Die Automobilindustrie sieht sich weltweit mit mannigfaltigen Veränderungen konfrontiert. Auf der einen Seite drücken weltweit rückläufige Verkaufszahlen – und das sogar in China, dem Garanten für Wachstum – auf die Euphoriebremse. Auf der anderen Seite steigt der technologische Druck auf die Hersteller, Fahrzeuge zu bauen, die lokal emissionsfrei unterwegs sind. Der Verbrennungsmotor ist ein Auslaufmodell und neue Antriebstechnologien global auf dem Vormarsch.
Ob künftig hybride, rein elektrische oder mit Brennstoffzellen betriebene Fahrzeuge die Lösung bringen, spielt in der Diskussion, der sich die an Erfolg gewöhnte Autowelt gerade stellt, erst einmal eine nachrangige Rolle. Denn eines haben all diese Antriebskonzepte gemein: sie benötigen eine Batterie.
Der Umbruch hin zur Elektromobilität stellt die europäische Automobilindustrie und ihre Akteure allerdings aktuell vor schier unüberwindbare Herausforderungen. Das liegt an mehreren Faktoren. Einerseits bedarf es der nötigen Rohstoffe – einer begrenzten Ressource. Ähnlich verhält es sich aktuell auch noch mit geeigneten Produktionsstätten. Während außereuropäische Batterieproduktionen forciert werden, hinkt Europa hinterher. Darüber hinaus benötigen die Unternehmen das Fertigungs-Know-how. Während Asien, neben wenigen westlichen Firmen, bereits an Festkörper-Akkus arbeitet, kämpft Europa noch mit der Fertigung konventioneller Lithium-Ionen-Batterien. Das notwendige Know-how hat Europa schon vor vielen Jahren abwandern beziehungsweise gar nicht erst aufkeimen lassen – und hier liegt ein strategischer Fehler.
Europa hat den falschen Fokus gesetzt
Doch wie konnte der alte Kontinent – und allen voran Deutschland, das Land, dass das Automobil erfunden hat – beim Thema Elektroautos und speziell bei der Batterieproduktion so ins Hintertreffen geraten? Im Wesentlichen sind meines Erachtens drei Dinge für diese Entwicklung verantwortlich:
- Europa hat sich auf alten Erfolgen ausgeruht:
Zu lange hat sich die westliche Automobilindustrie über jährlich steigende Wachstumszahlen bei Verbrennern gefreut und zu spät registriert, dass die restliche Welt im wahrsten Sinne des Wortes unter Strom steht. - Die Politik zog es vor abzuwarten:
„Abwarten, dann löst sich das Problem von alleine!“ Mit wenigen Ausnahmen – ich denke hier an die Niederlande und Skandinavien – haben die europäischen Staaten es verpasst, die Weichen für die Zukunft zu stellen. In der Zwischenzeit haben andere Regierungen ihre lokale Wirtschaft massiv gefördert und gefordert. So wurden anderenorts Infrastrukturen aufgebaut und die nötigen Fachkräfte ins Land gelockt. Sehr zum Nachsehen der europäischen Platzhirsche. - Zu spät zu ambitionierte Ziele gesteckt:
Als klar war, dass die Elektromobilität kommt, wurden zu guter Letzt wahnwitzige Ziele festgelegt: Alleine in Deutschland hieß es vor etwa fünf Jahren, dass bis 2020 eine Million Elektroautos auf heimischen Straßen unterwegs sein sollen. Erreicht werden sollte dieses Ziel mit Steuermillionen zur Subventionierung von Elektroautos – und das bei einer überschaubaren Modellvielfalt in Europa. Die ist auf eine unzureichende Nachfrage zurückzuführen, verursacht durch eine fehlende Ladeinfrastruktur. Alles in allem also ein ambitioniertes Unterfangen, das den falschen Fokus gesetzt hat.
Nicht nur die großen Konzerne fördern
Nun liegen diese Entscheidungen und Weichenstellungen bereits einige Zeit zurück. Und eigentlich ist es Zeit, begangene Fehler zu korrigieren. Mittlerweile hat sich der Markt dahingehend verändert, dass sich mehr und mehr Unternehmen – vom Energieversorger über den Automobilhersteller bis hin zum Branchen-Newcomer – daran machen, Ladesäulen aufzustellen. Statt sie zu fördern, werden diese Unternehmen aber wieder ausgebremst – zumindest in Deutschland. Die jüngste Verordnung verlangt, dass Ladepunkte geeicht sein müssen. Grundsätzlich gut und richtig, schließlich soll der Kunde in einem standardisierten Verfahren seinen Strom beziehen. Die Kehrseite ist aber, dass das Eichverfahren teure technische Veränderungen an den bestehenden Ladesäulen vorsieht, was uns wieder fünf Jahre zurückwirft, da niemand bereit ist, hierfür zu investieren.
Eine ganz ähnliche Entwicklung ließ sich in den letzten Jahren in Zusammenhang mit Batterien feststellen. Erst jüngst wurden von verschiedenen Stellen Pläne verkündet, eine europäische Batteriezellproduktion aufzubauen. Das ist eigentlich ein positives Signal. Einer der ersten, der sich zu einer Batterieproduktion in Europa verpflichtet hat, war der chinesische Hersteller CATL. Ihm folgten LG und SK – zwei koreanische Hersteller. Das klingt erst mal nach einer asiatischen Übernahme, doch es gibt auch heimische Wettbewerber. So lädt ein Konsortium rund um den schwedischen Batterieproduzenten Northvolt, gegründet von einem ehemaligen Tesla-Manager, die gesamte Industrie dazu ein, eine europäische Gigafactory entstehen zu lassen.
