Ganz schön cool und clever sieht er ja aus, dieser neue Einstiegsstromer von Volkswagen, der mit einem Preis von weniger als 25.000 Euro den Vollelektriker fürs Volk geben soll. „For the People“ haben die Wolfsburger deshalb auch ihre Vorstellungsshow betitelt, die mit großem Trara vor über 300 Journalisten (aus der ganzen Welt) im Hamburger Congress Center zelebriert wurde. Was schon mal auf die zentrale Bedeutung dieses Modells hinweist, das demnächst ernsthaft die Preisspirale der Stromer bremsen soll.

Der 4,05 Meter lange und immerhin 1,53 hohe sowie 1,81 Meter breite vollelektrische Typ, ein Mix zwischen Limousine und Crossover, hat das Format und viel Ähnlichkeit mit einem VW Polo (der allerdings 8 Zentimeter flacher ist). Spielt talentiert mehr den skulpturalen Stil. Schnörkellos. Basiert auf der neuen MEB Entry-Plattform, die intern übrigens MEB 21 F heißt. Wobei das F hier einfach für Frontantrieb steht.

Ausblick auf die neue Designsprache

Und dieser ID.2all soll auch schon mal einen Ausblick auf die zukünftige Designsprache von VW geben, die jetzt ja nicht mehr Jozef Kaban (dessen ID.2-Entwürfe schlicht durchfielen), sondern seit dem 1. Februar Andreas Mindt, 54, verantwortet. Ein quirliger Mann, der im Konzern über die Stationen VW, Audi und Bentley schon so einiges auffallend frisch absolviert hat. Und für dieses Auto gerade mal sechs Wochen Zeit hatte. Und jetzt selbst völlig begeistert ist: „Das Auto drückt genau das aus, was wir uns zum Thema Love Brand vorstellen.“

VW Polo für die Ära der Stromer
Die VW-Studie ID.2All gibt einen Ausblick auf das neue vollelektrische Einstiegsmodell – und auf die neue Designstrategie, die alte Volkswagen-Tugenden wieder aufleben lässt und in die Zukunft transferiert.

Er erklärt uns auch gleich diesen neuen, mutigeren optischen Auftritt, der sich unbedingt von der zuletzt etwas langweiligen und profillosen VW-Elektrolinie abheben soll. Soll grundsätzlich nämlich „auf den Eckpfeilern Stabilität, Sympathie und Begeisterung“ basieren und fällt besonders durch die für den ersten Golf entwickelte markante C-Säule auf. Für Mindt ist das quasi eine Neuinterpretation der historischen Signatur. „Wir überführen die DNA unserer Ikonen in die Zukunft“, postuliert er. Dieser ID.2all sei deshalb auch eine Hommage an Käfer, Golf und Polo. Und dazu passe auch dieses „souveräne Lächeln“ der Frontpartie, die einen geradezu „menschlichen Ausdruck“ (Zitate Mindt) zeige. Klar, passende LED-Matrixscheinwerfer gibt es hier natürlich auch.

So viel Platz wie in einem VW Golf

Der Innenraum? Ziemlich klar und kantig strukturiert, geradezu deutsch aufgeräumt. VW verspricht die selbsterklärende Bedienung. Mittig der 12,9 Zoll große Touchscreen, Klimasteuerung über beleuchtete Tasten, eine praktische Drehwalze für die Radiolautstärke. Dazu in der Mittelkonsole ein Drehdrücksteller fürj weitere Fahrzeugfunktionen. Fahrmodi beispielsweise. Auch das Lenkrad hat easy zwei Drehwalzen nebst je zwei Tasten. Genau: Das alles hätten wir uns schon für ID.3 und ID.4 gewünscht. Auch an Bord: die induktive Smartphone-Laderei und diverse USB-Schnittstellen. Sogar ein Head-up-Display gibt es hier.

Und überall viel Platz, mindestens wie in einem VW Golf. Elektrische Sitze mit Massagefunktion. Und die Beifahrerlehne ist für den Transport von langem Zeugs (bis 2,20 Meter) nett umklappbar. Dazu offeriert sich ein ungewöhnlich üppiges Ladevolumen von 490 bis zu 1330 Litern bei umgelegten Rücksitzlehnen. Unter der mit einem Griff hochklappbaren Rücksitzbank findet sich dann noch eine Art abschließbares Geheimfach mit 50 Litern Volumen, in dem Laptops oder Tablets sicher gelagert und sogar geladen werden können. Und im „Keller“, so nennen sie bei VW die ganz große Luke unterm Ladeboden, haben, sensationell, gleich mehrere Getränkekisten gut Platz.

