Insulin in Irland, Impfstoffe im Inselstaat Vanuatu – die Drohnen von Wingcopter haben bereits an den verschiedensten Orten der Welt Medikamente ausgeliefert. Und dabei die eigene Einsatzreife bewiesen, auch bei Flügen ohne Sichtkontakt zum Piloten am Boden, bei schlechtem Wetter, bis zu 120 Kilometer weit und in der Spitze mit bis zu Tempo 240.
Jetzt hat das Darmstädter Start-up und sein Gründer Tom Plümmer einen wichtigen Partner gewinnen können: UPS Flight Forward (UPSFF), eine Tochtergesellschaft des Logistikkonzerns UPS aus den USA. Zusammen wollen sie Paketlieferdrohnen für verschiedenste Einsatzzwecke in den USA und in anderen Ländern entwickeln. Es ist die erste Kooperation des Konzerns mit einem Drohnenhersteller. Ziel ist es, von den Behörden in den Vereinigten Staaten eine Zulassung für kommerzielle Lieferflüge mit diesen Drohnen zu erhalten. Die letzte große Hürde, um vom Probe- in den Routinebetrieb überzugehen.
Gerade die Corona-Krise zeigt, wie wichtig Paketzustellungen ohne direkten Kontakt von Menschen miteinander sein können. So hat etwa Ehang, der chinesische Hersteller von autonom fliegenden Passagierdrohnen – sie sind deutlich größer als die Flieger von Wingcopter -, während des Höhepunktes der Epidemie in China mit ihnen Medizinprodukte zu einem Krankenhaus in der Stadt Hezhou östlich von Hongkong transportiert.
Kreuzung zweier Drohnen-Konzepte
UPS verbündet sich mit dem – erst 2017 – gegründeten deutschen Start-up, weil die Darmstädter erfoglreich zwei Drohnentypen miteinander gekreuzt haben: den Multicopter für den Schwebeflug mit dem Starrflügler für den Vorwärtsflug. Dazu hat Gründer Plümmer mit seinen gut 45 Kollegen einen patentgeschützten Schwenkmechanismus für die Rotoren entwickelt. So kann der Wingcopter senkrecht starten, die Propeller nach vorne neigen und losfliegen. Die Tragflächen sorgen dann wie beim Flugzeug für Auftrieb, was Energie spart. Und hilft, widrigem Wetter mit Windgeschwindigkeiten von 70 Kilometern pro Stunde zu trotzen.
Das Konzept erinnert an das bayerische Lilium, das Passagierdrohnen mit Schwengrotoren und Tragflächen entwickelt. Es hat gerade bei Investoren 240 Millionen Dollar an weiterem Kapital eingesammelt.
Ganz so üppig ist Wingcopter finanziell nicht ausgestattet. Aber immerhin hat es Anfang des Monats eine weitere Finanzierungsrunde in Millionenhöhe – genauer wurde Plümmer nicht – mit dem Investor Corecam Capital Partners aus Singapur bekanntgegeben. Bei der Entscheidung spielte sicherlich eine Rolle, dass die Darmstädter bereits wichtige Meilensteine erreicht haben, wie etwa den Transport von Laborproben über eine Strecke von 25 Kilometern zwischen zwei Produktionsstätten des benachbarten Chemie- und Pharmakonzerns Merck.
Amazon und die Deutsche Post arbeiten ebenfalls mit Drohnen
Allerdings werden sich Wingcopter und UPS gegenüber mächtigen Wettbwerbern behaupten müssen. Denn auch Amazon arbeitet an Paketdrohnen unter dem Projektnamen Prime Air, die innerhalb von 30 Minuten Kunden beliefern sollen. Der Online-Händler hat bei der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA eine Genehmigung namens Part 135 beantragt, um unbemannte Paketflüge routinemäßig ausführen zu können. Nach eigenen Angaben besitzt Wingcopter-Partner UPSFF aber diese allgemeine Zulassung bereits. Seit dem vergangenen Jahr beliefert es regelmäßig ein Krankenhaus im US-Bundesstaat North Carolina.
Auch Paketdienst DHL, der zum Reich der Deutschen Post gehört, entwickelt Paketdrohnen. In der Vergangenheit hat der Logistiker bereits mit Wingcopter zusammengearbeitet. Seit vergangenem Jahr betreibt der Konzern im südchinesischen Guangzhou einen täglichen Lieferservice mit unbemannten, kleineren Drohnen von Ehang, die Pakete von einem DHL-Depot über eine Distanz von acht Kilometern zu dessen Firmensitz bringen – in acht statt in 40 Minuten, wie sonst beim Transport über die Straße üblich.