Die Zahl der E-Autos wächst rasant, fast alle Hersteller haben elektrische Modelle im Programm. Parallel wächst das Ladenetz. Nach den Erhebungen von Cirrantic und TheonData für den „Charging Radar“ von EDISON können Elektroautos mittlerweile an rund 100.000 Ladepunkte in Deutschland Strom zapfen. Gleichzeitig werden durch Roamingverträge die Angebote in Europa immer stärker miteinander vernetzt. Mit einer Ladekarte oder -App eines E-Mobility-Providers (EMP) können damit auch im Ausland problemlos Stationen anderer Ladepunktbetreiber freigeschaltet werden. Das Netz des zum VW-Konzern gehörenden EMP Elli ist darüber schnell auf 500 000, das von EnBW auf über 400 000 Ladepunkte angewachsen. Reichweitenangst muss heute also niemand mehr haben.

Dafür haben Fahrer von Elektroautos immer noch mit einem anderen Problem zu kämpfen: mangelnde Transparenz. Was der Strom an der Ladesäule kostet, ist dort nicht angeschlagen. Orientierung gibt unter anderem die Moovility-App. Sie informiert, über welchen Anbieter der Strom an der Ladesäule am günstigsten bezogen werden kann.

Von einer einheitlichen Preisgestaltung können Fahrer von E-Autos ohnehin nur träumen. Manche Ladepunktbetreiber oder E-MobilityProvider rechnen nur den geladenen Strom ab, andere verlangen Zuschläge, pro Ladevorgang oder auch pro Minute. Mit den Standgebühren soll verhindert werden, dass die Stromer länger als nötig an der Ladesäule stehen und diese blockieren. Das erschwert es allerdings, die Ladekosten zu kalkulieren.

Kostenfalle Ionity

Günstig ist der Ladestrom ohnehin nicht mehr. Vor allem an den schnellen High Power Chargern mit bis zu 350 Kilowatt (kW) Ladeleistung kann es richtig teuer werden. Über 2300 davon betreibt allein Ionity in Europa. Das Joint Venture wurde 2017 von BMW, Ford, Daimler und VW gegründet, um schnellstmöglich ein paneuropäisches Hochleistungs-Ladenetz für Fernfahrten mit Elektroautos zu errichten. In 24 Ländern betreibt das Konsortium bereits über 2300 Ladesäulen und bald 500 Ladeparks. Nur: Der Ladekomfort will bezahlt sein.

79 Cent kostet aktuell die Kilowattstunde bei Ionity im Standardtarif Direkt. Wer die Ladesäulen spontan mit der App oder Ladekarte einesanderes Dienstleisters aktiviert, zahlt unter Umständen sogar noch mehr. Und seit Anfang Juni könnendie Preise bei Ionity „im Lauf der Zeitund je nach Standort variieren“, könnte sich der Ladestrom also wie beiTesla zu Stoßzeiten verteuern.

Allerdings haben alle am Ionity-Konsortium beteiligten Autohersteller Sondertarife aufgelegt – die meist aber nur für die Stromer der Eigenmarken gelten. Fahrer von E-Autos der Marke Genesis zahlen beispielsweise nur 25 Cent, die von Hyundai und Kia nur 29 Cent.

EnBW: weg von einheitlichen Preisen

Und inzwischen gibt es auch gute Alternativen zum Schnellladenetz von Ionity. Der Energieversorger EnBW etwa betreibt 900 eigene Schnellladestationen in Deutschland, an der Autobahn, aber auch in Innenstädten. An 52 Standorten fließt der Strom sogar mit bis zu 300 kW. Und das Unternehmen hat angekündigt, bis Ende 2025 weitere 2500 Schnell-Ladestandorte zu errichten. Dort kostet die Kilowattstunde je nach Tarif zwischen 39 und 61 Cent – plus eine Monatsgebühr.

Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen und vor der Festlegung auf einen Ladepartner und einen bestimmten Ladetarif zunächst sein Mobilitätsverhalten zu analysieren: Wo wird das Elektroauto hauptsächlich geladen, wie viele Kilometer werden damit im Jahr zurückgelegt – und wie häufig werden überhaupt größere Strommengen über öffentliche Ladestationen bezogen?