Parallel entsteht ein weiteres Konsortium unter dem Namen European Battery Union. Um diese Projekte zu unterstützen, lobt die EU verschiedene Fördergelder aus. Auch Deutschland beteiligt sich mit einer Milliarde Euro an dem Vorhaben, eine eigene Batterieproduktion mit Fokus auf den Standort Deutschland aufzubauen. Beworben haben sich darauf bislang 30 Unternehmen – Northvolt ist eines davon. Die besten Aussichten hat aktuell wohl ein Zusammenschluss zweier französischer Konzerne, nichtsdestotrotz beabsichtigen das Bundeswirtschaftsministerium und auch andere Mitgliedsstaaten der EU, darüber hinaus Projekte zu fördern.
Ein Blick auf die Bewerber und das aktuell aussichtsreichste Projekt offenbart einen wesentlichen Punkt in der europäischen Strategie: Die Fördermittel gehen augenscheinlich wieder einmal an die größten Konzerne. Doch ist das der richtige Weg? Dieses Szenario gab es eine Nummer kleiner schon einmal in Deutschland, als die deutsche Regierung versuchte, mit Subventionen eine deutsche Batteriezellproduktion aufzubauen. Die Beteiligten haben das Projekt nach kurzer Zeit wieder eingestellt und das ohne nennenswerte Erfolge.
Worauf es jetzt ankommt
Fakt ist also: Gelder für eine Gigafactory in Europa stehen bereit und alle sind losgerannt. Das ist gut. Leider rennen alle aber in unterschiedliche Richtungen. Das ist wiederum schlecht. Statt Synergien zu schaffen und Ressourcen zu bündeln – im Übrigen der einzige Weg, um den Vorsprung des Wettbewerbs aus Asien und Nordamerika auch nur ansatzweise wett zu machen – verfolgen verschiedene Organisationen und Konsortien verschiedene Batterietechnologien. Um die Initiativen zusammenzuführen, bedarf es vier Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Strategie, die Industrie und Politik in Europa nun in den nächsten Jahren gemeinsam gehen müssen:
- Fokus setzen: Statt sich – wie jüngst – die Frage nach den Rohstoffen einer Batterie zu stellen, ist es unabdingbar, nun schnell zu handeln und die gewohnte „Das müssen wir uns überlegen, um im Anschluss erneut zu überlegen und im letzten Schritt noch einmal zu überlegen“-Einstellung abzulegen. Europa sollte sich darauf fokussieren, die nötige Infrastruktur in Form von Produktionsstraßen aufzubauen – egal, ob es am Ende nun Lithium-Ionen oder Natrium-Ionen-Batterien sind, die dort produziert werden.
- Partnerschaften eingehen: Um dem enormen Vorsprung, den einige Player auf dem globalen Markt haben, auch nur in Ansätzen auszugleichen, ist es unabdingbar, Kooperationen einzugehen. Hierbei kommen meines Erachtens nicht nur Großkonzerne in Betracht, sondern auch KMUs. Insbesondere der Mittelstand fungiert als Speedboat vieler Industrien und ist im Stande, schnell und mutiger zu handeln. Alle müssen den Weg zur Elektromobilität gehen – besser wäre es, Unternehmen gehen ihn gemeinsam.
- Groß denken: Einer der kritischen Punkte, die aktuell alle Produzenten belastet, sind die Kapazitäten beziehungsweise die Verfügbarkeit von Batteriezellen. Selbst alle aktuellen Player können die weltweite Nachfrage nicht bedienen. Wie wird es dann erst in den kommenden fünf bis zehn Jahren aussehen, wenn das Elektroauto eine kritische Masse erreichen sollte? Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, nicht nur große Pläne zu haben, sondern in großen Mengen zu produzieren.
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Mut zu forschen: Den größten Fehler, den Europa nun begehen könnte, wäre zu denken, dass die heimische Branche aktuelle Technologien ohnehin nicht mehr schnell genug zur Marktreife bringen kann und sich auf die Forschung der nächsten Batteriezellen-Generation konzentrieren sollte. Europa ist, aufgrund der fehlenden Entwicklung in den vergangenen Jahren, in der Situation, zweigleisig fahren zu müssen. Auf der einen Seite bedarf es einer Versorgung mit Lithium-Ionen-Batterien, andererseits dürfen Fehler aus der Vergangenheit bei zukünftigen Technologien wie dem Festkörper-Akku nicht erneut begangen werden.
Möchte Europa die noch vorhandene Chance nutzen und der Rolle des Abgehängten entfliehen, ist jetzt Handeln angesagt. Um den Markt zu bewegen, braucht es von den Größen der Branche einen Vorstoß im oben skizzierten Ausmaß. Nur wenn Platzhirsche, KMUs und Start-ups zusammen mit der Politik an einem Strang ziehen, kann Europa an Geschwindigkeit zulegen, seine Position im internationalen Automobilmarkt auch im Elektrozeitalter festigen, Arbeitsplätze sichern und die Unabhängigkeit individueller Mobilität bewahren.