Der Einstieg ist eigentlich nicht Porsche-like: Je nach Parkposition steigt man über die vorne, seitlich oder hinten platzierten Polster. Es wackelt und schaukelt, als wäre eine Luftfederung defekt. Und wenn man dann am Lenkrad kurbelt, kämpft man mit einer Übersetzung schlimmer als bei einem Gelenkbus. All das wird aber schnell verziehen. Denn dieser Porsche ist kein Auto, sondern ein Sportboot. Genauer: ein vollelektrischer Daycruiser für Binnengewässer und die küstennahe offene See. Sein 400 kW starker Elektroantrieb kommt 2024 auf die Straße und steckt dann – allerdings etwas stärker ausgelegt – im neuen vollelektrischen Macan, der auf der Premium Platform Electric (PPE) steht.
Kooperation mit Frauscher-Werft
Weil die Stuttgarter keine Erfahrung im Kleinstserienbootsbau haben (auch wenn der Vierzylinder aus dem Porsche 356 – Typ 729 – einst auch als Bootsmotor genutzt wurde), holten sie sich Verstärkung aus Österreich: Die Firma Frauscher, existent seit 1927 und bekannt, seitdem der Großvater für Olympia 1936 die Segelboote baute, beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit Elektroantrieben. Bereits 1955 entstanden 3000 Mietboote mit E-Antrieb. Zurzeit fertigt der Familienbetrieb etwa 85 bis 90 Boote pro Jahr von sechs bis 14 Meter Länge in einer Preisspanne von 100.000 bis 1,5 Millionen Euro.

Wie der Porsche Taycan verfügt auch die Frauscher Fantom Air 858 über einen 100 kWh großen Akku. Fotos: Porsche
Basis des Porsche-Bootes ist die Frauscher Fantom Air 858. Das Sportboot, seit 2017 auf dem Markt, kommt üblicherweise mit einem 430 PS starken V8-Benziner und kostet netto 350.000 Euro. Für den Elektroumbau erhielt besonders der GfK-Bootsrumpf innen volle Aufmerksamkeit. Der Grund ist die die ebenfalls vom Macan übernommene, schwere Lithium-Ionen-Batterie mit einer Bruttokapazität von 100 Kilowattstunden, die im Rumpf untergebracht werden musste.
Batterie braucht viel Platz
Dazu Michael Frauscher, einer der Geschäftsführer des Familienbetriebes: „Wir mussten den Rumpf des Bootes komplett umbauen, um die Batterie einzupassen. Die Batterie sitzt jetzt dort, wo sich normalerweise der Kraftstofftank befindet, aber sie braucht mehr Platz im Mittelteil des Bootes. Unser Team musste zwei Herausforderungen meistern: Erstens war es wichtig, ein Boot zu bauen, das innerhalb des Zielgewichts der Benzinmotorvariante bleibt. Außerdem wollten wir den Bootskomfort nicht beeinträchtigen. Einfach ausgedrückt war es ein Verpackungsproblem: Wie konnte Frauscher die Eigenschaften der ICE-Variante erreichen und gleichzeitig die Gewichtsziele einhalten?“

Für die Gestaltulng des Steuerstandes war das Studio F. A. Porsche verantwortlich. Das Lenkrad ist ebenso Porsche wie das Cockpit: Fünf Rundinstrumente sollen an die guten alten Zeiten des Elfer erinnern.
Weiteres Problem: Im Gegensatz zum Auto muss der E-Antrieb samt Akku wesentlich besser gegen Stöße geschützt werden, hohe Temperaturunterschiede, Luftfeuchtigkeit und Salzwasser aushalten. Frauscher: „Der Hauptunterschied zum Auto ist jedoch, dass ein Elektroboot über einen längeren Zeitraum mit einer viel höheren Leistung fährt. Das liegt daran, dass der Wasserwiderstand viel höher ist, als wenn Sie auf Reifen über die Straße rollen. Daher ist die Kühlung des Antriebsstrangs und der Batterie auch ein größeres Problem als bei Autos.“
Theoretisch bis zu 85 km/h schnell
Davon bekommt der schipperwillige Freizeitkäpt’n nicht viel mit. Wie beim Automobil steht die volle Leistung sofort an – wird aber zunächst nicht benötigt, da man aus jedem Hafen dieser Welt im Schleichtempo tuckern muss. Dabei hilft der Fahrmodus „Dock“, der das Tempo auf 15 km/h beschränkt. Es folgen „Range“, „Sport“ und „Sport+“, die sich ebenfalls nur auf das jeweilige Top-Tempo auswirken. In Sport+ wird die volle Leistung abgerufen, was bei ruhigem Wasser eine Fahrt von 85 km/h möglich machen soll. Bei uns ist aufgrund starken Wellengangs auf dem Gardasee bei 73 km/h Schluss, aber auch das erfordert schon deutlich Konzentration im Steuerstand. Das Tempo funktioniert allerdings nur kurzzeitig, weil die wassergekühlte Batterie bei Volllast sehr heiß wird. Um vor Überhitzung zu schützen, regelt die Elektronik selbstständig wieder herunter.

