Die Autoindustrie ist durch die Corona-Seuche in vielerlei Hinsicht schwer getroffen. Die Produktion musste gestoppt werden, auch der Autohandel ist praktisch eingestellt – es drohen Milliardenverluste, wahrscheinlich auch Massenentlassungen und möglicherweise feindliche Übernahmen. Statt zum Jahr des Aufbruchs in die Ära der Elektromobilität könnte 2020 des Jahr nun ganz andere Umwälzungen bringen. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroauto ist auf der Prioritätenliste der Automanager wie auch der Politik erst einmal weit nach hinten gerutscht – es gibt dringlicher Themen. Ein Gespräch mit Joachim Damasky vom Verband der Automobilindustrie (VDA) über den Stand Deutschlands bei der Energiewende auf der Straße scheint da etwas aus der Zeit gefallen. Egal, der Termin steht. Und auch die Bundesregierung beschäftigt sich nicht ausschließlich mit der Corona-Krise, sondern hat tatsächlich auch noch die Zeit gefunden, ein Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität auf den Weg zu bringen – das sogenannte GEIG. Dann reden wir doch mal darüber.

Herr Dr. Damasky, die Bundesregierung hatte sich vor nicht allzu langer Zeit bei einem Autogipfel im Kanzleramt das Ziel vorgenommen, bis 2030 ein Netz mit einer Million Ladesäulen für Elektroautos aufzubauen. Die Zahl hatte doch sicher nur symbolischen Charakter, oder?

Eine Million Ladesäulen sind ein guter Orientierungspunkt. Man rechnet mit etwa zehn Fahrzeugen pro Ladesäule. Im Augenblick gibt es in Deutschland 270.000 Elektroautos und rund 24.000 Ladepunkte. Damit stimmt das Verhältnis – aber nur für den Augenblick. Denn die Zahl der Elektroautos soll in den kommenden Monaten und Jahren deutlich steigen – an diesem Ziel hält die deutsche Automobilindustrie trotz der Herausforderung durch die Corona-Krise fest.  Um die mit der nötigen Energie zu versorgen und Kunden die Sorge vor Lücken in der Ladeinfrastruktur zu nehmen, sollte man das Ladesäulennetz mit Blick auf die künftigen Ansprüche ausbauen, wir sprechen von ,vorauseilend‘. Geht man von bislang geplanten bis zu 200.000 weiteren Neuzulassungen von Elektroautos in diesem Jahr aus, sollte die Zahl der Ladepunkte mindestens verdoppelt werden.

Derzeit scheinen die Ladestationen in vielen Regionen noch nach dem Gießkannenprinzip aufgestellt zu werden. Werden da nicht Ressourcen verschwendet?

Die Ladestationen sollten dort aufgestellt sein, wo sie benötigt werden, vor allem in Großstädten und Verdichtungsräumen. Die Leitstelle der Bundesregierung rechnet gerade aus, welche Energiemengen Elektroautos am Tag benötigen und welche Strecken die Autos nehmen. Die Zahlen werden uns helfen, den Bedarf besser einzuschätzen

Joachim Damasky, 58, ist seit Mai 2016 beim Verband der Automobilindustrie (VDA) Geschäftsführer für die Bereiche Technik und Umwelt. Der Elektrotechnik-Ingenieur aus Gießen arbeitete zuvor für die Autozulieferer Hella und Webasto.

Elektroautos werden heute noch größtenteils daheim geladen. Könnte sich das in Zukunft ändern?

Etwa 80 Prozent der Elektroautos werden heutzutage in der Garage eines privaten Elektroauto-Besitzers geladen. Entsprechend gering war bisher der Bedarf an öffentlichen Ladesäulen. In Zukunft wird dieser Anteil nach unserer Prognose aber auf 60 bis 65 Prozent sinken, weil die Halter oder Nutzer das Laden des E-Autos mit Einkäufen verbinden werden oder die Autos in steigendem Umfang an ihrem Arbeitsplatz laden werden.

„In Zukunft werden Elektroautos nur noch zu 60 Prozent daheim geladen.“

Joachim Damasky, VDA-Geschäftsführer Technik & Umwelt

Die Bundesregierung hat kürzlich ein Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Ladeinfrastruktur auf den Weg gebracht – das so genannte GEIG. Demnach soll künftig bei jedem Neubau eines Wohnhauses mit mehr als zehn Wohneinheiten jeder Stellplatz für eine Lademöglichkeit vorgerüstet sein. Bei Gewerbeprojekten ist das für jeden fünften Stellplatz vorgesehen. Reicht das?

Besagtes Gesetz ist in entscheidenden Punkten nicht anspruchsvoll genug. Denn Vorrüstungen sind dabei zunächst nur bei Neubauten vorgesehen, im Fall von Wohnhäusern auch nur bei mindestens zehn Parkplätzen. Das reicht nicht. Und da hat die Bundesregierung jetzt erfreulicherweise nachgeschärft.

Inwiefern?

Das Bundeskabinett hat am Montag einen Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium beschlossen, wonach Mieter und Wohnungseigentümer nun einen Rechtsanspruch auf den Einbau einer Ladestation für Elektroautos bekommen sollen. Das ist ein ganz wesentlicher Beitrag, damit der Hochlauf der Elektromobilität gelingt. Der Bundestag muss dem Entwurf noch zustimmen, doch daran wird das nicht scheitern. Die meisten Menschen laden ihr E-Auto zuhause auf. Überdies appellieren wir an Bauherren und Architekten, beim Bau neuer Ein- oder Mehrfamilienhäuser automatisch entsprechende Anschlüsse von Anfang an mit einzuplanen.

