Elektroautos standen in der vergangenen Woche im Mittelponkt der neuen IAA Mobility in München. Neue Modelle wurden präsentiert, neue Konzepte und Marken vorgestellt – beinahe ausschließlich mit einer großen Batterie im Fahrzeugboden. Doch die Energie- und Antriebswende könnte sich noch länger hinziehen, als die Vorstände mancher Autokonzerne in Schaufensterreden Glauben machen.

Audi will nach eigenen Angaben bereits 2025 das letzte neue Verbrennermodell präsentieren, Jaguar in dem Jahr bereits zu einer E-Marke gewandelt sein. Volvo hat seinen Abschied von der Thermodynamik für das Jahr 2030 angekündigt. Und auch Mercedes-Benz will bis zum Ende des Jahrzehnts „Electric Only“ sein.

Auch Renault hat angekündigt, bis 2025 seine gesamte Modellpalette zu elektrifizieren. Aber das heißt keineswegs, dass alle Autos des französischen Konzerns nur noch Elektromotoren an Bord haben werden. Der Renbault Mégane E-Tech Electric, so war auf der IAA zu hören, wird auch ein Plug-in-Schwestermodell bekommen. Und der geplante Renault R5 sitzt auf der so genannten Multi-Energie-Plattform des Captur – auch das Modell könnte in einer Variante teilelektrisch angeboten werden.

„Es ist zu früh, den Verbrenner zu stoppen“

„Es ist zu früh, die Verbrenner jetzt schon zu stoppen“, argumentierte Entwicklungschef Gilles Le Borgne in einem Pressegespräch, bei dem er sich als Fan der Plug-in-Hybrid bekannte. Kraftstoffverbräuche von im Schnitt 2,3 Litern auf 100 Kilometer seien damit auch im Alltagsbetrieb durchaus zu erzielen – wenn denn die Batterie des Autos regelmäßig geladen werde.

Die Ladeinfrastruktur für reine Elektroautos, so argumentierte er, sei in vielen Ländern noch unterentwickelt. Deshalb brauche es einen „sanften Übergang“ – mindestens bis 2035 werde Renault Teilzeitstromer im Lieferprogramm haben. Dacia möglicherweise noch länger: Im Jahr 2025 wird die Billigmarke laut Le Borgne nur etwa zehn Prozent seiner Fahrzeuge mit einem Elektroantrieb ausliefern. Bei der Kernmarke Renault werde der Anteil der Stromer bis 2025 auf 90 Prozent steigen. Allein die Sportwagenmarke Alpine soll schnell und komplett auf Elektroantrieb umgestellt sein.

Renault Mégane E-Tech Electric
Der neue Vollstromer kommt Ende des Jahres auf den Markt, zu Preisen um die 36.000 Euro. Später könnte ein preisgünstigeres Modell als Plug-in-Hybrid angeboten werden – Entwicklungschef Le Borgne ist ein Fan der Technik. Foto: Renault

Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich bei der VW-Tochter Seat in Spanien ab. Wie Markenchef Wayne Griffiths in einem anderen Pressegespräche darlegte, wird die Kernmarke auf absehbare Zeit überhaupt kein Elektroauto bekommen, sondern sich mit sparsamen Verbrennern und Plug-in-Hybriden begnügen müssen. Der Seat Mii Electric ist im Juli ausgelaufen und wird nicht mehr produziert. Und den Born wird es ausschließlich als Cupra geben. Eine Variante des sportiven Vollstromers auf der Basis des Modularen Elektro-Baukastens von VW ist laut Griffiths nicht geplant. Das gilt übrigens auch für den elektrischen Kleinwagen aus dem Volkswagen-Konzern, der für 2025 angekündigt ist und der gerade bei Seat in Martorell entwickelt wird: Das Auto wird es nur als VW, als Skoda – und Cupra geben.

Der Grund: „Seat-Kunden sind sehr jung und preisbewusst“ – und mit Modellen der sportiven Marke Cupra lassen sich höhere Margen erzielen. So einfach ist das.

Interesse an Brennstoffzelle sprunghaft gestiegen

Und noch eine andere interessante Entwicklung zeichnete sich auf der IAA ab: Entgegen der landläufigen Meinung und trotz der Aussage von VW-Chef Herbert Diess, wonach die Beschäftigung mit der Antriebstechnik „Zeitverschwendung“ sei, wird in vielen Unternehmen – und nicht nur bei Toyota, Hyundai und BMW – weiterhin am Brennstoffzellen-Antrieb gearbeitet. Und zwar nicht nur für Lieferwagen und Nutzfahrzeuge, sondern auch für Personenwagen. Dies berichtete auch Michael Oberhansberg von Symbio, dem Joint Venture von Faurecia und Michelin: „Wir sprechen derzeit mit allen Fahrzeugherstellern – außer mit Volkswagen.“ Alles andere wäre auch verwunderlich.

