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Professor Pickel, damit wären wir dann wieder in einer Sackgasse: Zu teuer, nicht realisierbar.

Keineswegs. Das Konzept zeigt eine neue Denke auf.

Nämlich?

Bislang war der Traktor eine Universalmaschine, die von der Anwendung getrennt ist. Sie führt die Energie mit und sorgt für die Bewegung. Zu einer landwirtschaftlichen Maschine wird es erst, wenn ich hinten etwas anhänge, einen Pflug oder einen Grubber. Unser Konzept kommt ohne Fahrerhaus aus, bringt also Funktion und Fahrantrieb zusammen. Die Energie dafür kommt von außen. Über ein zusätzliches Batteriefahrzeug oder ein Fahrzeug mit einer Kabeltrommel, das mehrere solcher Arbeitsmaschinen mit Strom versorgt. Das ist unsere Vision, wie Landwirtschaft in Zukunft betrieben werden könnte.

Zukunft heißt in dem Fall…

Etwa das Jahr 2030 oder danach. Wir wollen aber jetzt schon zeigen, dass es Lösungen gibt, und dass es gilt, darüber nachzudenken, wie Landwirtschaftsmaschinen emissionsfrei gemacht werden können.

Was kostet heute in etwa ein großer dieselgetriebener Traktor?

Bei einer Standardausstattung ohne jegliche Extras reden wir da über eine Summe von etwa 150.000 Euro. Es gilt die Grundregel: Für jede Pferdestärke Motorleistung zahlt man heute um die 500 Euro. Hinzu kommen die Extras.

Ein Traktor ist damit schon heute eine erhebliche Investition für einen Landwirt. Ein Elektroantrieb würde die Kosten sicherlich noch einmal deutlich nach oben treiben. Oder wird die Industrie den Stromer einmal zu den gleichen Kosten wie einen Dieseltraktor anbieten können?

Mit Batterie sicher nicht. Aber wenn wir Probleme wie etwa das Thema Netzanschluss in den Griff kriegen, ist es unser Ziel in der Vorentwicklung, die Kosten für die Maschine zu halbieren.

Fast schon luxuriöse Landmaschine
John Deere Traktor vom Typ 7R – mit 363 PS starkem Dieselmotor, mit Massagesitz, Surround-Sound-System und Datenverbindung fürs teilautonome Ackern. Der Preis: Fast 200.000 Euro.

Halbieren ist gut. Was würde der Gridcon-Traktor heute kosten?

Im Augenblick sind das „handgeschnitzte“ Einzelstücke, die unbezahlbar sind. Aber unser Ziel ist es, etwa durch die Erhöhung der Leistungsdichte die Kosten deutlich zu reduzieren. Und auch das autonome Fahren macht das System günstiger.

Weil der Fahrer wegfällt?

Ja und mit ihm die Kabine, die Klimaanlage, Lenkrad, Radio und viele andere Dinge. Zudem kann das System dann rund um die Uhr und sieben Tage die Woche arbeiten. Zudem sind elektrische Antriebe extrem verschließarm und es wird umweltfreundlicher, weil bei Leckagen kein Öl mehr austreten kann.

Würde es dann nicht Sinn machen, die Trennung zwischen Zug- und Landmaschine aufzuheben und allein das Arbeitsgerät auf den Acker zu schicken?

Das ist eine Grundfrage des Ackerbaus: Brauchen wir die Universalmaschine Traktor oder eher den Selbstfahrer? Den Feldhäcksler oder den Mähdrescher? Die Frage ist so alt wie es die Mechanisierung in der Landwirtschaft gibt.

„Die Brennstoffzelle hat in der Landwirtschaft mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie die Batterie: Zu groß, zu schwer, zu teuer.“

Prof. Peter Pickel, Leiter des Forschungszentrums von John Deere in Kaiserslautern

Und wie beantworten Sie diese heute?

Ich glaube, die Geschichte hat die Antwort längst geliefert: Es braucht beide Systeme. Ein Bauer pflügt nicht das ganze Jahr über. Deshalb ist die Einschaltzeit für eine Einzweck-Landmaschine zu gering, um diese wirtschaftlich betreiben zu können. Multipel nutzbare Universalmaschinen wie Traktoren werden deshalb auch in Zukunft noch benötigt.

Wenn aber der elektrische Antrieb hier noch Zukunftsmusik ist – was machen wir denn in der Zwischenzeit, um den Traktor umweltverträglicher zu machen? Könnte ein Wasserstoff- oder Methanantrieb die Lösung sein?

Für kleinere Landmaschinen bis etwa 100 PS können wir uns batterieelektrische Lösungen schon in naher Zukunft vorstellen. Denn die haben auch meist keine langen Einschaltzeiten, weil sie oft nur auf dem Hof für Umschlagarbeiten genutzt und deshalb auch leicht zwischendurch geladen werden können. Da funktioniert Elektromobilität ganz gut. Für den mittleren Leistungsbereich bis etwa 180 PS kann ein Methanantrieb Sinn machen. Aber ein großer leistungsstarker Traktor braucht so viel Energie, dass ein Methantank eine Größe erreicht, die auf einem Traktor nicht mehr unterzubringen ist. In der Leistungsklasse von über 200 PS machen Biokraftstoffe wie Pflanzenöl als Kraftstoff aus der Landwirtschaft und für die Landwirtschaft wesentlich mehr Sinn.   

Traktor
Ohne Fahrer über den Acker
Konzeptfahrzeug für einen vollautonomen Ackerbau, präsentiert von John Deere auf der Agritechnica 2019. Foto: John Deere

Und die Brennstoffzelle?

Wir glauben, dass die in der Landwirtschaft mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat, wie die Batterie: Zu groß, zu schwer, zu teuer. Im Unterschied etwa zu einem Lastwagen gibt es hier auch ein Problem mit dem „Packaging“: Wir kämpfen beim Traktor um jeden Kubikzentimeter Bauraum. Denkbar wäre allerdings, dass am Feldrand eine große semi-mobile Brennstoffzelle steht, die dann über Kabel Strom zum Traktor liefert. Dafür müsste aber auch erst einmal Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

Und was sagt der Fachmann zu Refuels, regenerativ erzeugtem Flüssig-Wasserstoff?

Das wäre eine Möglichkeit. Die funktioniert allerdings in Dieselmotoren nicht so gut. In einem Ottomotor arbeiten sie ganz ausgezeichnet. Aber dann müsste man die Tanks deutlich vergrößern. Da stellt sich das gleiche Problem wie beim Methan-betriebenen Traktor: Der Tankinhalt reicht für maximal fünf Stunden Arbeitszeit, also nur für einen halben Arbeitstag in der Landwirtschaft.  

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