Fast hätte er auf dem IAA „Summit“ dem „Vision One-Eleven“, der elektrischen Neuinterpretation des Mercedes C111 von 1970, die Show gestohlen: Der Motorroller „Stilride 1“ von Tue Beijer und Jonas Nyvang. Denn zufälligerweise landeten die Stände von Mercedes und des schwedischen Start-up StilFold auf der Münchner Mobilitätsmesse in der gleichen Halle, standen sich beide Fahrzeuge praktisch gegenüber. Doch während der „One Eleven“ eine Vision bleiben dürfte, werden die ersten Exemplare des stylishen E-Scooters schon bald auf die Straße rollen: Die Produktion läuft im kommenden Frühjahr in Stockholm an. Und erste Bestellungen für den 100 km/h schnellen und 15.000 Euro teuren Roller sind auch schon eingegangen, freute sich Stilride-CEO Nyvang im Gespräch mit EDISON.
Das Besondere an der Stilride 1 ist allerdings nicht nur das Design, sondern sind auch das Konstruktionsprinzip und das eingesetzte Material. Geformt wird der Rahmen von Roboterarmen aus einer dünnen Platte aus rostfreiem Edelstahl, natürlich aus schwedischer Produktion. Diese wird mit einem Laserstrahl zugeschnitten und anschließend aus einem Stück mehrfach gefaltet. „Industrielles Origami“ nennt Stilfold-Gründer Nyvang das Verfahren, das er während der Corona-Krise zusammen mit seinem Schulfreund, dem Industriedesigner Tue Beijer, entwickelte.
Origami mit schwedischem Edelstahl
So entstand der erste Entwurf für das Stilride 1 auch zunächst mit einem quadratischen Stück Papier, das nach Art der japanischen Kunstform solange gefaltet wurde, bis es für eine Aufnahme von Federbein und Hinterradschwinge taugte und obendrein für den Aufnahme höherer Traglasten geeignet schien. Anschließend wurde mit der Faltanleitung ein Industrieroboter programmiert. Wie Nyvang im Gespräch mit EDISON erzählt, war es am Anfang eher eine Spielerei. Daraus sei dann allerdings sehr schnell auch die Erkenntnis erwachsen, dass mit dem Verfahren auch eine besonders nachhaltige Produktion verbunden werden könne. Mit deutlich weniger Materialausschuss und geringerem Energieaufwand, aufgrund des hohen Automatisierungsgrades auch zu deutlich geringeren Material- und Personalkosten.
Die beiden Freunde haben deshalb auch ihr Produktionsverfahren inzwischen zum Patent angemeldet und sich auch schon Gedanken gemacht, wie es sich auf anderen Feldern nutzen ließe. Bei der Produktion von Schiffspropellern, Lkw-Trailern, ja sogar Brückenkonstruktionen: Die „Guldbrun“, die neue stählerne „Goldene Brücke“ in Stockholm, hätte nach ihren Berechnungen bei Anwendung des Origami-Verfahrens mit 2700 statt 3400 Tonnen Stahl und einem deutlich kleineren CO2-Fußabdruck realisiert werden können. Ohne dass die Stabilität der Straßenbrücke darunter gelitten hätte.
Radnabenmotor mit 8 kW Spitzenleistung
Aber jetzt gilt es erst einmal, die Produktion der Stilride 1 aufzusetzen und für den elektrischen Motorroller Kunden zu gewinnen. Und da zählt nicht nur das Design, sondern auch die Praktikabilität, auch die Antriebstechnik. Gelockt wird mit einer Spitzenleistung des im Hinterrad verbauten Nabenmotors von 8 Kilowatt oder 10,7 PS, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h und einem Gewicht von 130 Kilogramm – inklusive Akku. Montiert ist ein Batteriespeicher mit einer Kapazität von 5,1 Kilowattstunden, der für 120 Kilometer Reichweite gut sein soll. Geladen wird dieser an der Haushaltssteckdose. Spätestens nach vier Stunden soll der Akku wieder zu 100 Prozent gefüllt sein.
Das Bremssystem für den Roller liefert der schwedische Spezialist ISR bei, der auch die Bremsen schon für die Ducati Monster und verschiedene Motorräder von BMW entwickelte. Und der Rahmen besteht komplett aus recyceltem Edelstahl. Denn die Stilride soll den Fahrspaß möglichst unbeschwert liefern, auch mit einem ruhigen Umweltgewissen. „Die Maschine ist nicht nur für Motorrad-Enthusiasten gebaut, sondern auch für Nachhaltigkeits-Puristen“, sagt Co-Gründer Beijer. Die Botschaft kommt an: Polestar hat die Gründer von Stilfold kürzlich eingeladen, am sogenannten „Polestar 0“-Projekt mitzuwirken. Das Ziel ist die Entwicklung eines komplett klimaneutralen Elektroautos bis zum Jahr 2030.
Zitat: „Mit deutlich weniger Materialausschuss und geringerem Energieaufwand, aufgrund des hohen Automatisierungsgrades auch zu deutlich geringeren Material- und Personalkosten.“
… weshalb man das Teil mit noch viel mehr Marge doppelt so teuer, wie die Konkurrenz machen kann.
Sorry, aber der Preis ist unverschämt.
15.000 Euro sind ein stolzer Preis. Aber verglichen mit manchen E-MTBs (zu Preisen um die 10.000 Euro) ist das noch wenig.