Einen Nacht im Museum kennen wir alle aus dem Kino. Doch ein Tag im Kühlschrank ist neu. Und diesmal spielt die Geschichte nicht in New York, sondern in Wolfsburg. Denn um auszuprobieren, wie es einem im Elektroauto ergeht, wenn der Winter mal voll zuschlägt und der Verkehr auf der Autobahn wegen Eis und Schnee stundenlang zum Erliegen kommt, haben wir uns dort für einen Tag samt ID.7 in der Klimakammer  einschließen lassen.

Acht Stunden Stillstand bei minus 10 Grad lautet die Vorgabe. Denn wir wollen wissen, ob sich E-Fahrer in solchen Situationen Sorgen machen müssen, sie zum Stromsparen die Heizung runter drehen oder am Ende gar den Abschleppwagen benötigen, weil schon nach kurzer Zeit unweigerlich der Akku leer ist.

Stau-Simulation in K3

So ganz unbegründet sind diese Überlegungen nicht. Zwar hat der Winterdienst das Wetter bei uns meist ganz gut im Griff, zumal sich Frau Holle in der Regel ja höflich zurückhält. Doch als Mitte Januar zum Beispiel Tief „Gertrud“ einmal quer über Deutschland fegte, ging auf vielen Autobahnen in NRW, Hessen oder Thüringen plötzlich nichts mehr. Manche Fahrzeuge standen 16 Stunden still. Wer in so eine Situation mit einem Stromer gerät, der wird sich ja wohl mal ein paar Gedanken machen dürfen, oder?

Also rollt der ID.7 mit seinem vollen 77 kWh-Akku aus der Werksgarage, simuliert auf dem Prüfgelände hinter dem Hochhaus der Entwickler die paar Kilometer bis zur Autobahnauffahrt und rollt nach einer guten Viertelstunde mit einem Ladestand von 97 Prozent in die Klimakammer K3, die Hausherr Dietmar Spring auf 10 Grad unter Null heruntergekühlt hat. Über Funk gibt er die letzten Anweisungen, erzählt was von Notausgang und Evakuierungsregeln, aktiviert die Stoppuhr und für mich beginnt eine frostige Geduldsprobe: Top, die Wette gilt!

Gemütlich warm bei 22 Grad Raumtemperatur

Es dauert nur ein paar Sekunden, dann purzelt die Anzeige der Außentemperatur rapide. Wo eben noch 12 Grad Celsius standen, flimmern jetzt 5, dann 0, dann -3 und -8 übers Display, bevor der Wert mit minus 13 Grad für heute seinen Tiefstand erreicht. Springs Kühlschränke schaffen zwar bis zu 40 Grad unter Null. Aber wir simulieren ja einen Winterstau bei Alsfeld und nicht in der Arktis.

Wobei das für mich ohnehin erst mal keinen Unterschied macht. Schließlich habe ich die Klimaanlage auf gemütliche 22 Grad Raumtemperatur eingestellt, die Sitzheizung auf höchster Stufe eingeschaltet, dazu die Glühdrähte im Lenkrad. Wie warm oder kalt es draußen ist, lässt mich deshalb erst einmal kalt. Und meinen Testwagen übrigens auch. Denn es dauert fast eine halbe Stunde, bis ich den ersten Prozentpunkt auf der Ladestandsanzeige verloren habe. Und viel schneller zählt der Bordcomputer auch danach nicht runter .

Zwar haben mir die Entwickler vorher erklärt, welche Verbraucher am meisten Strom ziehen und eine entsprechende Rangliste aufgestellt: Die Frontscheibenheizung braucht die meiste Energie, das Tagfahrlicht am wenigsten. Dazwischen kommen in absteigender Reihenfolge die Heckscheibenheizung, das Innengebläse, die Sitz-, die Lenkrad- sowie die  Außenspiegelheizung und das Abblendlicht.

Und egal wie stark ich die Heizung bollern lasse: Mehr als 6 Kilowattstunden werde sie sich in den ID-Modellen auch im ungünstigsten Fall nicht gönnen, haben sie versichert. Sie haben auch noch gleich einen Vergleichswert aus der Verbrennerwelt beigesteuert: Dort rechnen sie bei einem benzingetriebenen VW Passat mit 150 PS Antriebsleistung mit einem Kraftstoffverbrauch von etwa 0,8 Litern pro Stunde, wenn man bei minus 7 Grad Außentemperatur dauerhaft wohlige 22 Grad in der Kabine beibehalten will.  