Unser Autor bei der Testfahrt mit der 850 Fantom Air auf dem Gardasee.
Etwa 22 Knoten (41 km/h) gilt als „Bestfahrt“, dann sind 45 Kilometer Reichweite oder eine Stunde Fahrt möglich. Bei langsamer, sogenannter Verdrängungsfahrt sind Reichweiten von über 100 Kilometer möglich. Damit niemand plötzlich stromlos herumdümpelt, geht das Boot bei niedriger Ladung automatisch auf Schleichfahrt, so dass der Käpt‘n noch 15 Kilometer hat, um eine Ladestation anzufahren.
544 PS müssen erst einmal genügen
Mit maximal 544 PS über den Inboard-Z-Antrieb ist das Boot gut motorisiert – der Elektromotor sitzt im hinteren Teil des Bootes, die Steuergeräte sind wassergeschützt in einer Box mit Porsche-Schriftzug untergebracht. Porsche verspricht allerdings, dass der Motor im Macan electric, der 2024 auf die Straße kommt, stärker sein wird. Die Kurvenfahrt wird zum Vergnügen, der Bug steigt bei schneller Fahrt deutlich aus dem Wasser heraus.
Porsche liefert allerdings nicht nur die Antriebstechnik, sondern auch die Optik des Steuerstandes. Das Studio F. A. Porsche zeichnet für die Gestaltung verantwortlich. Das Lenkrad ist ganz Porsche-Style, ebenso das Cockpit: Fünf Rundinstrumente erinnern an die guten alten Zeiten des 911. Hier liest der Schiffer unter anderem Trimmer, Drehzahl, Ladestand und Kühltemperatur ab. Im Leder der beiden Sitze findet der geneigte Kapitän das Porsche-Logo, es prangt ebenso auf dem Lenkrad. Aus optischen Gründen hat sich Porsche für den Gebrauch eines Doppelgashebels entschieden, auch wenn nur ein Motor verbaut ist – so wird optisch die Symmetrie gewahrt. Mit den Materialien mussten sich die Porsche-Designer neu beschäftigen – sind sie doch wesentlich mehr als im Auto Umwelteinflüssen wie Wasser, Sonne und der dazugehörigen Sonnencreme ausgesetzt.
25 Stück für je 571.700 Euro
Bislang sind 25 Stück des Frauscher x Porsche 850 Fantom Air als offene „First Edition“ geplant, alle in der kommenden Macan-Launchfarbe „Eisgrau“. Stückpreis: 561.700 Euro netto. Später und bei Bedarf soll eine Variante mit Dach folgen. An Bord sind unter anderem zwei Bimini-Tops als Sonnenschutz, eine elektrische Ankerwinsch mit Edelstahlanker, ein Premium-Audiosystem sowie ein Kühlschrank. Der Preis ist wie beim Auto beliebig nach oben korrigierbar: Noch einmal 50.000 Euro kommen zusammen, wenn man ein paar Nettigkeiten wie Familienwappen ins Leder, Persenning, oder einen besonderen Unterwasseranstrich haben will.
Ein Porsche-Trailer dagegen steht momentan nicht auf der Agenda…