166 kW starker Frontantrieb

Und sonst? Der Fronttriebler setzt in der Studie auf einen, in die Vorderachse integrierten E-Motor mit strammen 166 kW (226 PS), mit dem der Tempo-100-Sprint in weniger als sieben Sekunden gelingen soll. Da reden wir vermutlich über die künftige Topversion, da folgen ergo garantiert noch leistungsschwächere Varianten. Auch diese 20-Zoll-Räder zeigen wohl nur das mögliche Maximum. Und die Batterie im Unterboden? Da melden die Wolfsburger offiziell nur die mit ihr mögliche Reichweite von bis zu 450 Kilometern. Und das dieses DC-Schnellladen von 10 auf 80 Prozent vorbildlich in rund 20 Minuten erledigt sein soll.

Mit Liebe zur Marke
Vertriebschefin Imelda Labbé und und Markenchef Thomas Schäfer wollen Volkswagen wieder zu einer „Love Brand“ werden. Der kompakte ID.2 ist nach dem ID.Buzz der zweite stylishe Baustein dazu. Fotos: Volkswagen

Der Ladespeed? Psst, schlanke 135 kW (AC mit 11 kW), wobei die Ladekurve ungewöhnlich stabil verlaufen soll. Geübt wird, erfahren wir dann noch, erst einmal mit einer Batterie, deren Kapazität bei 56 kWh liegen soll. Im Serienauto soll es dann zwei Versionen geben. Eine schwächere mit Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP) für den Einstieg und eine stärkere, gängige Lithium-Ionen-Batterie mit Nickel, Mangan und Kobalt als Katodenmaterialien. Klar ist auch, dass die beiden Konzernschwestern Cupra und Skoda auf der gleichen MEB-Plattform selbstverständlich jeweils ähnliche Modelle vorbereiten. Und dass die Produktion dieser vollelektrischen Autos im handlichen A0-Format dann im spanischen Werk Martorell stattfinden wird.

2025 fährt VW zu 80 Prozent elektrisch

Die große Elektro-Linie hatte am übrigens am Vortag zur Bilanzpressekonferenz bereits VW-Konzernchef Oliver Blume ausgegeben. Mit ziemlich klaren Worten: „Um unser Haus wetterfest zu machen, bedarf es einiger Renovierungen und Umbauarbeiten.“ Betonte, dass ein klarer Focus auf die Elektromobilität für alle Marken der richtige Weg sei. Dass der VW-Konzern in der elektrischen und digitalen Welt künftig eine führende Rolle spielen wolle. Und dass doch für so wunderbare VW-Ikonen wie Golf, Golf GTI oder Tiguan eine Transformation zu Stromern notwendig sei. Zur Elektrifizierung dieser Autos gäbe es schließlich riesige Möglichkeiten und tolle Ideen.

Allerdings, und das tauchte dann auch in Blumes Rede auf, lag der Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge des Konzerns in 2022 gerade mal bei 7 Prozent der ausgelieferten Neuwagen. Dieser Anteil soll sich nun in diesem Jahr auf 10 Prozent erhöhen. Geld dafür ist reichlich vorhanden: Von den 180 Milliarden Euro, die der Konzern bis 2027 investieren will, sollen mehr als zwei Drittel in die Zukunftsfelder Elektrifizierung und Digitalisierung fließen. Aber Blume ist optimistisch: „Bereits 2025 wird jedes fünfte weltweit verkaufte Fahrzeug des Konzerns einen reinen Elektroantrieb haben.“

Schäfer zündet den E-Turbo

Schäfer weiß natürlich, dass hier nun speziell die Wolfsburger Kernmarke VW gefordert ist. Und holt deshalb in Hamburg ordentlich aus. „Wir wollen wieder zu einer echten Love Brand werden“, verspricht er. Überhaupt solle das Unternehmen schnell und grundlegend transformiert werden. „Wir zünden jetzt den Turbo, um die E-Mobilität bei uns in die Breite zu bringen“.

Allein zehn neue VW-Elektromodelle soll es bis 2026 geben. Darunter der ID. Buzz mit langem Radstand, die demnächst startende ID.7-Limousine, ein elektrisches Kompakt-SUV und dazu einen deutlich kleineren smarten Stadtmini, der sogar weniger als 20.000 Euro kosten und ebenfalls die Kunden von VW, Skoda und Cupra gleichermaßen erfreuen soll. „Dieses kleine Auto ist in unserer Projektlandschaft ein wichtiger Meilenstein, um unterhalb des A0-Formats ein noch günstigeres batterieelektrisches Einsteiger-Fahrzeug anbieten zu können,“ hatte es Skoda-Chef Klaus Zellmer gegenüber EDISON schon vor Wochen kommentiert.