Stromverbrauch von 2 kWh im Schnitt

Als wollten sie mich verunsichern oder meinen Versuch noch weiter in die Länge ziehen, haben sie mir auch noch ein paar Tipps gegeben, wie ich den Energieverbrauch im ID.7 bei meiner simulierten Vollsperrung weiter minimieren könnte. Doch wer mit einem halbwegs vollen Akku in so eine Situation gerät, muss weder auf Umluft schalten, damit der ID7 nicht weiter frische aber kalte Luft zieht, noch muss er das Licht ausschalten. Denn selbst in meinem kuscheligen Komfortprogramm mit Festbeleuchtung und laufenden Infotainment-Programm pendelt sich der Stromverbrauch bei etwas mehr als 2 kWh pro Stunde ein. Und so sorge ich mich schneller um meine Blase als um meine Batterie. Schließlich ist die Thermoskanne aus der Tasche mit dem Reiseproviant längst leer und der körpereigene Durchlauferhitzer will nichts wissen von einem Experiment mit geschlossenen Türen. 

Dick verpackt 
VW ID.7 und Autor in Kältekammer 3 des Volkswagen-Werks in Wolfsburg, die auf minus 12 Grad heruntergekühlt ist.
Dick verpackt
VW ID.7 und Autor in Kältekammer 3 des Volkswagen-Werks in Wolfsburg, die auf minus 12 Grad heruntergekühlt ist.

Immerhin fordert der Stillstand in der Eiseskälte die Klimaanlage des E-Autos und treibt zumindest kurz mal dessen Verbrauch in die Höhe. Denn jedes mal, wenn ich für einen Boxenstopp die Türe öffne und kalte Luft ins Auto strömt, wird entsprechend die Heizung gefordert. Zumindest für ein paar Minuten steigt dann der Durchschnittsverbrauch. Bis zu 4,5 kWh zeigt der Bordcomputer deshalb vorübergehend mal an – nur um sich wenig später wieder bei 2 kWh einzupendeln. Na, wenn der Versuch in der Kältekammer mal kein Kalter wird.

Abgeschnitten von der Außenwelt

Warten, warten, warten – nach zwei Stunden sind die alten E-Mails auf dem Handy abgearbeitet und neue kommen hier drinnen wegen die dicke Metallisolierung nicht an. Deshalb bieten auch die sozialen Netzwerke keine Kurzweil. Und obwohl im ID.7 bereits die neueste Infotainment-Software samt der Integration von ChatGPT läuft, ist auf der Sprachassistent nur ein mäßiger Gesprächspartner. Denn um das Wissen der Welt anzuzapfen und mir Antworten auf fast alle Fragen zu servieren, braucht auch er einen Zugang zum Server. 

Kein Grund zur Beunruhigung 
Obwohl die Standheizung auf 22 Grad eingestellt und die Sitz- und Lenkradheizung auf höchster Stufe läuft, verbraucht der VW ID.7 nur 1,6 Kilowattstunden. Einen Blackout muss da niemand fürchten.
Kein Grund zur Beunruhigung
Obwohl die Standheizung auf 22 Grad eingestellt und die Sitz- und Lenkradheizung auf höchster Stufe läuft, verbraucht der VW ID.7 nur 1,6 Kilowattstunden. Einen Blackout muss da niemand fürchten.

Also bietet einzig und allein der Blick auf den Bordcomputer etwas Zerstreuung. Und auch auf dem passiert so wenig wie auf der Landkarte des Bordprogramms bei einem Langstreckenflug über den Atlantik. Ja, nach der letzten Pinkelpause hat er die Restreichweite neu berechnet und wegen der Kälte draußen mal eben 100 Kilometer kassiert. Doch wenn ich nicht alle vier Fenster öffne und zugleich die Heizung auf maximale Leistung drehe, sind es konstant jene 1,8 bis 2,2 kWh, die ich schon seit der Einfahrt in den Kühlschrank auf dem Display des Bordcomputers sehe. Und entsprechend linear fällt der Ladestand.

Ladestand sinkt um 20 Prozent in acht Stunden

Betrug der Ladestand des Akkus zu Beginn 97 Prozent, sind wir nach vier Stunden bei etwas unter 90 Prozent gelandet. Die anfängliche Mischung aus sensationslüsterner Sorge und professioneller Neugier weicht mehr und mehr einer gähnenden Langeweile. So beginne ich in allen Sprachen, die ich irgendwann mal gelernt habe, die Stunden, die Minuten und später sogar die Sekunden herunter zu zählen – bis meine Schicht im Eisschrank vorbei ist und mich Klimachef Spring wieder in die Freiheit entlässt. 

Die Bilanz des Tests fällt gleichermaßen ernüchternd wie beruhigend aus: In den acht Stunden habe ich zwar kein einziges mal gefroren, immer warm gesessen, Telefon und Tablet geladen und Radio gehört – doch aus dem Akku sind gerade mal 20 kWh entschwunden. Statt 97 Prozent beträgt der Ladestand des VW ID.7 nun 77 Prozent. Damit hätte ich noch über 300 Kilometer weit fahren – oder mich noch gut 24 Stunden mit laufender Standheizung in den Stau hocken können. Aber draußen im echten Leben wäre da sicher längst die dickste Eisschicht getaut und der längste Stau Geschichte.

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