Der kleine Hafen in Woudsend ist nichts Besonderes: In Reih und Glied schaukeln die vertäuten Schiffe auf den Wellen, während die Sonne lacht. Genau hier, in einem klassischen Bootshaus im Herzen der niederländischen Provinz Friesland entstehen ganz besondere Boote. Nämlich solche, die aus dem 3D-Drucker kommen.  

Die Geschichte, wie es zu dieser spannenden Idee kam, ist an sich schon ziemlich außergewöhnlich. Das fängt schon mit Marieke de Boer und Jörgen de Jong an. Wer glaubt, dass Marieke eine ehemalige Profiseglerin ist, die ihren Sport zum Beruf gemacht hat, der irrt. Denn eigentlich arbeiteten die hochgewachsene Frau und Jörgen in der Lebensmittelindustrie. Beide waren viel unterwegs, Marieke oft in Schweden. Dann kam die Zäsur Corona und das Paar war plötzlich in den Niederlanden festgenagelt.

Marieke de Boer in ihrem Element
Die Corona-Pandemie macht die junge Niederländerin mit Affinität zum Wasser eher zufällig zum Bootsbauer. Fotos: Impacd

Die Affinität zum Wasser führte zu dem Plan, ein Hausboot zu bauen, in dem die beiden mit ihren beiden Kindern unterwegs sein könnten. Schnell und vor allem nachhaltig sollte das Gefährt sein. Gesagt getan. Jörgen kannte sich mit Maschinen aus und Marieke sprühte vor Ideen. Da man während der Pandemie ohnehin wenig Besseres zu tun hatte, als solche Pläne zu schmieden, machten sich beide mit Feuereifer ans Werk.

Boot aus Plastikabfällen kam gut an

Die Idee der beiden klingt einfach und verrückt zugleich. Heutzutage kann man alles mit einem 3D-Drucker herstellen, warum also nicht auch Boote? Eigentlich kein Problem, man braucht nur noch die entsprechenden Geräte. Tatsächlich fanden die beiden nicht allzu weit von ihrer Wohnung entfernt einen solchen 3D-Drucker, sieben Meter hoch und 15 Meter lang. Als die beiden mit der Idee hausieren gingen, kamen fast nur positive Rückmeldungen. „Wir wollten halt etwas machen, was nicht schon 20 andere vor uns versucht haben“, erzählt Marieke. Ein Boot aus Plastikabfällen, nachhaltig und recycelbar. Das trifft doch den Zeitgeist.

Alles andere als Grau
Nahe dem Ijsselmeers hat das Paar eine Werft aus dem Boden gestampft, in der die Bootsrümpfe mithilfe eines 3D-Druckers entstehen.

Der Zuspruch war derart überwältigend, dass das Projekt schneller Fahrt aufnahm, als die beiden es sich in ihren kühnsten Träumen vorgestellt hatten. Das erste Recycling-Plastik-Boot wurde nach rund sechs Monaten zu Wasser gelassen. Nach weiteren Prototypen und etwas Lehrgeld funktionierte das Prinzip.

Polypropylen-Granulat als Ausgangsstoff

Mariekes Vater war bei der Verfeinerung des Verfahrens eine große Hilfe, denn er wusste, wie man Boote baut. Außerdem wird jedes Schiff ausgiebig getestet, ehe man es den Kunden übergibt. Das erste Jahr war kein Zuckerschlecken. Die Boote mussten entwickelt und zugleich das Geschäft angekurbelt werden. „Ich bin jeden Tag um fünf Uhr morgens aufgestanden, um das Marketing zu machen. Dann ging es weiter mit den Booten“, erinnert sich Marieke. 

Der Name ist Programm
Die Impacd 570 ist derzeit der populärste Bootstyp, den das junge Unternehmen produziert. Mit einer Länge von 5,70 Metern und einer Breite von 2,50 Metern ist das elektrische Sportboot bestens geeignet für Fahrten mit bis zu acht Personen auf Binnengewässern.

Die Basis jedes Bootes ist ein Granulat aus Polypropylen. 500 Kilogramm Plastik aus der Gelben Tonne genügen dafür. Der 3D-Drucker erhitzt dieses Rohmaterial, formt daraus lange Kunststoffstränge und formt das Schiff von vorne bis hinten. Wie viel von dem Rohstoff für ein Boot benötigt wird, hängt natürlich vom Modell und der Größe des Bootes ab. Die genaue Menge bleibt ein Geheimnis des Start-ups.

Druck des Rumpfs dauert 60 Stunden

Die Wand eines Impacd-Bootes besteht aus zwei Schichten und ist dicker als bei einem Polyester-Schiff oder eines normalen Bootes. Diese Robustheit hilft auch im Verleihgeschäft, wo es gelegentlich zu einem Fremdkontakt kommt. Auch Strukturen wie Bienenwarben stammen aus dem Drucker. Der Strom kommt von Solarmodulen. Der Druck eines sechs Meter langen Bootes dauert etwa 60 Stunden. Das Boot wird von oben abwärts gedruckt.

