Was war Rivian vor Jahren von Wirtschaft und amerikanischer Automobilindustrie nicht abgefeiert worden. Design, Technik und Nachhaltigkeit des Elektro-Doppelpacks R1S und R1T rüttelten die internationale Konkurrenz auf und ließen selbst etablierte Hersteller von Pickup-Trucks und Geländewagen aufschrecken. Doch es gab zahllose Verschiebungen, Rückrufe und mäßige Produktionsvolumina, die immer mehr Investoren zurückschrecken ließen. Mit der zweiten Welle und den neuen, deutlich kleineren Modellen R2 und R3 soll nun alles besser werden. Das Problem ist nur: Ehe die neuen Modelle auf die internationalen Märkte rollen, werden noch mehr als zwei Jahre vergehen. In der Zwischenzeit kann viel passieren.
Rivian hat jedenfalls große Erwartungen an seine neue Midsize-Plattform, auf der ab 2026 die beiden neuen Modelle unterwegs sein sollen. Der 4,72 Meter lange R2 ist ein sehenswertes Mittelklasse-SUV im gefälligen Rivian-Design, das nicht nur wegen der der Leuchtelemente und der markanten C-Säule stark an seinen großen Bruder R1T erinnert.
„Produkte für viel mehr Menschen“
„Unsere R1-Flaggschiffe waren unser Handschlag mit der Welt. Mit R2 und R3 ist es unser Ziel, Rivians Produktattributen treu zu bleiben und gleichzeitig unsere Produkte für viel mehr Menschen zugänglich zu machen“, erklärt Rivian-Chefdesigner Jeff Hammoud bei der Vorstellung der Autos.
„Durch eine enge Integration von Hardware, Software und menschenzentriertem Design haben wir R2 entworfen, indem wir Form und Funktion in Einklang gebracht haben, während wir auf unserer einladenden und ikonischen Designsprache aufbauen“, warb der frühere Jeep-Designer aus Detroit für die neue Baureihe.
Schrägheck-Modell im Golf-Stil
Wie man es von alten US-Geländewagen kennt, lässt sich die Glasscheibe der R2-Heckklappe elektrisch komplett öffnen und schließen, um beispielsweise ein Surfbrett im Gepäckraum verstauen zu können. Innen gibt es Dank des Radstandes von 2,94 Metern viel Platz für bis zu fünf Personen. Die Sitze lassen sich komplett umlegen, um eine ebene Ladefläche zu schaffen. Das etwas kleinere Schwestermodell R3 ist als Schrägheckvariante auf der gleichen Plattform unterwegs und erinnert von seinen Proportionen an einen klassischen VW Golf der ersten Generation, aber auch an den aktuellen Hyundai Ioniq 5 – bei natürlich deutlich größeren Abmessungen. Sein Radstand liegt bei 2,80 Metern. Gerade die Sportversion R3X soll nicht nur im Gelände, sondern auch auf der Straße fahrdynamisch glänzen können.
„Ich war noch niemals so aufgeregt, neue Produkte auf den Markt zu bringen – R2 und R3 sind unverkennbar Rivian in Bezug auf Leistung, Fähigkeiten und Benutzerfreundlichkeit, aber mit einem Preis, der sie für viele Menschen erschwinglich macht“, so Rivian-Gründer und CEO Robert „RJ“ Scaringe.
„Unsere Design- und Ingenieurteams sind extrem darauf fokussiert, Innovationen nicht nur bei den Produktmerkmalen, sondern auch bei unserem Fertigungsansatz voranzutreiben, um die Kosten drastisch zu senken. R2 bietet Käufern in der Preisklasse ab 45.000 Dollar eine dringend benötigte Auswahl mit einer gründlich entwickelten Technologieplattform, die vor Persönlichkeit nur so strotzt. Ich kann es kaum erwarten, sie an die Kunden auszuliefern.“
Reichweiten von bis zu 500 Kilometer
Beide Elektromodelle sollen ab dem Frühjahr 2026 mit zwei Akkugrößen angeboten werden, wovon das größere, aus insgesamt 4.695 Zellen bestehende Batteriepaket Reichweiten von bis zu 500 Kilometer ohne Ladestopp ermöglichen soll. Die genaue Speicherkapazität gibt Rivian noch nicht an – ebenso wenig wie die maximale Ladeleistung. Nur so viel wurde verraten: Das Batteriepaket soll sich in einer knappen halben Stunde von 10 auf 80 Prozent aufladen lassen.
Zugeknöpft zeigte sich das 2009 gegründete Startup auch bei den übrigen technischen Daten. Aus dem Stand soll es für den allradgetriebenen Rivian R3X in kaum mehr als drei Sekunden auf Tempo 100 gehen. Und der Kunde hat bei beiden Modellen die Wahl, ob die Antriebsleistung allein über die Hinterachse oder über beide Achsen auf die Fahrbahn übertragen wird. Die besonders sportliche Topversion soll einen Antrieb vorn und zwei Motoren an der Hinterachse haben. Insgesamt elf Kameras und fünf Radarsensoren sollen die Elektroautos zudem hoch automatisiert fahren lassen können.
Einstiegspreise ab 40.000 Dollar
Im Unterschied zu den mit 5,50 Metern Länge deutlich größeren und teureren R1-Modellen S und T (ab 69.900 Dollar) sollen R2 und R3 die breite Masse erobern. Das soll beim R2 auf dem wichtigen US-Markt mit einem Einstiegspreis von rund 45.000 Dollar gelingen. Der etwas kleinere R3 soll noch unterhalb bei knapp über 40.000 Dollar beginnen. Auf dem amerikanischen Heimatmarkt können beide Modelle ab sofort für 100 Dollar reserviert werden. Die ersten Modelle des Rivian R2 sollen bereits Mitte 2026 aufgeliefert werden.
Von den Anlaufproblemen beim R1 wachgerüttelt, dürfte die Marktstarts von R3 und R3X in USA frühestens Anfang 2027 erfolgen. Später sollen die Modelle auch in Europa angeboten werden. Die Fertigung des R2 erfolgt im Rivian-Werk in Normal/Illinois, wo auch die R1-Modelle, der R2 sowie der Last-Mile-Lieferwagen Electric Delivery Van (EDV) vom Band laufen. Ausgelegt ist das Werk auf eine Jahresproduktion von bis zu 215.000 Fahrzeugen. Sollte das nicht reichen, könnte eine neue, zweite Fertigungsstätte im Morgan County/Georgia einspringen. Doch die Pläne für das neue Werk liegen erst einmal auf Eis – vorsichtshalber. Rivian spart sich und seinen Aktionären so mehr als zwei Milliarden Dollar.