E10, das mit Ethanol (Alkohol) versetzte Benzin, hat keinen guten Ruf, derzeit schon gar nicht. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) möchte den Anbau von Pflanzen für Biosprit am liebsten sogar komplett verbieten. Denn zur Herstellung des Kraftstoff-Additivs werden zucker- und stärkehaltige Pflanzen von Äckern eingesetzt, auf denen eigentlich auch Futter- oder Nahrungsmittel angebaut werden könnten. In einer Zeit, in der wegen des Krieges in der Ukraine viele Lebensmittel wie Getreide und Rapsöl knapp werden, ist die Notwendigkeit von E10 noch schlechter zu vermitteln, obwohl der Ethanolzusatz die CO2-Emissionen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren spürbar mindern würde.

Forscher in München, Stuttgart, Finnland und Kroatien wollen das Hauptargument gegen den Biosprit – die Nutzung von Weizen, Raps, Mais und Soja zur Produktion von Ethanol – entkräften. Sie haben zwei neue Verfahren entwickelt, mit denen sich alternative Kraftstoffe aus Holzabfällen beziehungsweise dem Elefantengras (oder Chinaschilf) Miscanthus giganteus herstellen lässt. Die bis zu vier Meter hohen Rohstängel wachsen auch auf minderwertigen Böden, die für den Nahrungsmittelanbau ungeeignet sind. Und Holzabfälle gibt es hierzulande überreichlich. Eingesetzt werden sie bereits in der Wärmetechnik und zur Stromproduktion in Blockheizkraftwerken.

Dreistufiges Verfahren aus München

Daniel Klüh, Doktorand von Matthias Gaderer, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Technischen Universität München (TUM), hat eines der beiden Verfahren gemeinsam mit Kollegen der Technischen Universität Lappeenranta-Lahti (LUT) in Finnland entwickelt. Klüh setzt auf Restholz als Ausgangsmaterial. „Die Herstellung von Kraftstoffen aus erneuerbaren Quellen wie Holzresten und Ökostrom wäre eine Möglichkeit, die Kohlenstoffemissionen des Verkehrssektors zu verringern“, sagt der Umweltingenieur.

Eine Frage der richtigen Formel
Daniel Klüh , Spezialist für regenerative Energiesysteme an der TU München, hat zusammen mit Kollegen in Finnland einen neuen Prozess zur Herstellung von Ethanol entwickelt.
Eine Frage der richtigen Formel
Daniel Klüh , Spezialist für regenerative Energiesysteme an der TU München, hat zusammen mit Kollegen in Finnland einen neuen Prozess zur Herstellung von Biokraftstoff entwickelt.

Sein Verfahren ist dreistufig. Zunächst werden die Holzschnitzel wärmebehandelt. Dabei verwandeln sie sich in ein Gemisch aus Kohlenstoffmonoxid (CO), Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) sowie ein festes Restmaterial, das zur Energiegewinnung umweltneutral verbrannt werden kann. Nachdem ein Teil des CO abgetrennt worden ist, landet das Mischgas in einem Reaktor. In diesen strömt zusätzliches CO2, das aus der Luft oder in Biogasanlagen gewonnen wird, sowie eine Extraportion Wasserstoff. Dieses Gas wird in einem Elektrolyseur, der mit Ökostrom versorgt wird, durch Wasserspaltung gewonnen. Ein Katalysator sorgt dafür, dass das Gasgemisch sich im Rekator in Methanol verwandelt.

Das Methanol könnte in Verbrennungsmotoren bereits problemlos als Kraftstoff verwendet werden. Um die heutige E10-Infrastruktur weiterverwenden zu können, setzt das deutsch-finnische Team aber noch einen Verarbeitungsschritt obendrauf – die Verwandlung von Methanol in Ethanol. Das geschieht in einem zweiten Reaktor, in den neben Methanol das abgetrennte CO sowie weiteres H2 geleitet wird. Ebenfalls mithilfe eines Katalysators entsteht dabei zunächst Essigsäure, die sich in einem dritten Reaktor wiederum unter Zugaben von H2 in Ethanol verwandelt.

Hohenheim plant Miscanthus-Felder in Kroation

Einen anderen Weg zur Herstellung klimafreundlicher und ehthisch einwandfreier Biokraftstoffe geht Andreas Kiesel vom Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Der Koordinator des europäischen Projekts GRACE (Growing Advanced industrial Crops on Marginal Lands for Biorefineries) hat vor allem Miscanthus im Visier. Dieses schnell wachsende Gras wird gehäckselt und mit Hilfe von Wasserdampf in Zellulose und den Bio-Klebstoff Lignin aufgespalten. Enzyme wandeln die Zellulose anschließend in Glukose um, eine von mehreren Zuckerarten. Wie bei der Herstellung von Wein oder Bier übernehmen Hefen den Rest. Sie verstoffwechseln den Zucker – und Ethanol bleibt übrig. Das bei diesem Gärprozess entstehende CO2 wird eingefangen und letztlich endgelagert.

Zusammen mit kroatischen Forschern entwickeln die Stuttgarter derzeit ein Bioraffinerie-Modul, das in eine Raffinerie des Öl- und Gasunternehmens INA im kroatischen Sisak integriert wird. Schätzungen zufolge befinden sich in der Region rund 60.000 Hektar bislang ungenutzte landwirtschaftliche Flächen, die zum Teil zur Produktion von Miscanthus genutzt werden können. Dort gibt es auch die Möglichkeit, das abgetrennte CO2 endzulagern: Das klimaschädliche Kohlendioxid wird in unterirdische geologische Strukturen gepresst, die zuvor Erdöl gespeichert hatten.

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„Je nach Bilanzierungsansatz für die biologische Kohlenstoffspeicherung ist ein Reduktionspotenzial von mehr als 100 Prozent gegenüber dem EU-Vergleichswert für fossile Kraftstoffe wahrscheinlich“, sagt Jan Lask, der das Projekt von Seiten der Universität Hohenheim betreut. Würde der Motor ausschließlich mit Bioethanol betrieben – so wie der Prototyp des Otto-Motors von 1860 – könnte das Auto bilanziell sogar klimaneutral laufen, da beim Anbau der Pflanzen Kohlendioxid aus der Luft gebunden wird.

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