Wer hat’s erfunden? Nein, die Rede ist nicht von Emil Richterich. Der Konditor aus Laufen brachte 1930 das Ricola-Bonbon in aller Munde. Unser Held heiß Franz Knöbel. Er ist der Erfinder der sogenannten Kugelkopfkupplung, mit der so vieles beginnt. Die Fahrt in den Campingurlaub mit einem Caravan am Haken. Oder der Ausflug mit dem Auto ins Grüne, mit zwei oder sogar drei Fahrrädern auf dem Träger. 1934 ließ sich der Juniorchef des Kutschenbauers Westfalia aus Wiedenbrück nahe Gütersloh die leicht wieder lösbare Anhängevorrichtung patentieren. Als Vorbild der Konstruktion, berichtet die Familienchronik, diente ihm die Gelenkpfanne eines Hähnchenknochens.
Anhängerkupplungen von Westfalia – und anderen Herstellern – wurden in den bald hundert Jahren millionenfach an Personenwagen montiert. Und die Technik wurde in der Zeit immer weiter verfeinert. 1966 wurde bei Westfalia die erste Kupplung mit abnehmbarem Kugelkopf ausgeliefert, im Jahr 2002 die weltweit erste elektrisch ausschwenkbare Anhängerkupplung auf den Markt gebracht: Auf Knopfdruck verschwindet der Haken hier im Fahrzeugboden, wenn er gerade nicht benötigt wird.

Der Kofferraum ist groß genug, um darin zwei Fahrräder zu verstauen. Komfortabler ist allerdings der Transport der Zweiräder mithilfe eines sogenannten Kupplungsträgers. Die Anhängerkupplung fährt beim Kia EV9 auf Wunsch per Knopfdruck aus. Fotos: Rother
Ein solches Teil ist auch am Heck des vollelektrischen EV9 montiert, den uns Kia für eine Weile zu Testzwecken überlassen hat. Ja richtig: Auch Elektroautos eignen sich als Zugmaschinen. Als Allradler kann der 2,6 Tonnen schwere E-SUV ordentlich was an den Haken nehmen. Gebremste Wohnwagen oder Pferdeanhänger mit einem Gewicht von bis zu 2,5 Tonnen. Und dank einer hydraulischen Niveauregulierung an der Hinterachse geht er dabei nicht in die Knie, sondern hält auch am Heck konstant den Abstand zur Fahrbahn.
Weshalb der Kia nicht nur eine hohe Anhänge-, sondern auch eine ungewöhnlich hohe Stützlast hat: 125 Kilogramm dürfen auf die elektrische Anhängerkupplung gepackt werden. Zusammen mit der serienmäßigen Gespannstabilisierung macht das Fahrten mit dem Caravan in den Urlaub zu einer ganz entspannten Angelegenheit. Für Schweißperlen auf der Stirn sorgt dabei unterwegs allenfalls die Suche nach Ladestationen, die Platz für solche Doppel-Packs von zwölf Metern Länge haben.
Knapp 56 Kilogramm auf dem Haken
Ganz so lang ist unser Gespann diesmal nicht. Denn statt der Antischlingerkupplung eines Caravans haben wir diesmal nur einen faltbaren Fahrradträger von Uebler auf den Haken gepackt. Zusammen mit zwei E-Bikes von Coboc aus Heidelberg. Der Träger vom Typ i21 (maximale Zuladung 60 Kilogramm) wiegt nur 13 Kilogramm, die beiden Pedelecs vom Typ Light-SUV bringen jeweils 18,9 Kilogramm auf die Waage. Macht in Summe knapp 51 Kilogramm – das passt also locker.

Der Akku des Kia Ev9 fasst knapp 100 Kilowattstunden. Bei Bedarf kann ein Teil davon wieder hervorgeholt und mittels eines Adapters zum Aufladen der E-Bike-Akkus genutzt werden. Oder zum Betrieb einer Kaffeemaschine nach der Fahrradtour. Ganz nach Belieben.
Die E-Bikes und das Elektroauto passen auch deshalb perfekt zusammen, weil die Stromversorgung kein Problem ist: Der Kia EV9 nimmt unterwegs Strom an Highpower-Chargern blitzschnell mit bis zu 210 kW auf. Der 99,8 kWh große Akku ist deshalb spätestens nach 24 Minuten wieder zu 80 Prozent gefüllt, wenn nach etwa 400 Kilometern Fahrstrecke mal eine Ladepause notwendig werden sollte.
E-Auto mit Ladepunkt für E-Bikes
Und der Akku des Autos kann auch dazu genutzt werden, um den 400 Wattstunden fassenden Stromspeicher der E-Bikes wieder zu befüllen. Dazu wird einfach der pistolenförmige V2L („Vehicle-to-Load“)-Adapter einfach in den Ladeport des Autos gesteckt und mit dem Ladegerät des Fahrrads verbunden – schon fließt der Strom mit 3,6 kW. Die Suche nach einer Steckdose auf dem Hotelparkplatz am Reiseziel entfällt dadurch. Und die Bikes müssen dazu nicht einmal vom Träger genommen werden. Allerdings geht das nur im Stand.

