Sie sahen aus, als kämen sie aus einer fernen Zukunft: Die fünf Konzeptautos Hyper Force, Hyper Adventure, Hyper Tourer, Hyper Urban und Hyper Punk, die Nissan kürzlich auf der Tokio Motor Show präsentierte. Alle mit Elektroantrieb, aber jedes zugeschnitten auf andere Bedürfnisse. Der futuristische SUV adressiert umweltbewusste Outdoor-Fans, der rassige Zweisitzer im Stil des Nissan GT-R Nismo soll Motorsportfans und Famer ansprechen, der extravagante Tourer mit seinen riesigen Schiebetüren Geschäftsreisende und klimabewegte Familienväter.
Ob, wann und wie die Konzeptautos einen Weg in die Serienfertigung finden, ist derzeit noch völlig offen. Aber wie Leon Dorssers, der für die Geschäfte in Afrika, Europa, Afrika, Ozeanien, Indien und im Mittleren Osten (und damit für 140 Märkte oder 25 Prozent des Gesamtabsatzvolumens) verantwortliche Nissan-Manager bei einem Deutschlandbesuch in einem Pressegespräch versicherte, ist der Autokonzern festentschlossen, bis 2030 die komplette Modellpalette zu elektrifizieren. Und Europa komme dabei eine Schlüsselrolle zu: „Wir meinen es ernst.“
Aktuell bietet Nissan mit dem Leaf, dem Ariya sowie dem Kleinlieferwagen Townstar drei vollelektrische Fahrzeuge an. Hinzu kommen mit dem Qashqai und dem X-Trail e-Power zwei Fahrzeuge mit einem seriellen Hybridantrieb – die beiden SUVs kommen ohne Ladestecker aus, laden den Akku unterwegs mithilfe eines Benziners, der als Generator arbeitet.
Zwei neue Stromer für Europa
Bis 2030 will Nissan weltweit 19 vollelektrische Fahrzeuge im Lieferprogramm haben, dazu 12 „elektrifizierte“ Autos mit Hybridantrieb. Für Europa, bestätigte Dorssers, sind zwei neue Batterieautos vorgesehen. Ein vollelektrischer Kleinwagen als Nachfolger des (benzingetriebenen) Micra, der bei Renault in Frankreich gebaut wird. Und ein vollelektrischer Crossover-SUV als Nachfolger für den Nissan Leaf, der seit 2010 und in mittlerweile zweiter Generation im britischen Sunderland produziert wird. Wie lange noch, ließ Dorssers offen. Laut britischen Medien soll der Kompakt-SUV auf der Basis der neuen CMF-EV-Plattform der Renault-Nissan-Allianz 2026 in Sunderland anlaufen.
Elektrischer Micra kommt wohl erst 2025
Zu technischen Details der Fahrzeuge, aber auch zum Micra-Nachfolger („ein sehr wichtiges Modell“) mochte sich der Niederländer, der in verschiedenen Funktionen seit vielen Jahren für den japanischen Autokonzern tätig ist, allerdings nicht äußern. Allerdings ist es ein offenes Geheimnis, dass der Micra-Nachfolger die Plattform des neuen Renault 5 E-Tech Electric nutzt und im französischen Douai montiert werden wird. Die Franzosen bringen den Nachfolger der Renault Zoe Ende nächsten Jahres auf den Markt – der Nissan dürfte kurz darauf, also im Frühjahr 2025 folgen. Optisch dürfte sich der kleine Stromer am Konzeptauto Nissan 20-30 orientieren, das kürzlich in Großbritannien zum 20-jährigen Bestehen des Designstudios in London präsentiert wurde.
Auch preislich dürfte sich das neue elektrische Einstiegsmodelle von Nissan am Renault 5 E-Tech Electric orientieren: Die Franzosen haben für die Einstiegsversion mit 40 kWh-Akku einen Betrag von rund 25.000 Euro in den Raum gestellt.
Preisparität ab 2028 dank Festststoffakku
Weitere deutliche Preissenkungen bei Elektroautos brauchen noch Zeit, sagte Dorssers. Große Hoffnungen setzt er dabei unter anderem auf die neuen Stromspeicher, an denen Nissan arbeitet. Im ersten Schritt werde ein komplett kobaltfreier Akku kommen, ab 2028 dann eine Feststoffbatterie, die nicht nur preisgünstiger, sondern auch feuerfest und schneller beladbar sein werden. Dorssers: „Das wird ein ganz wichtiger Entwicklungsschritt sein“. Auch auf dem Weg zur Kostenparität zwischen Elektroautos und Benzinern. Aufgrund der hohen Kosten der Stromspeicher seien Elektroautos aktuell noch deutlich teurer – und entsprechend auf Subventionen angewiesen. Durch die Politik – und/oder durch den Fahrzeughersteller.
So hat sich laut Deutschlandchef Vincent Ricoux der Absatz des Nissan Ariya spürbar belebt, seitdem der Elektro-SUV in Reaktion auf die Preissenkungen beim Tesla Model Y „neu positioniert“ wurde: Das Einstiegsmodell kostet nun 43.490 Euro statt zuvor 47.490 Euro. Die Versionen mit dem großen, 87 kWh fassenden Akku verbilligten sich sogar um bis zu 7000 Euro. Lediglich 53.490 Euro müssen seitdem für einen frontgetriebenen Ariya mit Advance Pack hingelegt werden. Ricoux: „Wir haben darauf ein sehr gutes Feedback aus der Kundschaft bekommen.“ Was nicht weiter verwunderlich nicht.
Viel verspricht sich Ricoux auch von den e-Power-Versionen des Qashqai und X-Trail, die ebenfalls recht günstig angeboten werden: Der Aufpreis für den technisch recht anspruchsvollen Hybridantrieb beträgt hierzulande lediglich 700 Euro gegenüber der mildhybriden Version auf gleichem Ausstattungsniveau. Kein Wunder, dass mittlerweile 50 Prozent der Käufer bei den beiden SUVs inzwischen zur Vollhybrid-Version greifen.