In Wolfsburg stehen bereits ein Dutzend Säulen des neuen Typs, an denen die Bewohner und Besucher der Stadt bis Ende kommenden Jahres für ihr Elektroauto Gleichstrom ziehen können – mit Ladeleistungen von bis zu 150 Kilowatt und komplett kostenlos. Volkswagen will damit die Elektromobilität am Heimatstandort populär machen und verzichtet deshalb auf die Einnahmen aus dem Stromverkauf. Doch mittelfristig sollte der Bau von Ladestationen und der Aufbau einer Infrastruktur für Elektroautos schon einen Beitrag zum Konzernergebnis liefern. Volkswagen hat deshalb nun ein Joint Venture mit dem in Shanghai ansässigen Unternehmen DU-Power geschlossen, um in China in großer Stückzahl flexibel einsetzbare Schnellladesäulen zu produzieren und über das Land zu verteilen.
Produktion in China und in Hannover
„Eine flächendeckende Ladeinfrastruktur ist der Schlüssel für den Erfolg von E-Fahren“, begründete Thomas Schmall, der Vorstandschef der VW-Tochter Volkswagen Group Components den Schritt. China sei aktuell der am schnellsten wachsende Markt für Elektroautos. Doch außerhalb der Großstädte sind die Lademöglichkeiten für die Fahrzeuge noch begrenzt. Hier soll das neue Joint Venture ansetzen: Produziert werden sollen in einem Werk in Suzhou nahe Shanghai Schnelllade-Säulen mit jeweile zwei Lademöglichkeiten, die sich je nach Bedarf an unterschiedlichen Standorten einsetzen lassen – dort, wo sie gerade am dringendsten gebraucht werden.
Nötig ist lediglich ein Wechselstromanschluss, der Stromstärken zwischen 16 und 63 Ampere liefert. Die Energie wird im Innern der Ladesäule in ausrangierten Lithium-Ionen-Akkus gepuffert. Bei Bedarf kann sie mit einer Leistung von bis zu 150 kW wieder abgegeben werden. Netter Nebeneffekt: Volkswagen bekommt auf diese Weise in einigen Jahren eine Zweitverwendung für die Batteriemodule, die ab Sommer mit dem neuen VW ID.3 und weiteren Modellen auf der Basis des Modularen E-Antriebsbaukastens (MEB) ausgeliefert werden.
In Deutschland sollen die neuen Ladesäulen künftig auch in Hannover produziert und zusammen mit dem Energieversorger E.On vermarktet werden. Abnehmern könnten Stadtwerke und Kommunen, Tankstellen und Raststätten werden. Aber auch Autohäuser, Einzelhandels-Unternehmen und Logistik-Dienstleister könnten ein Interesse haben, derartige „Plug & Play-Schnelllader aufzustellen – um Kunden zu binden oder um ohne große Erdarbeiten Ladelösungen für Mitarbeiter anbieten zu können. Was die Säulen kosten werden und mit welchen Stückzahlen der Konzern rechnet, hat Volkswagen noch nicht bekannt gegeben.
Kooperation mit E.On
E.ON wird die neuen Ladesäulen in der zweiten Jahreshälfte an sechs Autobahntankstellen intensiv testen und anschließend unter dem Namen E.ON Drive Booster im deutschen Markt einführen. Weil es derzeit noch keine verbrauchten Batteriesätze aus VW-Beständen gibt – die Energiespeicher aus dem e-Golf und dem e-Up passen nicht – werden die Ladesäulen hierzulande vorerst mit nagelneuen Akkupacks bestückt, die im VW-Komponentenwerk Braunschweig produziert werden.
Während Daimler die Altbatterien (mit einer Speicherkapazität von weniger als 75 Prozent) zur Stabilisierung der Stromnetze anbietet und andere Autohersteller wie Renault und Tesla ausrangierte, nicht mehr Auto-taugliche Batterieblöcke vornehmlich in Heimspeicher verwandeln, sieht man im Volkswagen-Konzern die größten Absatzpotenziale für die Akkus offenbar in einem den Zweitgebrauch („Second Use“) als Energiespeicher in Ladestationen.
Audi baut mobile Ladecontainer
Audi etwa hat zusammen mit Moon Power, einer Tochter der Porsche Salzburg AG, mobile Lade-Container entwickelt, in denen 400 Batteriemodule bzw. elf komplette Batteriesysteme aus dem e-tron bis zu einer Megawattstunde Strom speichern. Bis zu 20 Elektroautos können hier theoretisch Strom ziehen – entweder vier über einen High-Power-CCS-Anschluss mit je 300 kW Ladeleistung, acht mit 150 kW – oder elf Stromer über einen Typ-2-Stecker mit jeweils 11 KW Ladeleistung.
Nach Tests unter anderem beim Weltwirtschaftsforum in Davos sollten die Lade-Container in diesem Jahr eigentlich in großem Umfang eingesetzt werden, unter anderem als Stromlieferant für die Fahrzeuge der Formel E beim Lauf in Rom. Zudem war geplant, während der der Ferienreisezeit die Container an Verkehrsknotenpunkten zu nutzen, um die lokalen Stromnetze und die Ladestationen von Ionity zu entlasten.
Corona hat auch diese Planung erst einmal über den Haufen geworfen.