu. Dort trifft der Käufer nicht nur auf speziell für Maybach animierte Anzeigen und Einfassungen der Instrumente in Roségold, sondern auch auf reichlich Naturholz und feinstes Nappaleder. Sitzbezüge aus recyceltem Plastikmüll? Igitt. Darauf möge sich das gemeine Volk rekeln.

Nachhaltigkeit der luxuriösen Art

Im Maybach-Mercedes EQS 680 SUV (früher hätte man für einen solches Luxusgefährt sicher einen stilvolleren Namen gefunden) fläzen sich die Fahrgäste noch auf den Häuten von Rindern aus artgerechter Haltung, die selbstverständlich vegetabil gegerbt wurden. Als Gerbstoff dienen unter anderem die Schalen von Kaffeebohnen. Zudem werden eine Reihe von (unsichtbaren) Bauteilen und Komponenten teilweise aus ressourcenschonenden Materialien wie Sekundärstahl oder recyceltem Aluminium hergestellt. Auch die oberen Zehntausend wollen schließlich etwas für die Umwelt tun.

Stromern mit Prunk und Protz
Der schönste Platz ist im ersten elektrischen Maybach nicht hinterm Steuer, sondern hinten rechts. Insbesonders dann, wenn der EQS 680 SUV mit dem Chauffeur-Paket geordert wurde. Zwei versilberte Champagnergläser zählen dann zur Ausstattung.

Und Mercedes-Maybach will Luxus mit Nachhaltigkeit verbinden – selbst wenn das Fahrzeug rund drei Tonnen wiegt und überwiegend dem Transport von ein bis drei Personen dienen dürfte. Für Zusatzgewicht gegenüber dem „Core Luxury“-Mercedes EQS SUV sorgen unter anderem die serienmäßige Hinterradlenkung und Luftfederung sowie die serienmäßigen „Executive“-Sitze für die gestressten VIPs in der zweiten Reihe. Diese können sich auf Knopfdruck in eine Liegeposition begeben, um unterwegs ihren Körper und gerne auch ihre Waden massieren zu lassen. Beheizt oder gekühlt werden kann währenddessen die gesamte Sitz- oder Liegefläche. Gerne separat auch nur der Nacken oder die Schulterpartie.

Stromer mit eigener Duftkreation

Auch ansonsten wird es den Passagieren an nichts fehlen. Zur Wohlfühlatmosphäre trägt sicher das Burmester-Soundsystem mit insgesamt 15 Lautsprechern bei. Oder auch das Beduftungssystem namens „Air Balance“, für das eigens ein „verführerischer“ Maybach-Duft aus Sandelholz und exotischen Gewürzen komponiert wurde. Auf Wunsch – also gegen Aufpreis – gibt es zudem zwei Klapptische, ein Kühlfach und versilberte Champangerkelche. Elektrisch betätigte Rollos an den hinteren – ohnehin schon tief getönten – Seitenscheiben sorgen dafür, dass die Insassen unter sich bleiben. Die „Distanz zur Masse“ bleibt auch im 21. Jahrhundert mit einem Maybach gewahrt.

Blöde nur, dass auch ein Maybach recht häufig an die Ladesäule muss, um den (netto) 108,4 kWh großen Akku mit frischem Strom zu versorgen. Mercedes spricht von einem Normverbrauch zwischen 24,4 und (im Stadtverkehr) 22,5 kWh auf 100 Kilometern und hofft auf eine Reichweite von bis zu 600 Kilometern. Die Zertifizierung läuft noch. Im Alltagsverkehr und bei Ausflügen auf die Autobahn dürfte der Stromverbrauch aber wohl eher bei 30 kWh/100 km liegen. Entsprechend wären dann so etwa alle 300 Kilometern Ladepausen fällig. Und die dürften bei einer maximalen Ladeleistung von nur etwas mehr als 200 kW dann locker eine halbe Stunde dauern. Jede Menge Zeit also, um sich draußen mal wieder ein Bild vom Leben der Anderen zu machen.

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