Elektrofahrzeuge sind in der Anschaffung nach wie vor sehr teuer, um über 10.000 Euro teurer als Verbrenner. Ohne staatliche Zuschüsse können sich Neufahrzeuge nur Menschen mit einem hohen Einkommen leisten. Viele erwarten deshalb, dass die Nachfrage nach Elektroautos nach dem Wegfall des Umweltbonus in Deutschland einbrechen könnte.

Aber muss es immer ein Neuwagen sein? Inzwischen sind auch viele Gebrauchtwagen mit Elektroantrieb auf dem Markt. Allein die Internetbörse Mobile.de hat aktuell über 72.000 Vollstromer aller Hersteller im Angebot – mit Preisen zwischen 1350 und 833.000 Euro. Porsche ist mit 1.168 Exemplaren des vollelektrischen Taycan mit von der Partie und sagt zum BEV aus zweiter Hand: „Das Aufregendste, was man mit Strom machen kann.“

Wirklich? Wie kommen die auf Herz, Nieren und Batterie geprüften Gebrauchten an? Gibt es dazu Prognosen? Wie wird eigenlich der Gesundheitszustand des Akkus, des wichtigsten und teuersten Bauteils eines Elektroautos bestimmt und bewertet?

Dekra, Marktführer im Gebrauchtwagenmanagement, bietet dazu ein Testverfahren an. Aktuell kostet diese Batterieüberprüfung 99 Euro plus Mehrwertsteuer. Über die Erfahrungen mit dem Batteriecheck, aber auch über gebrauchte Elektroautos ganz allgemein sprachen wir mit Michael Tziatzios, der bei Dekra für Dienstleistungen rund um Gebrauchtwagen zuständig ist.

Gebrauchtwagen-Profi
Michael Tziatzios

Herr Tziatzios, seit wann gibt es den Dekra Batteriecheck?

Vor etwas mehr als einem Jahr haben wir bei Dekra angefangen, unseren Batteriecheck bundesweit einzuführen. Als erste Sachverständigenorganisation. Dafür haben wir eine Roadshow gemacht, haben unsere Mitarbeiter ausgebildet und können in jeder Niederlassung – wir haben 74 mit vielen Außenstationen – diesen Batteriecheck nach vorheriger Terminvereinbarung durchführen.

Wie groß ist das Interesse der Industrie, des Großhandels und der privaten Autokäufer an Zertifikaten von Dekra für gebrauchte Elektroautos?

Lassen Sie mich zunächst einmal ein paar Worte zum Markt sagen und wie er sich derzeit darstellt. Die Industrie ist natürlich sehr daran interessiert, die Elektromobilität voranzubringen. Auf der anderen Seite ist aber ein Käufermarkt vorhanden, der gebrauchte Elektroautos bislang nur sehr zögernd und sehr vorsichtig kauft.

Warum?

Da spielen mehrere Faktoren zusammen: Die Subventionen seitens der Bundesregierung sind ausgelaufen. Außerdem hat man sich mit der Technologie noch nicht richtig vertraut gemacht. Stichwort Reichweiten und die Tatsache, dass es eine neue Technologie ist, die sich sehr schnell wandelt.

Wie meinen Sie das?

Nun, wo Sie sich heute ein Fahrzeug mit einer Reichweite von 300 Kilometern kaufen, kommt ein Jahr später das exakt gleiche Fahrzeug auf den Markt, aber mit einer weitaus größeren Reichweite. Ich vergleiche das immer mit dem Markt für Smartphones, wo jedes Jahr ein neues Modell rauskommt. Das Gleiche erleben wir gerade mit den Batteriefahrzeugen. Dazu kommt, dass auch die Batterietechnologie sehr schnelllebig ist. Demnächst kommen Feststoffbatterien – auch das ist für den Konsumenten alles noch ein wenig unübersichtlich und nicht so richtig greifbar.

„Privatkunden kaufen gebrauchte Elektroautos bislang nur zögerlich.“

Warum sollte man trotzdem ein rein elektrisches Fahrzeug kaufen?

Für Unternehmen, die sich solche Fahrzeuge kaufen, vor allem im Großkundengeschäft, hat das natürlich auch mit der CO2-Bilanz zu tun und der Nachhaltigkeit, die sich viele auf die Fahne geschrieben haben. Um diese Ziele schnellstmöglich zu erreichen, setzen diese Unternehmen auf Elektromobilität.

Und wie bewerten Sie das Kaufverhalten des Privatmanns?

