Der Polarstern ist mehr als man auf den ersten Blick sieht. Denn der einsame Lichtpunkt am nördlichen Nachthimmel, der Seefahrern seit bald 3000 Jahren durch seine Nähe zum nördlichen Himmelspol zur Bestimmung des Kurses dient, ist in Wirklichkeit ein Dreifach-Sternsystem im Sternbild Ursa Minor – auch bekannt als Kleiner Bär oder Kleiner Wagen. Was man mit bloßem Auge sieht, ist Polaris, ein gelber Überriese, der wahrscheinlich 46mal so groß ist wie unsere eigene Sonne und 2500 mal heller leuchtet. Die Strahlkraft ist so gewaltig, dass man erst 2006 mit Hilfe des Weltraumteleskops Hubble zwei Zwergsterne in seiner Umgebung entdeckte. Möglicherweise sind es sogar noch mehr: Das Polaris-System gibt es noch einige Rätsel auf. Beispielsweise steht noch nicht fest, wie weit es sich von der Erde befindet. Einige Astronomen schätzen die Entfernung auf 434 Lichtjahre oder 133 Parsec. Andere gehen von 520 Lichtjahre oder 160 Parsec aus. Zur Orientierung: 1 Parsec sind etwa 301 Billionen Kilometer.
Statt Warp- gibt es nur einen Hybridantrieb
Der Polestar 1 hat eine Reichweite von rund 800 Kilometern. Bis zu 120 Kilometer davon kann er elektrisch zurücklegen. Um eine Strecke zurücklegen zu könne, die bis zu seinem Heimatstern reicht, müsste er unzählige Male Tankstelle ansteuern und Jahre an Ladestationen verbringen – wie oft, rechnen Sie bitte selbst aus.
Und er hat noch ein paar andere Handicaps: Er kann nicht fliegen. Und sein Hybridantrieb beschleunigt das Fahrzeug maximal auf 250 km/h. Bis zur Erfindung des Warp-Antriebs ist er als Sternenjäger also denkbar ungeeignet.
Immerhin reichen die Energievorräte locker für einen Ausflug von Köln, dem deutschen Stützpunkt der Polestar-Flotte, bis ins Eifelstädtchen Effelsberg, wo die Max-Planck-Gesellschaft für Radioastronomie seit bald 50 Jahren mit Hilfe einer der größten beweglichen Antennen der Welt den Kosmos belauscht und die Rätsel rund um die Entstehung des Weltalls zu lösen versucht.
Der Lithium-Ionen-Akku des Polstar mit einer Speicherkapazität von 34 Kilowattstunden (kWh) ist geladen, der 60-Liter-Tank randvoll mit Superbenzin. Die Straßen sind frei, der Himmel klar – Nummer Eins, übernehmen Sie!
Auf Schleichfahrt geht es raus aus der Stadt. Vollelektrisch, so wie es sich gehört, so kurz vor dem „Earth Day“, an dem seit mittlerweile 50 Jahren auf die Gefährdung der Welt durch Umweltverschmutzungen aller Art aufmerksam gemacht wird – und von Politik und Wirtschaft Lösungen einfordert. Auch Polestar, die Tochtermarke der Volvo Car Corporation, will ihren Beitrag dazu leisten. Mit emissionenfreien und ressourchenschonenden Elektroautos, mit innovativen Technologien und einer neuen Luxus-Ästhetik, die mit ökologisch einwandfreien Materialien für ein gutes Gewissen sorgen soll.
609 PS und 1000 Newtonmeter Drehmoment
Der Polestar 1 ist laut Markenchef Thomas Ingenlath „die Blaupause für die gesamte Produktlinie“, eine Art Botschafter einer neuen Mobilitätswelt. Die Basis dafür war schnell gefunden: Das Volvo Concept Coupe von 2013, mit dem der damalige Volvo-Chefdesigner Ingenlath aufzeigen wollte, wie sich das Modellangebot der schwedischen Kultmarke weiterentwickeln ließe.
Ein Hybridantrieb, der an der Steckdose aufladen lässt, war damals schon angedacht. Nur mit deutlich weniger Power: Die Studie kombinierte noch einen turboaufgeladenen Vierzylinder-Benziner mit einem Elektromotor an der Hinterachse zu einem Kraftpaket mit einer Leistung von rund 294 kW (400 PS) und einem Drehmoment von über 600 Newtonmeter.
In der Serienausführung arbeiten gleich zwei Elektromotoren an der Hinterachse mit einem 227 kW starken Verbrenner über der Vorderachse zusammen. Die Systemleistung stieg darüber auf 448 kW oder 609 PS.
Vom Warp-Antrieb noch weit entfernt
Vom Warpantrieb für Reisen zu den Sternen ist man damit zwar noch leistungsmäßig noch Lichtjahre entfernt. Aber die G-Kräfte, die bei einem Alarmstart oder bei einem Sprint auf der Autobahn auf die Körper der Insassen wirken, sind trotzdem schon atemberaubend: Ein maximales Drehmoment von 1000 Newtonmeter (Nm) kommt den Werten eines Tesla Model S in Performance-Ausführung (1140 Nm) und eines Porsche Taycan Turbo S (1050 Nm) schon sehr nah. Allerdings ist diese Kraftentfaltung beim Polestar noch mit jede Menge „Krach“ verbunden: Beim vehementen Tritt aufs Fahrpedal geht die Verbrennungskraftmaschine unter der Motorhaube sofort in den Kampfmodus über.