Die meisten öffentlichen Ladesäulen liefern nur Wechselstrom. Wäre es mit Blick auf die weitere Entwicklung nicht sinnvoller, stärker auf Stationen mit Schnelllademöglichkeiten zu setzen. Tankstellen für Benzin gibt es schließlich auch nicht an jeder Straßenecke. Und oft reicht es ja auch, einmal in der Woche Strom zu zapfen.

Wir brauchen beide Lademöglichkeiten, sowohl AC wie DC. Und wir brauchen City-Hubs, zu denen man nur einmal die Woche fährt, um sein Elektroauto zu laden. Allerdings sind die DC-Lader deutlich teurer als AC-Lader und erfordern damit eine höhere Auslastung. Grundsätzlich gilt: Je teurer die Ladetechnik, desto teurer wird bei gleicher Nutzung der Abgabepreis für den Strom.

Die Strompreise bewegen sich derzeit nach oben, die Spritpreise sind stark gesunken.  Konterkariert dies nicht die Bemühungen, Elektroautos populärer zu machen?  

Der Markt für Autostrom funktioniert noch nicht nach wirtschaftlichen Prinzipien. Es fehlt die Masse an Elektroautos und damit eine große Zahl an Ladevorgängen. Sobald die steigen, werden sich die Preise nach unten einpendeln. Ähnlich wie auf dem Handymarkt – da haben sich die Prepaid-Tarife auch konsolidiert.

„Sobald die Ladevorgänge steigen, werden sich die Preise nach unten einpendeln.“

Joachim Damasky, VDA-Geschäftsführer Technik & Umwelt

Aber erst einmal schrecken die hohen Strompreise an den Ladesäulen natürlich. 

Wie gesagt: Weniger als 20 Prozent der Elektroautos laden ad-hoc öffentlich. Das macht im Jahr vielleicht eine Gesamtsumme von 200 bis 300 Euro im Jahr aus.

Wünschen würde man sich auch eine Vereinfachung der Ladevorgänge – einfach anstöpseln und der Strom fließt. Wann werden wir das erleben?

Plug & Charge ist schon da und wird sich durchsetzen. Die Technik dafür ist in allen Fahrzeugen, die seit Mitte 2019 auf den Markt gekommen sind vorhanden. Für das Schnellladen braucht man es ohnehin – im Auto und an der CCS-Ladesäule. Es geht jetzt nur noch darum, diese Technik auszurollen.  Wir werden im Laufe des Jahres erste Angebote dieser Art auf dem Markt sehen. Und dann dauert es vielleicht noch zwei bis drei Jahre, ehe es flächendeckend Alltag ist. Ich bin da sehr zuversichtlich.

Sie sprechen vom Schnellladen. Wünschen würde man sich das auch an den AC-Ladern in der Stadt. Die sind dafür aber noch nicht vorbereitet, oder?

Von der Leichtigkeit des Ladens
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Beim AC-Laden ist es natürlich genauso interessant. Man müsste Ladesäulen dafür in Grunde jetzt schon vorrüsten. Die Mehrkosten scheuen viele Ladesäulen-Betreiber allerdings. Das wird sich rächen.

Inwiefern?

Weil Plug & Charge die Zukunft ist. Es gibt keinen Grund davor wegzulaufen. Die Kunden werden es mögen – und gezielt die Säulen aufsuchen, an denen es möglich ist.

Manche Experten sagen, das Verfahren ist viel zu komplex und zu teuer. Direct Pay wäre besser. Was meinen Sie?

Direct Pay diskutieren wir auch. Denn wir müssen Kunden die Freiheit lassen, den Strom alternativ mit einer Kreditkarte zu bezahlen. Schließlich gibt es Kunden, die sich nicht mit einem Vertrag binden wollen. Obwohl das andere Verfahren natürlich viel komfortabler ist. Wer hat schon Lust, an einer Ladesäule erst einmal zu recherchieren, ob ein anderer Versorger für den Strom dort statt 33 Cent nur 31 Cent pro Kilowattstunde berechnet?  

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3 Kommentare

  1. Gerd

    das Mobilitätsunternehmen Bahn, was machen die? haben staatlich subventionierte Parkpklätze. sollte als einfach sein dort was umzusetzen. Günstigste Steckdosen reichen, denn der Berufspendler steht dort eh min 10 Stunden und wird nicht die volle Reichweite des Autos nutzen um zum Bahnhof zu fahren. NAchts wären diese Plätze dann ideal für örtliche „Laternenparker“. wie gesagt staatlich subventionierte Parkplätze. …

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  2. Anna

    Wird in der ganzen Diskussion auch mal betrachtet, dass es in machen Städten gar nicht zu jedem Haus ein Parkplatz gibt? Hier parken die Autos auf der Straße oder in Parkhäusern und auch hier sollten die Autos mit Strom versorgt werden können. An dieser Stelle gibt es noch keine gesetzlichen Vorgaben, dass z. B. ein Parkhaus mindestens 20 % der Parkplätze mit Ladevorrichtungen versehen werden müssen. Und auch die Autos, die nur am Straßenrand parken können, müssen auch irgendwie ihr Auto aufladen können.

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    • Franz W. Rother

      Das Problem besteht aktuell tatsächlih. Die Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) wird dies zum Teil lösen. Zum anderen arbeiten Energieversorger und Mineralölkonzerne daran, die Zahl der Schnellladestationen im urbanen Raum zu erhöhen – siehe aktueller Beitrag zu den Expansionsplänen der EnBW. Wenn das Elektroauto eine Reichweite von ca. 300 Kilometer hat, man täglich damit aber nur 40 Kilometer fährt, muss das Auto nicht täglich an die Steckdose. Es reicht, einmal in der Woche zu einem Schnelllader zu fahren – ähnlich wie man dies heute mit einem Verbrenner macht.

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