Wer hätte das gedacht: Cayenne und Macan sind inzwischen die meistverkauften Modelle im Lieferprogramm von Porsche. Von beiden SUVs wurden im vergangenen Jahr jeweils über 87.000 Einheiten verkauft. Den zweisitzigen Neunelfer oderten hingegen nur etwas mehr als 50.000 Menschen aus aller Welt.
Sport Utility Vehicles sind inzwischen eine wichtige Ertragssäule für den Sportwagenhersteller aus Zuffenhausen. Da gilt es vorsichtig zu sein mit Revolutionen, sowohl was die Designsprache wie für die Antriebstechnologie anbetrifft. Ein Fehltritt auf dem einen wie auf dem anderen Bein könnte von den Kunden der Marke böse abgestraft werden und häßliche Spuren in der Bilanz des börsennotierten Unternehmens hinterlassen. In einschlägigen Internet-Foren hat die Nachricht, dass der Macan künftig nur noch mit Elektroantrieb angeboten wird, unter den Fans des Modells schon vor drei Jahren für einige Unruhe gesorgt.
Das war allerdings nicht der Grund, warum sich die Markteinführung des Elektro-Macan um rund zwei Jahre verzögert hat: Schuld hatten vielmehr die Entwickler bei der Volkswagen-Software-Tochter Cariad, die große Mühen hatten, das für den Macan und den Audi Q6 e-tron vorgesehene Betriebssystem E3 1.2 zum Laufen zu bringen. Nach einer Analyse der Unternehmensberatung McKinsey soll dies die Zuffenhausener schätzungsweise rund drei Milliarden Euro gekostet haben.
Anfang Juli beim Porsche-Händler
Aber nun ist der neue Macan fahrbereit: Nach der Weltpremiere auf der „Auto China“-Messe in Peking am 23. April wird der SUV Anfang Juli bei den deutschen Porsche-Händlern stehen – zu Preisen ab 84.100 Euro für den allradgetriebenen Macan 4 Electric und für 114.600 Euro für das vorläufige Topmodell Macan Turbo Electric. Wir hatten bereits Gelegenheit, die beiden Modelle in Südfrankreich zu fahren – und können alle Skeptiker beruhigen: Der Spaß, einen Macan zu fahren, wird durch den Elektroantrieb zwar deutlich teurer, aber nicht geringer. Vor allem: Trotz der Antriebswende bleibt es ein echter Porsche.
Letzeres war Jörg Kerner ganz wichtig, dem Leiter der Baureihe, wie im Gespräch mit EDISON deutlich wird. Seit 2021 ist er für den Macan verantwortlich, als langjähriger Motorenentwickler weiß er genau, worauf es den rund 850.000 Porsche-Kunden in aller Welt, die sich bislang für das Modell entschieden haben, ankommt: Bei aller Praktikabilität und Alltagstauglichkeit eine beeindruckende Längs- und Querdynamik sowie ein hocheffizienter Antrieb.
Hochdynamisch mit hoher Effizienz
All das, so unser erster Eindruck, ist Kerner und seinem Team bestens gelungen: Mit einer Systemleistung von 285 kW oder 387 PS – mit der Launch Control im Sport-Modus stehen kurzzeitig sogar 300 kW zur Verfügung – braucht sich schon der Macan 4 Electric nicht hinter dem benzingetriebenen Macan GTS (324 kW) zu verstecken. Zumal der Stromer dank eines maximalen Drehmoments von 650 Newtonmeter gefühlt wesentlich vehementer beschleunigt als sein Verbrenner-Bruder (550 Nm). Der Macan Turbo Electric fährt dem GTS mit einer Systemleistung von bis zu 470 kW (639 PS) und einem maximalen Drehmoment von bis zu 1130 Newtonmeter geradezu um die Ohren – bis Tempo 100 nimmt er dem Brudermodell eine Sekunde ab. So viel zum Thema Elektroautos sind unsportlich. Dass der Vorwärtsdrang des Macan 4 Electric schon bei 220 km/h, der des Turbo Electric bei 260 km/h gebremst wird – geschenkt. Höhere Geschwindigkeiten sind selbst auf deutschen Autobahnen unverantwortlich.
Dafür ziehen die beiden Elektriker in punkto Reichweite und Wirtschaftlichkeit mit den Verbrennern gleich. 75 Liter Superplus fasst der Tank des Macan GTS. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch des V6-Biturbo im Alltagsbetrieb von bis zu 14 Litern muss spätestens nach 535 Kilometern eine Tankstelle aufgesucht werden. Mit der Füllung seines brutto 100 kWh, netto rund 95 kWh fassenden Lithium-Ionen-Akkus kommt der Macan 4 Electric sogar bis zu 613 Kilometer weit, der Turbo immerhin bis zu 591 Kilometer, verspricht Porsche.