Nach den Fragestellungen haben wird unsere Tabellen aufgebaut. Sie listen einerseits die populärsten markengebundenen Ladetarife der Autohersteller auf. Demgegenüber stehen zum Vergleich die Tarife der unabhängigen EMP mit der größten Verbreitung, die Fahrern aller Elektroautos offenstehen. Zusätzlich haben wir die durchschnittlichen Kosten pro Kilowattstunde sowie die durchschnittlichen Jahreskosten für drei unterschiedliche Fahrprofile berechnet. Für Wenigfahrer, die überwiegend zu Hause laden. Für Pendler oder Außendienstler und für „Kilometerfresser“, die mit ihrem Stromer 40.000 Kilometer im Jahr fahren. Die dementsprechend häufig auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen sind – und deshalb ganz genau rechnen müssen.

Zu guter Letzt haben wir uns auch noch angesehen, wie gut die Servicequalität der Ladeanbieter ist. Wie schnell und kompetent sie auf Probleme reagieren, wie gut die Hotlines und die Informationen der Unternehmen auf deren Webseiten sind. Den Part sowie die Gesamtauswertung haben für uns die Experten vom Deutschen Kundeninstitut (DKI) in Düsseldorf übernommen. Wie sich die Ladeanbieter hier und in den übrigen Einzeldisziplinen schlugen, werden wir in der nächsten Ausgabe detailliert schildern.

Die Ergebnisse des reinen Tarifvergleichs machen aber schon deutlich: Den perfekten Ladetarif für jedermann gibt es nicht. Aber es gibt inzwischen eine Reihe erstklassiger Ladepartner. Wer seinen Stromer vorwiegend zu Hause oder bei der Arbeit einsteckt, macht mit den Basistarifen von EnBW und Maingau ohne monatliche Grundgebühr nichts falsch. Die Netzabdeckung beider Anbieter ist sehr gut, die Tarife sind fair. Vor allem, wer konsequent die EnBWSchnellladestationen ansteuert, kann kräftig sparen.

Vielfahrer, die auf das öff entliche Ladenetz angewiesen sind und recht häufig Schnellladestationen ansteuern, müssen hingegen genauer rechnen. Für sie lohnt sich in der Regel die Zahlung einer monatlichen Grundgebühr, um die Stromkosten zu drücken. Da ist der Ladetarif L der EnBW eine gute Wahl.

Preisanpassung bei Elli

Lohnender könnte für diese Nutzergruppe aber die Bindung an den Autohersteller auch beim Strombezug sein. Allerdings unterscheiden sich die Tarife sehr stark. Nissan etwa bietet für die Fahrer der eigenen Elektroautos nur einen Ionity-Tarif an. Für Stopps an anderen Stationen muss sich der Fahrer selbst behelfen. Im Mobilize-Tarif von Renault und Dacia kostet jede kWh am DC-Schnelllader 82 Cent – egal, ob die Säule von Ionity oder einem anderen Anbieter betrieben wird.

Wer einen Audi, Cupra oder VW fährt, kann entweder bei den jeweiligen Marken einen Ladetarif abschließen – oder bei Elli, dem konzerneigenen Anbieter von Ladelösungen und Stromtarifen. Und ob Besitzer eines VW ID.3, ID.5 oder ID.Buzz den Volkswagen-Tarif „We Charge“ oder einen der drei DriveTarife von Elli buchen, ist egal: Die Preise sind gleich. Je nach Tarif kostet die Kilowattstunden hier nach der jüngsten Preisanpassung bundesweit zwischen 50 und 89 Cent. Aber während alle übrigen Herstellertarife ausschließlich für Fahrzeuge der eigenen Marken gelten, sind die Elli-Tarife auch für konzernfremde Fahrzeuge buchbar. Beispielsweise für Fahrer von Elektroautos chinesischer Hersteller. Denn ob MG, Nio, Build Your Dreams oder Great Wall Motor – keiner dieser Newcomer bietet derzeit für seine Kunden einen eigenen Stromtarif an.