Faurecia präsentierte auf der IAA nicht nur eine neue Generation hochsicherer Wasserstoff-Tanks, die bis zu 120 Liter Wasserstoff aufnehmen können und obendrein ein so genanntes Dual-Power-System, das es erlaubt, dieselbe Plattform wahlweise für einen vollelektrischen Antrieb auf der Basis von Hochleistungs-Batterie wie auf dem Brennstoffzellen-Prinzip zu nutzen – die Stellantis-Gruppe wird das System als erster Fahrzeughersteller in seinen Lieferwagen einsetzen. Der Opel Vivaro-e Hydrogen soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Brennstoffzellen-Stack von Symbio
Inklusive Tanks wiegt das System für einen Zwölftonner 250 Kilo. Eine Batterie würde 1200 Kilogramm wiegen. Foto: Symbio

Für Oberhansberg macht die Brennstoffzelle bei schwereren Fahrzeugen und speziell bei Nutzfahrzeugen absolut Sinn: Um einen Zwölftonner 400 Kilometer weit elektrisch fahren zu lassen, bräuchte es eine Batterie mit 1500 Kilogramm Gewicht – ein Brennstoffzellen-System für die gleiche Reichweite wiege aber nur 250 Kilogramm. Zudem würden die Systemkosten niedriger – dank Stacks, die mit weniger Platineinsatz auskommen. Symbio zeigte auf der IAA eine Familie von Brennstoffzellen-Stacks mit Leistungen zwischen 40 und 300 Kilowatt – für Pkw, für Busse und Lieferwagen, aber auch für Lkws im Schwerlastverkehr. Die 40 kW-Einheit ist bereits serienreif, die größeren sollen ab 2023 einsatzfähig sein.

Ein Handicap für Brennstoffzellenantriebe sind derzeit noch die hohen Wasserstoff-Preise. Aktuell liegen die Produktionspreise (vor Netzentgelten, Steuern und Abgaben) bei 3,3 bis 5 Euro pro Kilogramm, was etwa 10 bis 15 Cent pro Kilowattstunde entspricht. Der (politisch e) Verkaufspreis liegt jedoch bei 9,50 Euro. Aber auch das dürfte sich nach Einschätzung des Symbio-Managers auch aufgrund der Wasserstoff-Initiativen vieler Länder in der EU ändern: Nach seiner Einschätzung dürfte der Kilo-Preis in den kommenden fünf Jahren auf einen Preis von 5 bis 7 Euro pro Kilogramm sinken. Andere Experten gehen sogar von Wasserstoff-Preisen zwischen 3 und 5 Euro pro Kilogramm bzw. 9 bis 12 Cent pro Kilowattstunde aus.

Seine Schlussfolgerung: „Beide Systeme haben ihre Berechtigung.“ Batterie oder Brennstoffzelle sei keine Frage von entweder-oder. Beide Antriebstechniken ergänzten sich perfekt.“


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3 Kommentare

  1. Duesendaniel

    „Kraftstoffverbräuche von im Schnitt 2,3 Litern auf 100 Kilometer seien damit auch im Alltagsbetrieb durchaus zu erzielen, wenn die Batterie des Autos regelmäßig geladen werde.“
    Wie immer wird hier der elektrisch gefahrene Anteil unterschlagen. Richtig und vollständig wäre etwa: 15kWh Strom+2,3Liter Benzin auf 100km nach WLTP. Diese von der Politik abgesegneten Schummelangaben haben den Hybrid in Misskredit gebracht, wir sollten endlich damit aufhören.

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  2. Cyber Slim

    H2 wird nur von der Öl und Gas Industrie beworben um ihr Geschäft zu retten.

    Prof Fichter vom Helmholtz Institute Ulm im „Geladen-Podcast: E-Lkws mit Batterien oder Wasserstoff?“ (auf YT) ab 1:06:00 läßt er das Gas aus der H2 Wirtschaft!

    Der Trend ist die Batterie auch bei Nutzfahrzeugen. BYD in China macht es schon seit Jahren vor.

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