Der verhält sich ganz anders, ist äußerst zurückhaltend. Und hier komme ich zum Gebrauchtwagenmarkt: Der hat in den letzten zwei Jahren davon profitiert, dass die Ausgangsmärkte zum größten Teil diese subventionierten Fahrzeuge aufgenommen haben. Doch dieser Fahrzeugmarkt, gerade in Nordeuropa, ist definitiv zu. Da gibt es also keinen hohen Bedarf mehr. Es gab noch Länder wie Portugal, die Hybrid- und Hochvoltfahrzeuge aufgenommen haben – doch auch das ist jetzt vorbei. Auf Deutschland bezogen heißt das – und ich rede immer von Hybrid- und Hochvoltfahrzeugen – dass wir hohe Bestände haben werden.

Mit welchen Folgen?

Es werden in diesem Segment äußerst wenig Käufe abgeschlossen. Dazu kommt, dass viele Fahrzeuge noch gar nicht in den Online-Börsen stehen. Das heißt: Auch da versucht man noch, Fahrzeugmengen zurückzuhalten, um den Preis möglichst stabil und hoch zu halten. Wir werden hier bald mit großen Mengen rechnen müssen. Das heißt nicht nur, dass die Hersteller oder Importeure Absatzschwierigkeiten haben mit Neufahrzeugen. Sie sind auch gefordert, die Jahreswagen oder auch Gebrauchtwagen zu vermarkten.

Alt gegen Neu
Von jedem neuen Elektroauto sammeln Dekra-Experten bei der Fahrt über die Rennstrecke eine Vielzahl von Daten. Durch den Abgleich damit wird beim späteren Batteriecheck schnell klar, wie gesund der Akku im Gebrauchtwagen noch ist.
Alt gegen Neu
Von jedem neuen Elektroauto sammeln Dekra-Experten bei der Fahrt über die Rennstrecke eine Vielzahl von Daten. Durch den Abgleich damit wird beim späteren Batteriecheck schnell klar, wie gesund der Akku im Gebrauchtwagen noch ist. Fotos: Dekra

Viele davon sind Leasingrückläufer, die jetzt nach zwei oder drei Jahren zu attraktiven Preisen auf den Markt kommen.

Gleichzeitig ist es ja so, dass der Neuwagenverkauf auch stagniert, zumindest aber nicht die Umsätze erreicht, wie der Hersteller sich das vorgestellt hat. Es ist also ein doppelter Kampf: Einerseits ringen die Hersteller mit dem Absatz ihrer Neuwagen. Gleichzeitig sind sie damit konfrontiert, sich um die Halbjahres- und Jahreswagen kümmern zu müssen, die auch als Vorführwagen zugelassen sind und genauso vermarktet werden müssen.

Bedeutet das schlechte Zeiten also für den Dekra Batteriecheck?

Ganz und gar nicht. Wir rollen ihn ja für jedes Fahrzeugmodell aus und sind gerüstet, wenn die Nachfrage anzieht. Die meisten Hersteller wollen ja bis 2030, also in gerade mal sechs Jahren, nur noch Elektrofahrzeuge absetzen. Das ist schon eine ganz große Herausforderung, zumal sie mit den Fahrzeugen ja auch nur auf Teilmärkte setzen. Denn sie werden nicht alle Märkte mit Elektrofahrzeugen ansprechen können. Ich bin sehr gespannt – und da rede ich jetzt wirklich rein persönlich – wie man hohe Stückzahlen und entsprechenden Absatz generieren will, wenn man nur einen bestimmten Antrieb herstellt und nur noch bestimmte Märkte bedient. Das gilt auch für die Lkw- Branche.

„Wir verlassen uns nicht auf eine reine Diagnose von Trockenwerten.“

So oder so wird es bei den gebrauchten Elektroautos darum gehen, die verbliebene Speicherkapazität der Batterie zu bestimmen…

Ja, und genau hier sind wir sehr gut aufgestellt. Mit unserem Dekra Batteriecheck sind wir einen großen Schritt weiter. Es ist ein patentiertes Verfahren, das durch die RWTH Aachen validiert wurde. Die Resonanz ist durchaus positiv.

Was ist das Besondere am Dekra Batteriecheck?

Es ist die Kombination aus drei Faktoren: Wir messen unter Belastung tatsächliche Batterie-Werte. Wir verlassen uns nicht auf eine reine Diagnose von Trockenwerten. Und die gemessenen Werte werden in unserem patentierten Verfahren nach einem aufwändigen Algorithmus ausgewertet.

Wie kann ich mir das vorstellen?