Tatsächlich zeigten sich beide Modelle auf unseren Testfahrten mit Durchschnittsverbräuchen zwischen 21 und 22,5 kWh/100 km erfreulich sparsam – von den WLTP-Normverbräuchen (von 21,1 bzw. 20,7 kWh/100 km) waren wir da nicht mehr weit entfernt. Bei Preisen von 33 Cent/kWh mit dem Porsche-Ladedienst landet der Maca-Fahrer da Beträgen um die sieben Euro für die 100-Kilometer-Strecke – mit Superplus zum Literpreis von rund zwei Euro wären es viermal so viel.
Hinterradlenkung sorgt für hohe Agilität
Baureihen-Leiter Kerner nahm unseren Testverbrauch mit einem Schmunzeln zur Kenntnis – und einem kleinen Vortrag über die hocheffizienten und permanenterregten Synchronmotoren, die bei Bosch nach den Spezifikationen von Porsche gefertigt wurden. Der geringe Energieverbrauch ist allerdings auch das Ergebnis einer hohen Rekuperationsleistung von bis zu 240 kW, die auf unseren Berg- und Talfahrten rund um Tourrettes-sur-Loup voll zur Geltung kam. Bis zu 98 Prozent der Bremsenergie können auf diese Weise zurückgewonnen werden. Sofern der Macan nicht gerade „segelt“ – mit abgeschaltetem Antrieb flüsterleise durch die Landschaft segelt.
Das 800-Volt-Bordnetz des Macan erlaubt es, Gleichstrom über die Ladeklappe hinten links in kürzester Zeit aufzunehmen. Die Ladeklappe reagiert schon auf Handzeichen und schiebt sich unter die Außenhaut der Karosse.
Schätzen gelernt haben wir auf den kurvenreichen Landstraßen der Provence zudem die Hinterradlenkung, die Porsche für den um sechs Zentimeter auf eine Länge von 4,78 Meter angewachsenen Macan markenexklusiv anbietet – für den auf der gleichen PPE-Plattform basierenden Audi Q6 e-tron wird sie nicht verfügbar sein. Wie Kerner ausführt, wurde dafür der gesamte Hinterwagen umkonstruiert. Doch der Aufwand hat sich gelohnt: Mit einem Wendekreis von 11,1 Metern ist der Macan absolut Stadt-tauglich. Und durch Spitzkehren flutscht der SUV dank bis zu fünf Grad Einschlagwinkel an der Hinterachse wie wie ein Stück Seife. Das Extra für 1856 Euro sollte man sich unbedingt gönnen, den Electric Sport Sound (452 Euro) hingegen kann man sich sparen – die Dynamik des Macan Electric braucht keine synthetische Untermalung.
Laden mit bis zu 270 kW
Apropos Dynamik: Die erlebt der Käufer des Macan Electric auch im Stand – an der Ladesäule. Dank der 800-Volt-Architektur wie beim großen Bruder Taycan zieht der SUV Gleichstrom mit bis zu 270 kW. Und das nicht nur kurzzeitig. Die hohe Ladegeschwindigkeit liegt noch bei einem Ladestand (State of Charge, SoC) von 40 Prozent an, selbst bei einem SoC von 55 Prozent fließt der Strom noch mit über 200 kW über die linke hintere Ladeklappe in die von CATL zugelieferten Akkuzellen im Fahrzeugboden. Vorausgesetzt natürlich, die Ladesäule ist dazu fähig. An Ladesäulen mit 400 Volt Spannung und geringeren Ladeleistungen schaltet das Energiemanagement automatisch um und teilt den Akku praktisch in zwei Blöcke, in die der Strom mit jeweils 135 kW parallel fließt. Maximal 33 Minuten sollen dann vergehen, bis der auf 10 Prozent abgesunkene Ladestand wieder auf 80 Prozent geklettert ist. Auch das ist eine Form von Effizienz.
Optisch und qualitativ gab es an unseren Testwagen nichts zu bemängeln. Auch die Software arbeitete einwandfrei. Etwas gewöhnungsbedürftig war lediglich der Mechanismus zum Öffnen der Ladeklappen: Statt auf Knopfdruck reagieren die beiden Schiebetürchen am Heck nun über einen Bewegungssensor auf Handbewegungen – das will gelernt sein. So bleibt als einziges Manko des elektrischen Macan nur der hohe Einstiegspreis – das aktuelle Basismodell mit Benziner gibt es (noch für eine Weile) bereits für knapp 70.000 Euro. Wer nicht so viel ausgeben will: Eine heckgetriebene Variante des Macan Electric wird im kommenden Jahr nachgeschoben.