Das Radwege-Netz in den Maasplassen nahe Roermond sind bestens ausgebaut und gut ausgeschildert – ein wahres Radler-Paradies.
Und das nicht nur in der Theorie. Wir haben mit unserem Sechsmeter-Gespann die Probe aufs Exempel gemacht und sind mit dem Kia EV9 zu einem Kurztripp ins nächste „Fahrradparadies“ gefahren. Vom Rheinland aus liegt das gar nicht so fern: Bis zu den Maasplassen zwischen Roermond und Thorn sind es nur gut 200 Kilometer über Autobahn und Landstraße. Das ist locker in zwei Stunden zu schaffen. Und mit dem Kia EV9 hin und zurück auch ohne Ladestopp.
Fahrradträger von Uebler ist schnell montiert
Denn auf deutschen Autobahnen sind mit dem Fahrradträger auf der Anhängerkupplung bekanntermaßen nicht mehr als 130 km/h erlaubt, in den Niederlanden beträgt das Tempolimit untertags sogar nur 100 km/h. Das sorgt für ein entspanntes Dahingleiten bei einem niedrigen Durchschnittsverbrauch von knapp 25 kWh/100 km. Da die Bikes bei einem auf dem Kupplungs-Träger gewissermaßen im Windschatten des zwei Meter breiten SUVs reisen, haben sie so gut wie keine Auswirkungen auf die Aerodynamik des Fahrzeug und dessen Energiekonsum. Nur das Sichtfeld der Rückfahrkamera schränken sie ein – beim Rangieren ist der Blick in die Rückspiegel dringend geboten.

Der nur 13 Kilogramm schwere Fahrradträger von Uebler ist schnell auf der Anhängerkupplung montiert. Um auch danach noch an den großen Kofferraum des Kia EV9 zu kommen, lässt er sich per Tritt auf die Fußtaste samt Rädern um bis zu 60 Grad wegklappen.
Ansonsten erfüllt der Fahrradträger von Uebler seine Aufgabe sehr gut. Er ist nicht nur schnell und sicher auf der Anhängerkupplung montiert. Die relativ schweren E-Bikes bleiben dank breiter Radschienen und kräftiger Abstandshalter mit Zahnband auch auf holprigen Straßen stabil in Position – da wackelt unterwegs kaum etwas. Und am Ziel angekommen, sind die Räder schnell gelöst und fahrbereit. Bei den früheren Dachgepäckträgern kam es hier schon zu ersten Schweißausbrüchen bei den Monteuren. Und bei Fahrzeugen mit einer Dachhöhe von 1,80 Metern wie beim EV9 wäre zudem die Mitnahme einer Klappleiter nötig.
e-SUV von Coboc für entspanntes Radel
Entsprechend entspannt können wir so vom Wanderparkplatz am Rande der weißen Stadt Thorn aus unsere rund 50 Kilometer lange Fahrradtour entlang der Maas in Angriff nehmen. Der Bosch-Antrieb der neuen Performance-SX-Line sorgt mit 600 Watt und 55 Newtonmeter Drehmoment für eine angenehme Trittunterstützung, so dass die schicken Coboc-Bikes rasch Fahrt aufnehmen. Die Smartphones, die über eine Halterung am Vorbau des Fahrrades fixiert werden und über die „Flow“-App von Bosch mit dem Antrieb verbunden sind, liefern uns nicht nur Informationen über Fahrgeschwindigkeit, Trittzahl und Reichweite, sondern auch eine detaillierte Karte der Umgebung, so dass wir nicht verirren können. Zumal die Radwege-Routen im Nachbarland nicht nur besser ausgebaut, sondern auch deutlich besser ausgeschildert sind als hierzulande.

„Skye Step“ heißt das neue Abenteurer-Bike von Coboc. Das stylishe Light-SUV (Basisgewicht: 18,9 Kilogramm) mit elektrischer Trittunterstützung von Bosch ist nach einer schottischen Insel benannt, aber nichts für Geizhälse.
Und so rollen wir trotz einer frischen Brise ganz geschwind durch die Maas-Landschaft und Niederländisch-Limburg, vorbei an Jachthäfen, Ferienhäusern und Windmühlen, über prächtig ausgebaute Fahrradwege und in aufrechter Position auf E-Bikes aus Heidelberg, die kaum Wünsche offen lassen. Die elektrische Trittunterstützung summt kaum vernehmbar, die gelegentlichen Gangwechsel passieren ohne großes Rasseln. Und Reichweitenangst brauchen wir dank eines sehr geringen Stromverbrauchs nicht zu haben: So macht E-Mobilität Lust auf mehr.
Komplettpaket für rund 98.000 Euro
Der Kia nuckelt derweil Wechselstrom an einer Ladesäule auf dem Wanderparkplatz. Wie wir später feststellen, allerdings nur kurzzeitig: Auch das Ladeinfrastruktur in den Niederlanden bekommt nicht immer und überall die Pflege, die es braucht. Aber egal: Als wir von unserer Tour zurückkehren, ist der Akku (immer noch) einen Ladestand von über 50 Prozent auf. Damit schaffen wir die Heimreise locker.
Der Spaß hat natürlich seinen Preis – fast hätten wir das während unserer Reise vergessen. Wer den Kia EV9 in der Allradversion und der topausgestatteten GT-Line-Ausführung als Reisewagen nutzen möchte, sollte wenigstens 84.570 Euro auf der hohen Kante haben. Mit elektrisch schwenkbarer Anhängerkupplung kämen noch mal 2184 Euro hinzu. Günstiger wäre ein Dachgepäckträger dazu für 184 Euro – aber davon raten wir wegen der Fahrzeughöhe dringend ab. Dann schon lieber den Kupplungsträger i21 von Übler für 801 Euro. Und natürlich gibt es auch die stylishen e-Bikes nicht umsonst. Coboc ruft für das nach der schottischen Insel Skye benannte Light e-SUV 5299 Euro auf – pro Exemplar, wohlgemerkt. Kurzum: Der Spaß mit den e-SUVs im Doppelpack ist groß. Man muss man sich ihn aber leisten können.