Camping stand in den zurückliegenden zwei Corona-Sommern hoch im Kurs. Und Wohnmobile waren gefragt wie nie. Doch Inflation, hohe Spritpreise sowie Lieferprobleme vieler Fahrzeughersteller haben die Neuzulassungen zuletzt deutlich eingebremst: Im Juli wurden nach Angaben des Caravaning Industrie-Verbandes knapp 22,7 Prozent weniger Wohnmobile als im Vorjahresmonat verkauft, seit Mai beträgt der Rückgang sogar über 26 Prozent. Die Branche braucht also neue Impulse.
Die soll nun der Caravan-Salon Düsseldorf (27. August bis 4. September) liefern, die nach eigenen Angaben weltgrößte Messe für Reisemobile und Caravans. In diesem Jahr steht sie unter anderem auch im Zeichen der Antriebswende. Zwar ist der Dieselmotor bei den Wohnmobilen immer noch unangefochten der Antrieb Nummer eins. Aber die Elektrifizierung lässt sich auch hier nicht mehr aufhalten: Nach den Vorstellungen der EU sollen bis 2030 leichte Nutzfahrzeuge – auch mit hohem Spaßfaktor – im Schnitt nur noch 45 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen dürfen. Aktuell stößt ein Fiat Ducato – derzeit das populärste Basisfahrzeug im Segment von bis zu 3,5 Tonnen Gesamtgewicht – im Alltagsbetrieb rund 260 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Ohne zumindest eine Teilelektrifizierung sind die Wohnmobile in einigen Jahren nicht mehr zulassungsfähig.
XBus Camper: Tiny House auf Rädern
Die Kundschaft ist dafür immerhin offen. Nach einer aktuellen Studie der gsr Unternehmensberatung aus Augsburg und der Marktforschung Mios aus Nürnberg kann sich inzwischen jeder zweite Kaufinteressent ein Fahrzeug mit Hybridantrieb vorstellen. 31 Prozent sind sogar offen für einen Camper mit rein batterielektrischem Antrieb. Befragt wurden dafür immerhin über 10.000 Menschen im Alter zwischen 18 und 80 Jahren.
Das Problem ist nur: Das Angebot von entsprechend motorisierten Reisemobilen ist noch sehr klein. Viele der Fahrzeuge sind erst Prototypen – weit von einer Serienfertigung entfernt. Die Gründe liegen auf der Hand: Um mit einem Fahrzeug dieser Gewichtsklasse mehrere Hundert Kilometer stromern zu können, sind sehr große und entsprechend teure Akkus erforderlich.
Bis zu 600 Kilometer Reichweite
Aber es geht auch kleiner: Im Vorfeld des Caravan-Salons präsentierte das Startup Electric Brands kürzlich seinen XBus in Camper-Ausführung. Eine Art Tiny-House-Mobil für zwei Personen von nur 3,95 Metern Länge und über 1,90 Metern Höhe, mit vier Radnabenmotoren für eine Antriebleistung von 56 kW sowie einer Akku-Kapazität von bis zu 45 kWh. Es gibt ein Aufstelldach für mehr Höhe und einen Auszug, um nachts auf der Liegefläche die Füße ausstrecken zu können. Sogar ein Kühlschrank, ein Kochfeld sowie eine Spüle samt Frischwasser-Tank sind an Bord – betrieben von drei Solarmodulen auf dem Dach. Das sollte für mehr als nur einen kurzen Ausflug ins Grüne reichen: Electric Brands verspricht eine Reichweite von bis zu 600 Kilometer sollte das reichen. Auf den Markt kommen soll der kleine allradgetriebene XBus Camper im kommenden Jahr, zu Preisen ab 29.480 Euro.
