Mit einem Ferrari kann man mittlerweile selbst in China keinen Staat mehr machen, von einem Tesla ganz zu schweigen. Weil es aber im Reich der Mitte reichlich Menschen mit gesteigertem Geltungsbewusstsein gibt und weil die zudem neugierig sind auf neue Perspektiven, baut ihnen der bei uns als VW-Partner bekannt gewordene Newcomer XPeng jetzt ein neues Spielzeug: Als erster Hersteller wollen die Chinesen ein Auto auf den Markt bringen, mit dem die Kunden auch in die Luft gehen können. Auf der Techmesse CES in Las Vegas gaben sie darauf einen sehr konkreten Vorgeschmack.
„Nein, ein Flugauto ist das noch nicht“, dämpft Tan Wang die Euphorie, selbst wenn auch der Chef des Xpeng-Ablegers Aeroht diesen lang gehegten Traum so vieler Daniel Düsentriebs und Petrolheads teilt. Doch wer seine Antwort auf Teslas Cybertruck kauft, der bekommt zum kolossalen Pickup immerhin schon mal eine elektrisch angetriebene Personen-Drohne, die einsatzbereit auf der Pritsche parkt.

Auf Knopfdruck schiebt sich der Flieger von der Pritsche des Cybertruck-ähnlichen Pickup von Xpeng. Anschließend müssen nur noch die sechs Rotorarme ausfahren und einrasten sowie die Motoren starten – schon wird der Fahrer zum Piloten.
„Ein Knopfdruck reicht, dann gleitet der Zweisitzer automatisch von der Ladefläche und macht sich binnen drei Minuten von selbst startklar“, prahlt Wang: Nur noch die sechs Rotorarme einrasten, einen Sicherheitscheck machen – und schon wird der Fahrer zum Piloten, der bis zu 300 Meter in die Höhe steigen kann. Wo andere zum Waldsee oder durch die Berge wandern müssen, hebt der Xpeng-Fahrer einfach ab um die Landschaft aus der Vogelperspektive zu erleben, beschreibt der Chef das wichtigste Einsatzszenario als Freizeitflieger für lauffaule Angeber.
Gesteuert wird per Joystick
Dafür braucht es zwar zusätzlich zum Führerschein auch einen Flugschein, aber für die Einhand-Bedienung mit dem etwas groß geratenen Joystick keine großen Kenntnisse: „Wer eine Spielzeugdrohne fliegen kann, der kommt auch mit unserem Modell spielen zurecht“, ist er überzeugt. So fliegt auch der Xpeng-Heli wie die fliegenden Augen von DJI & Co automatische Muster oder kehrt auf Wunsch von alleine zur Basis zurück. Und wem das zu verspielt klingt: Wang sieht auch Notfallaufgaben bei der Bergrettung oder beim Katastrophenschutz und stiftet so ein bisschen mehr Sinn für sein Unterfangen.

Zum Betrieb des elektrischen Helikopters braucht es zwar einen Flugschein. Die Bedienung ist allerdings kinderleicht: Wer eine Flugdrohne bedienen kann, schafft es auch mit dem Teil in die Luft – und wieder zum Boden zurück. Fotos: Aeroht
Nach dem im besten Fall mehrere Dutzend Kilometer langen Flug und einer automatischen Landung faltet sich die Drohne selbständig wieder zusammen und klettert alleine zurück ins Auto, das sich dafür mit der Luftfederung absenkt und dem Autopiloten millimetergenau in Position bringt. Während der Transporter mit einem Plug-In-Antrieb bis zu 1000 Kilometer weit fährt, lädt sich das Fluggerät an Bord schon mal für den nächsten Ausflug in die Lüfte. Dadurch kann es bis zu sechs mal pro Tour gestartet werden.
Preise ab 300.000 Euro aufwärts
Ja, die technischen Herausforderungen für den aeronautischen Erstling sind überschaubar, denn Elektroautos bauen können die Chinesen. Auch wenn der Flugzeugträger auf Rädern mit seinen drei Antriebsachsen, der Luftfederung und dem automatischen Docking-System etwas komplizierter ist. Und mit Drohnen hat auch kaum jemand mehr Erfahrung als sie, selbst wenn es schon ein gewisses Gottvertrauen braucht, um Leib und Leben so einem aufgeblasenen Elektronikspielzeug zu überlassen. Und natürlich ist der Beitrag eines solchen Millionärs-Mobils für die Verkehrswende eher bescheiden, selbst wenn man bei Preisen ab etwa 300.000 Euro nicht mal Multi-Millionär sein muss.
Aber Wang hat ja auch mehr im Sinn, als ein paar Besserverdiener in die Luft zu bringen. Denn für Xpeng ist der Cybertruck mit dem Heli auf dem Heck nur der erste Schritt vom Automobil- zum Luftfahrtanbieter. Und schon in wenigen Jahren wollen die Chinesen das schaffen, was Unternehmen wie Volocopter oder Lilium gerade in den Ruin getrieben hat: Ein elektrischer Schwenkflügler soll die Verkehrsprobleme in Millionen-Metropolen wie Guangzhou oder Shanghai lösen und dort zumindest die Elite flott von einem Ende der Stadt ans andere bringen. Nicht umsonst hat Peking gerade ein Förderprogramm für eine „Low Altitude Air Travel Economy“ aufgelegt, sagt Wang und schwärmt schon von einem Netzwerk, das sich wie heute die Metro unter der Erde in der Luft über die Städte spannt.
Echtes Flugauto kommt später
Und selbst damit ist seine Phantasie noch nicht ausgereizt. Sondern mittelfristig will Wang ein echtes Flugauto bauen, wie er es im letzten Jahr bereits auf der CES präsentiert hat. Denn nichts reizt den im Dauerstau groß gewordenen Manager mehr, als in der Rushhour einfach in die Luft zu gehen und so dem Chaos zu entschweben.

Bis zu 300 Meter kann die Zwei-Personen-Drohne in die Luft gehen. Um die letzte Meile vom Parkplatz zum Wohnhaus zurückzulegen oder einfach nur, um sich ein Bild von der Umgebung aus der Vogelperspektive zu machen.
Bis dahin ist aber noch viel zu tun, zumal auch das Luxusspielzeug aus Las Vegas noch ein wenig Aufmerksamkeit erfordert, wenn es Ende nächsten Jahres tatsächlich in den Handel kommen soll. Nicht nur, dass Wangs Ingenieure noch mit dem Feintuning beschäftigt sind und den Autopiloten programmieren müssen, während seine Anwälte den Kampf mit Politik und Paragrafen aufgenommen haben. Sondern vor allem müssen sie noch eine Fabrik aus dem Boden stampfen und die Produktion voranbringen. Schließlich gibt es bereits 3.000 Vorbestellungen.