Die Prozedur muss an einem Stück stattfinden, sonst ist der Druck wertlos und man muss von vorne beginnen. Aber dank des Konzepts, das den Booten zugrunde liegt, ist auch das kein großes Problem. Das Schiff ist recyclebar. Insgesamt dauert es etwa vier Wochen, bis ein Impacd-Boot fertig ist.  Auch ein Schaden ist kein großes Problem, aber manchmal ist es schneller einfach ein neues Boot zu drucken.

Nachhaltige Schaluppen mit E-Antrieb

Das erste Boot trug den niederländischen Namen „Duurzame sloepen“, zu deutsch: nachhaltige Schaluppen, kurz DS635. Aus dem niederländischen Zungenbrecher wurde dann schnell Imcpacd Boats. Der Anfang war gemacht. Inzwischen gibt es einige mehrere Varianten. Derzeit ist das Impacd 570 das gefragteste Modell. Wie der Name schon sagt, ist dieses Boot 5,70 Meter lang, 2,50 Meter breit, bietet Platz für acht Personen, hat einen Tiefgang von lediglich 0,65 Zentimetern, wiegt gut eine Tonne und wird von einem Elektromotor mit 3,5 kW Leistung angetrieben. Zur Wahl stehen ein POD-Motor oder Mercury Avator 35e Außenborder.

Mit Elektroantrieb 
Ein Elektromotor mit 3,5 kW Leistung treibt die Boote an. Zur Wahl stehen - wie hier - ein POD-Motor oder ein Mercury Avator 35e Außenborder.Den Strom liefert in der Regel ein Akku mit 10 kWh Kapazität. Das reicht für Fahrzeuten von bis zu fünf Stunden.
Mit Elektroantrieb
Ein Elektromotor mit 3,5 kW Leistung treibt die Boote an. Zur Wahl stehen – wie hier – ein POD-Motor oder ein Mercury Avator 35e Außenborder.Den Strom liefert in der Regel ein Akku mit 10 kWh Kapazität. Das reicht für Fahrzeuten von bis zu fünf Stunden.

Der Kunde hat das letzte Wort, wer mehr Power will, bekommt diese auch. Das hat Auswirkungen auf die Batterie, die sich beim Impacd 570 außerhalb des Motors in einer Technikbox befindet. Die gängisten Akkus haben aktuell eine Kapazität von maximal 10 Kilowattstunden. Die Energie muss für vier bis fünf Stunden Fahrzeit reichen.

Preise beginnen bei 18.000 Euro

Das Boot ist keine simple Plastikschüssel. Selbst der kleinste Vertreter der Impacd-Flotte hat ein Deck aus Flexiteek, einem synthetischen Material, das Holz täuschend ähnlich sieht, und gemütliche Polstermöbel. „Wir verkaufen nicht nur ein Boot, sondern eine Geschichte“, strahlt Marieke de Boer.

Die Boote kosten zwischen 18.000 und 100.000 Euro. Ein 5,70 Meter langes Vehikel schlägt mit 51.900 Euro zu Buche. Inzwischen hat das Team aus Friesland seinen Design- und Fertigungsprozess mit Hilfe künstlicher Intelligenz verfeinert. Doch es soll noch schneller vonstatten gehen. Denn das Geschäft brummt: Die Kunden kommen aus den Niederlanden, aus Deutschland und aus Spanien.

Wasserfest
Jedes Modell wird auf den Gewässern rund um die Werft ausgiebig getestet, bevor es an die Käufer ausgeliefert wird.

„Das sind Menschen, die ein nachhaltiges Boot besitzen wollen. Viele von ihnen leben in Städten“, erzählt Marieke. Bei dem jungen Start-up stehen die Zeichen auf Expansion. Den Hafen haben sich die Jungunternehmer bereits gesichert und einen Bootsverleih aufgezogen. Mit den selbstgebauten Produkten, versteht sich. Die Palette wird ständig weiter ausgerollt. „Ein neun Meter langes Boot ist die nächste Herausforderung“, sagt Marieke. Auf der Wunschliste der Kunden stehen auch kommerzielle Schiffe, Speedsegler oder andere Sportboote.

KI hilft bei der Optimierung

Unkontrolliertes Wachstum ist nicht vorgesehen. Räumlich soll alles in der Nähe des kleinen Familienunternehmens bleiben. Momentan hat das Unternehmen eine Handvoll Mitarbeiter, bald sollen weitere dazukommen. Als nächstes wollen sich die Jungunternehmer sich einen eigenen 3D-Drucker anschaffen, der dann in einer eigenen Halle steht. Wenn alles glatt läuft, bauen 15 Menschen rund 100 Boote pro Jahr.

Wichtig ist, die Effizienz weiter zu steigern. Künstliche Intelligenz soll dabei helfen. Eine Bedrohung kommt dagegen aus Fernost. „Der chinesische Markt bringt viel neues Kunststoffmaterial zu Dumpingpreisen auf den Markt. Das Problem ist, dass unser innovativer niederländischer Recyclingmarkt da nicht mithalten kann“, erklärt die umtriebige Niederländerin. Doch ihr der Gesichtsausdruck spricht Bände. Das junge Unternehmen wird auch diese Herausforderung meistern.

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