SUV-Version und ein Sportler

Und aus diesem ID.2all jedenfalls könne man noch viel mehr machen, haben wir in Hamburg hinter den Kulissen gehört. Weil zum Beispiel sein Radstand sich wahlweise um sechs oder 12 Zentimeter verlängern lasse. Ebenso die Spurweite, da seien auch noch bis zu 6 Zentimeter mehr machbar. Fest steht schon, dass es dieses Auto später auch in einer SUV-Version (namens IDX) geben wird, und eine obersportliche Variante sei ebenfalls schon in der Planung, bestätigt gegenüber EDISON auch VWs Entwicklungschef Kai Grünitz. „Dafür brauchen wir dann aber noch ein bisschen Zeit.“

Selbsterklärend
Auch das Interieur des ID.2 setzt auf ein klares Design. Und vor allem auf eine leichte Bedienbarkeit: Sogar eine klassische Lautstärkeregelung per Drehknopf haben die Designer vorgesehen: Slidern war gestern – und niemand mochte es.

Erschwingliche Stromer. Super Thema. Genau zur richtigen Zeit? Oder fast zu spät? Denn dieser ID.2all wird zwar 2025 vorgestellt, aber erst Anfang 2026 sollen die ersten Exemplare zu den Kunden rollen. Und der erwähnte ganz kurze Billigstromer wird wohl noch später, frühestens 2027, starten. Das alles dauert also noch eine Weile. Doch die Sache ist heiß, denn wirklich preisgünstige Elektroautos wie Dacia Spring, Opel Corsa-e oder Fiat 500 Elektro sind bei uns immer noch Ausnahmen. Wer jetzt zügig attraktive und günstige Einstiegsmodelle liefern kann, der könnte sich die junge Stromer-Klientel von morgen sichern.

Die Konkurrenz schläft nicht

Und Achtung, die fernöstliche und amerikanische Konkurrenz schläft nicht. Gerade die Chinesen haben schnell kapiert, dass es in Europa jetzt wunderbare Marktlücken für kleine, bezahlbare Stromer gibt. Die Vorbereitungen für entsprechende Einstiegsmodelle laufen im Reich der Mitte längst auf Hochtouren. So will zum Beispiel der Newcomer NIO bei uns mit einer Billigmarke den Markt aufmischen: Bereits im nächsten Jahr soll ein kleines, preisgünstige City-Modell im Format eines Fiat 500 oder BMW Mini unter einem neuen, speziellen Marken-Label bei uns starten.

Auch bei Ora, einer aufstrebenden Elektro-Tochter des großen chinesischen Great Wall Motor-Konzerns, deren noch relativ teure und edle Funky Cat-Limousine wir erst kürzlich getestet haben, ist ein stromernder Preishammer in Sicht. Nämlich ein kurzer, nur rund 3,50 Meter langer Stadtmini auf Basis des viersitzigen Ora Black Cat. Einer mit etwas mehr als 300 Kilometer elektrischer Reichweite, der bei uns womöglich nur gut 10.000 Euro kosten könnte.

Kleiner Tesla könnte noch 2023 vorgestellt werden

Und beim chinesischen Elektro-Giganten BYD („Build Your Dreams“) steht offenbar das kleine Vier-Meter-Auto Dolphin mit bis zu 400 Kilometern Reichweite und einer Leistung von 130 kW (177 PS) in den Startlöchern für europäische Märkte. Sogar Aiways, bisher in Deutschland mit mittelgroßen vollelektrischen SUV-Modellen (U5 und U6) auf dem Markt, will nun, wie gerade aktuell kommuniziert, den Fokus mit einer extrem flexiblen Plattform, die bis zu 15 verschiedene Modelle erlauben soll, auch auf erschwingliche Mobilität legen. Zum Beispiel mit kleineren, entsprechend günstigeren SUV-Vollstromern.

Selbstverständlich ist auch Tesla mit von der Partie, weil Elon Musk schon länger argumentiert, dass das elektrische Basissegment perspektivisch wichtig sei. Erst kürzlich hat der umtriebige Konzernchef wieder betont, das Tesla an einem Kleinwagen arbeite, der klar unterhalb von 25.000 Dollar kosten und sogar autonom fahren könne. In der Produktion nur halb so teuer wie der aktuelle Mittelklässler Model 3. Vermutlich wird der Kleine noch in diesem Jahr vorgestellt. Seine Herstellung könnte, nach allem was wir bei EDISON hören, offenbar problemlos nicht nur in China, sondern auch im brandenburgischen Grünheide starten.

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