Das mag dem einen oder anderen Zeitgenossen die Umgewöhnung auf die neue Ära lautloser Fortbewegung erleichtern. Doch die Lärmentfaltung wirkt auf fortschrittlichere Menschen aber eher als Ausdruck eines „halbstarken“ Charakters – von Fahrer wie Auto. Nach zwei, drei Versuchen auf freier Landstraße lassen wir von den ebenso infantilen wie kräftezehrenden Manövern ab und gewöhnen uns auf der Fahrt durch die Eifeldörfer eine umweltverträglichere Fahrweise an.
4 Liter Benzin und ein paar Kilowattstunden
Das schlägt auch schnell in der Verbrauchsanzeige nieder. Hatte der Bordcomputer eben noch einen Verbrauch von 17,44 Litern Benzin und 27,5 kWh Strom für eine Strecke von 100 Kilometern hochgerechnet, sind es eine halbe Stunde später nur noch fünf Liter Sprit und 12 kWh Strom. Um es vorweg zu nehmen: Am Ende der Testwoche hat der Polestar auf insgesamt 418 Kilometer Strecke insgesamt 17,44 Liter Super verbrannt, was einem Verbrauch von 4,17 Litern auf 100 Kilometer entspricht. Hinzu kamen noch 45 Kilowattstunden Strom aus der Wallbox daheim. In Anbetracht der Fahrleistungen und des hohen Fahrzeuggewichts von 2350 Kilo sind das durchaus respektable Werte. Für einen Öko-Preis reicht es freilich nicht.
Aber als Öko-Mobil ist der Polestar 1 auch nicht gedacht. Konzipiert ist er als progressives Performance-Auto. Seine Mission: Der Wagen soll Aufmerksamkeit für die neue Marke gewinnen und eine „jüngere, technologieverliebte Zielgruppe“ erreichen. Dafür bietet er eine Menge auf. Ein Design, das Menschen am Wegesrand dazu verleitet, stehen zu bleiben. Und jede Menge Hinweise auf technische Features der besonderen Art. Aufkleber an den Flanken künden von einem „High Modulus CRFP Body“ und einem optimierten Carbon Fibre Layout“ der Karosserie, die größtenteils aus kohlefaserverstärktem Kunststoff besteht. 250 Kilo Gewicht konnten auf diese Weise eingespart werden. Zudem konnte so Linien realisiert werden, die ein Betrachter mit „rattenscharf“ charakterisierte.
Rücksitze nur für Kleingewachsene
Ja, der Polestar 1 ist ein Hingucker, obwohl er seinen Verwandten von Volvo wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Auch im Innenraum des Polstar 1 wird sich jeder Volvo-Fahrer sofort daheim fühlen. Alleinstellungsmerkmal ist hier eigentlich nur der aus einem Kristall gefräste Schalthebelknauf. Hübsch anzusehen, wenn nicht gerade mit Fingerabdrücken übersät.
Sportcoupes sind prinzipiell hübsche Autos. Praktisch sind sie hingegen selten, erst recht, wenn ein Teil des Kofferraums von der Batterietechnik belegt ist. Der Polestar 1 bietet zwar insgesamt vier Sitzplätze, aber die hinteren möchte man eigentlich keinem anbieten. Erstens, weil die Knie- und Kopffreiheit dort arg eingeschränkt ist. Und zweitens, weil der Einstieg nach hinten arg beschwerlich ist: Gestoppte 20 Sekunden braucht es, um die elektrisch angetriebene Rücksitzlehne nach vorne zu fahren. Zudem will zunächst die Schlaufe, durch die der Sicherheitsgurt des Vordersitzes geführt ist, gelöst werden – und dann muss man noch über den Gurt selbst hinüberklettern. Damit man dabei nicht ins Stolpern gerät, haben die Schweden den Sicherheitsgurt in maisgelber Warnfarbe ausgeführt. Und echte Kopfstützen darf man hinten auch nicht erwarten. Dafür eine Lautsprecherabdeckung aus feinstem Edelstahl, die sich bis knapp hinter die Ohren zieht. Zum Genuss für Aug‘ und Ohr.
Der zweite Polestar ist bereits gesichtet
Kein Zweifel: Der erste Polestar ist ein luxuriöses Schaustück und eine kraftstrotzende Fahrmaschine – eher Sternenjäger denn Sternenschiff. Aber wie wir in Effelsberg gelernt haben, ist der Polarstern kein einsamer Lichtpunkt, sondern ein Sternensystem, das den Astronomen hilft, Positionen zu bestimmen und Entfernungen abzuschätzen. Zur nächsten Galaxie, zum nächsten Meilenstein auf dem Weg in die Zukunft.
Der zweite Polestar ist bereits gesichtet, die Landung ist noch für diesen Sommer geplant. Das zweite Glanzstück der Marke wird weniger glamourös, dafür preiswerter und geräumiger sein – es kommt dem Sternenschiff schon näher. Nummer drei, ein Sternenkreuzer mit der Gestalt eines irdischen SUV ist für das kommende Jahr angekündigt. Und am Horizont tauchte auch schon ein viertes Modell auf. Aber wie gesagt: Das System ist noch nicht komplett vermessen.
Die Erde muss sich noch ein wenig gedulden und sollte sich bis dahin am Polestar 1 erfreuen – wann immer es einen sichtet. Denn im Unterschied zum Polarstern, der permanent am Himmel steht, ist die Chance sehr gering, einen Polestar 1 zu sichten. Gebaut werden in den kommenden drei Jahren maximal 1500 Exemplare. Und nur eine Handvoll davon werden nach Deutschland kommen – zum Preis von 155.000 Euro.
Das Fernglas sollte man vielleicht schon einmal hervorholen, nicht nur in Effelsberg. Und auch gleich eine Kamera, um die Sichtung zu dokumentieren.