Mit über fünf Metern Länge eine Nummer größer ist der EQV Camper, den Mercedes-Benz noch in diesem Jahr mit einer Campingausstattung des Schweizer Herstellers Sortimo anbieten will. Inklusive Aufstelldach und Dachbett, also mit Platz für bis zu fünf Personen. Mit einer Kücheneinheit und auf Wunsch ebenfalls mit Solarpanelen – zur Klimatisierung des Innenraums. Für den Antrieb sorgt ein Akku mit einer Speicherkapazität von 90 kWh. Damit soll der Mercedes EQV 300 bis zu 360 Kilometer weit kommen, um dann an einer Schnellladesäule wieder zu stärken. Kosten wird das Reisemobil wenigstens 86.000 Euro – allein für das Fahrzeug werden knapp 68.000 Euro aufgerufen, für den Um- und Ausbausatz zum „S-Camper“ nochmals rund 18.000 Euro.
E-Vanster von Pössl auf Citroën-Basis
Etwas günstiger ist der E-Vanster, den Reisemobil-Spezialist Pössl zu Preisen ab 58.499 Euro auf Basis des Citroën E-Spacetourer anbietet. Mit dem 100 kW (136PS) starken Frontantrieb des Opel Mokka-e und einem 75 kWh-Akku im Fahrzeugboden. Rund 320 Kilometer sollen damit ohne Ladepause drin sein – das läge dann sogar noch über der Tagesfahrleistung eines durchschnittlichen Wohnmobils von rund 200 Kilometern. Und eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h reicht für ein Fahrzeug dieses Kalibers auch völlig.
Wichtiger für das Wohlbefinden ist da eine ordentliche Innenausstattung, die beim E-Vanster aus einem dreiteiligen Modul mit Spülbecken, Gaskartuschenkocher sowie einer Kühlbox besteht. Gekocht wird unter der aufgestellten Heckklappe, geschlafen entweder oben unter dem aufgestellten Dach oder auf einer Matratze in Parterre.
Opel „Crosscamp“ und Peugeot „Vanderer“
Überhaupt sieht die Stellantis Group gute Chance, von der Elektrifizierung der Wohnmobile zu profitieren. Opel wird den Zafira-e Life bald auch als „Crosscamp Flex“ anbieten – auf der gleichen technischen Basis wie Konzernschwester Citroën und mit ähnlichen Innenleben. Für Wochenendausflüge kann die hintere Sitzbank ruckzuck in eine Liegefläche für zwei umgebaut werden, zwei weitere Personen nächtigen unter dem Aufstelldach. Es gibt einen Küchenblock samt Spüle, Frisch- und Abwassetanks sowie eine Zusatzbatterie mit 95 Amperestunden Kapazität, um die Verbraucher an Bord betreiben zu können, ohne die Antriebsbatterie zu belasten. Ab kommendem Jahr soll der Crosscamp ganz regulär beim Opel-Händler geordert werden können. Zu welchen Preisen, steht allerdings noch nicht fest.
Bei Peugeot hat ein ähnliches Fahrzeug auf Basis des e-Rifter übrigens den originellen Namen Vanderer – und auch schon einen Preis: 71.124 Euro in der Topversion. Der Preis für das Basisfahrzeug beträgt 56.000 Euro, hinzu kommen unter anderem 7.990 Euro für das (entnehmbare) „Vanderer Interieur-Livingroom-Paket, ein „Cool & Freeze-Paket“ für 895 Euro sowie ein Transport-Paket, das im wesentlichen aus einer abnehmbaren Anhängerkupplung besteht.
„Frieda Volt“ statt ID.Buzz „California“
Sehnsüchtig erwartet wird die California-Version des neuen ID.Buzz. Mit dem Elektro-Camper ist allerdings frühestens der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zu rechnen – sprich irgendwann so um 2025. Wer nicht so lange warten mag: Wohnmobil-Spezialist Flowcamper baut den VW Transporter des aktuellen Typs 6.1 mit Handschaltung (etwa aus Postbeständen) zum Elektro-Campervan um. Der „Frieda Volt“ verfügt über einen Akku mit 70 kWh Kapazität sowie einem Elektromotor mit 110 kW Nennleistung und 255Nm Drehmoment. Bis zu 320 Kilometer weit soll der „Bulli“ nach dem Umbau elektrisch fahren, geladen wird an der Haushalts- oder einer CEE-Steckdose mit 32 Ampere. 79.900 Euro kostet der Stromer – elektrische Reisemobile sind nichts für Knauser.