Wir sind der Meinung – und das bestätigen auch viele Diagnosehersteller am Markt: Nur mit einer Belastung der Batterie können wir an valide Messwerte kommen. Es nutzt nichts, nur den OBD-Stecker reinzustecken und mit den Trockenwerten des Fahrzeugherstellers abzugleichen. Das kann man machen, es wird aber so ausgehen wie die Systemdiagnose, die wir an den konventionellen Fahrzeugen durchführen. Denn der Autohersteller liefert nicht alle Daten. Deswegen parametrieren wir die einzelnen Fahrzeugtypen in unserem Entwicklungs- und Forschungszentrum in Klettwitz am Dekra Lausitzring.

Was machen Sie da mit den Fahrzeugen?

Um an die validen Daten zu kommen, ist die Erstuntersuchung eines jeden Fahrzeugs sehr umfangreich. Wir müssen tatsächlich jedes einzelne Modell unter den verschiedensten Bedingungen fahren und Messwerte ermitteln. Das ist mit sehr hohem Aufwand verbunden. Aber nur dadurch kommen wir später durch eine kurze Testfahrt innerhalb von Minuten an den richtigen SoH-Wert, also den Wert, der über den State of Health des Akkus Auskunft gibt.

Der Wettbewerb geht anders vor?

Unser komplexes Verfahren unterscheidet uns tatsächlich von den Wettbewerbern. Wir sprechen für unsere Messvorgänge gerne von einer Art ‚Koordinatensystem’, das zunächst einmal entwickelt werden muss. Das Fahrzeug kommt im Neuzustand nach Klettwitz. Dort beschäftigen sich die Kollegen mindestens eine Woche lang mit ihm und fahren es unter unterschiedlichsten Ladezuständen, unter unterschiedlichsten Belastungsintensitäten. Als Ergebnis entsteht ein ‚Koordinatensystem’, in das später dieser Messwert aus der kurzen Fahrt von dem Algorithmus einsortiert wird – teilweise mit Künstlicher Intelligenz. Auf dieser Basis lässt sich später bei einem Gebrauchtwagen sagen, wie gut die Batterie noch ist. Eine Fahrt für sich alleine wäre nicht zielführend. Vielmehr gilt es, die Messwerte der Beschleunigung einzusortieren und zu bewerten. Dazu braucht es diese Parametrierung. Wir investieren also viel Zeit im Vorfeld. Deshalb ist der eigentliche Test bei einem Gebrauchtwagen in nur 15 Minuten erledigt.

Hat also jedes Fahrzeugmodell sein eigenes Koordinatensystem?

Genau so ist es. Es gibt zukünftig für jedes Fahrzeugmodell eine eigene Parametrierung, wo bestimmte Grundlagenwerte gemessen wurden. Immer unter den gleichen Bedingungen. Das System weiß dann, wie sich die Batterie unter welchen Bedingungen im hundertprozentig gesunden Zustand verhält. Damit können wir dann die Messwerte in Beziehung setzen.

Erfolgt die Parametrisierung bei Elektro-Lastern auf die gleiche Weise?

Es würde nach denselben Prinzipien funktionieren. Vergessen Sie nicht, dass diese Parametrierung unter den aktuellen Voraussetzungen sehr aufwendig ist. Deswegen machen wir das zunächst nur bei den Modellen, für die es am dringendsten ist. Im Moment also für die Pkw mit dem größten Absatzvolumen oder mit der größten Nachfrage zum Beispiel von Großkunden. Für Lkw ist es noch nicht umgesetzt, ließe sich bei entsprechendem Bedarf und vor allem bei entsprechenden Stückzahlen auf der Straße sicherlich, vielleicht nicht eins-zu-eins, aber doch recht ähnlich übertragen.

Was könnte in Zukunft zur Überprüfung noch hinzukommen?

Die Glaskugel dafür habe ich natürlich nicht. Aber die Tendenzen sind definitiv einmal, dass Wasserstoff mehr an Bedeutung gewinnen wird. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Im Moment hängt Wasserstoff ja noch am Transport, wo es noch ein paar Punkte zu lösen gilt, auch in Sachen Sicherheit. Aber diese Technologie wird definitiv weiterentwickelt werden.

Werden Sie also Prüfkoordinaten für den Toyota Mirai oder BMW IX5 Hydrogen entwickeln?

Bei entsprechenden Stückzahlen liegt dies nahe. Was grundsätzlich ganz wichtig ist: Die Entwicklung der Batterietechnologie wird natürlich weitergehen. Und wenn die Reichweiten wachsen, die Ladezyklen sich verkürzen oder man ganze Batteriepacks einfach tauschen kann, dann wird sich der Markt sicher auch sehr schnell erholen und die Nachfrage nach Elektroautos steigen .

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1 Kommentar

  1. Siegfried

    Wasserstoff für Autos ? Da muss ich Lachen…

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