Bei Elli ausgeklinkt haben sich die VW-Marken Skoda (zum Teil) und Porsche (komplett). Skoda hat unter dem Namen Powerpass eigene, noch günstigere Ladetarife aufgelegt. Porsche berechnet beim eigenen Tarif pro Minute am AC-Lader 5 Cent pro Minute extra. Am Schnelllader werden gar 45 Cent pro Minute zu den Stromkosten addiert – die mit 39 Cent bzw. 33 Cent/kWh (bei Ionity) sehr günstig ausfallen. Außerdem werben fast alle Fahrzeughersteller damit, dass bei ihren Ladetarifen keine Grundgebühren anfallen.

Doch Vorsicht: Das gilt oft nur für ein Jahr und häufig nicht in allen Tarifklassen und für alle Modelle. So erlässt Hyundai Käufern des neuen Ioniq 6 zwar die Gebühr für den Ionity-Premium-Tarif. Wer sich aber für einen Kona oder einen Ioniq 5 entscheidet, muss 13 Euro im Monat bezahlen. Bei Mercedes me entfällt im ersten Jahr die Grundgebühr des mittleren Tarifs nur für Käufer von Plug-in-Hybriden, während Besitzer eines E-Autos im L-Tarif zwar die Grundgebühr, nicht aber die Ionity-Option bezahlen müssen.

Grundsätzlich ist es aber eine gute Idee, sich die von der Autoindustrie aufgelegten Ladeangebote anzuschauen. Vor allem bei hohen Fahrleistungen und vielen Stopps an den hochpreisigen Ionity-Stationen rechnen sich die Angebote trotz Monatsgebühr. Mercedes und BMW verlangen für die Kilowattstunde am DC-Lader dann nur 55 Cent.

Zudem sollte man die Haustarife auch wegen der einfachen Abrechnung und zusätzlicher Services in Betracht ziehen. So haben Audi, Mercedes, Porsche und andere ihre Fahrzeuge bereits für Plug & Charge vorbereitet. Dann kommunizieren Ladesäule und E-Auto automatisch miteinander und tauschen alle nötigen Daten aus, ohne dass noch eine Ladekarte oder -App benötigt wird. Einfach den Stecker anschließen, im Display den Ladevorgang freigeben – und schon fließt der Strom

10 Ladetipps für Anfänger

  • Den Akku nie ganz leerfahren und nicht auf 100 Prozent laden. Das schont die Batterie und verlängert die Lebenszeit. In vielen Autos kann man die maximale Lademenge im Bordmenü einstellen.
  • Möglichst zuhause laden, dort kostet der Strom am wenigsten. Manche Energieversorger bieten spezielle Tarife für E-Autos oder günstige Nachtstromtarife an.
  • Wagen mit vollem Akku bald wieder bewegen. Lange Standzeiten mit vollem Akku tun der Batterie nicht gut.
  • Langsames Laden stresst den Akku weniger, als wenn Strom mit viel Leistung fließt.
  • Unterwegs laden? Ladestation rechtzeitig als Zwischenziel in Navigation eingeben. Viele Autos konditionieren dann die Batterie vor, damit der Akku schneller lädt.
  • Auf langen Strecken nie über 80 Prozent laden. Je nach Fahrzeug liegt der ideale Ladebereich zwischen 10 und 60 Prozent. Darüber wird die Ladestärke gedrosselt.
  • Ladeprotokoll erstellen: Dazu einen oder zwei Ladezyklen am Schnelllader dokumentieren. Wie hoch ist die Ladestärke bei welchem Füllgrad der Batterie?
  • Auf langen Strecken können drei bis vier kurze Ladestopps besser sein als zwei lange. Wer den idealen Ladebereich kennt (siehe 5 und 6), nutzt ihn aus.
  • Blockiergebühr beachten: Damit auch andere laden können, verlangen viele Stromanbieter nach einiger Zeit Strafgebühren. Wer aufs öffentliche Netz angewiesen ist, sollte Tarife ohne Blockiergebühr wählen, beispielsweise von Skoda oder Elli. Damit kann das Auto nachts kostenlos stehen bleiben.
  • Immer mehrere Lade-Apps aufs Handy laden und aktivieren. Zur Sicherheit eine Ladekarte mitnehmen, manche alte Säulen lassen sich nur per Karte aktivieren.

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