Als ich mein Elektroauto gekauft habe, erschreckte mich die Nachricht, dass ein verunfallter Mensch aus einem Elektroauto nicht gerettet werden konnte, weil die Rettungskräfte fürchteten, selbst einen Stromschlag zu bekommen. Laufe ich in meinem Zoe Gefahr, nicht gerettet zu werden? Um darauf eine Antwort zu bekommen, habe ich mit Thomas Kuhn gesprochen. Er ist seit mehr als 35 Jahren Feuerwehrmann, aktuell als Unterbrandmeister bei der Feuerwehr Grevenbroich und hat viel Erfahrung mit Verkehrsunfällen.

Birgit Steffani: Ist bei der Feuerwehr das Thema Elektroauto weiter besprochen worden? Werde ich künftig gerettet?

Thomas Kuhn
Der Journalist Thomas Kuhn engagiert sich seit 35 Jahren bei der Feuerwehr. Er rät Fahrern von E-Autos, sich als solche zu erkennen zu geben.

Thomas Kuhn: Elektroautos sind für uns noch ein relativ neues Phänomen und wenig verbreitet. Insofern gibt es auch – speziell in Deutschland – noch wenig Erfahrung mit entsprechenden Unfällen. Das heißt nicht, dass wir uns nicht intensiv mit der Frage beschäftigen, wie eine Rettung ablaufen kann. Damit wir eingeschlossenen oder eingeklemmten Personen im Ernstfall möglichst rasch helfen können, aber eben auch aus Selbstschutz. Immerhin liegen bei reinen E-Autos, aber auch bei Hybrid-Fahrzeugen Spannungen von 400 bis 600 Volt auf den Leitungen, wenn die Batterien nicht – wie es eigentlich vorgesehen ist – nach einem Unfall automatisch vom Bordnetz getrennt sind.

In vielen Fahrzeugen ist das beispielsweise an die Airbags gekoppelt, wenn der Sensor auslöst werden auch die Batteriespeicher für die Fahrmotoren von den Versorgungsleitungen im Wagen gekappt. Das Problem ist nur, dass man das als Einsatzkraft an der Unfallstelle erst einmal nicht sicher weiß. Und im Gegensatz beispielsweise zu einen Benzin- oder Gasleck riecht man Strom ja nicht.

Dazu kommt, dass, wenn es sich nicht gerade um einen Tesla oder einen Renault Twizy handelt, auf den ersten Blick ja gar nicht klar ist, ob der Unfallwagen überhaupt einen E-Antrieb hat. Das „E“ auf dem Nummernschild ist nicht immer erkennbar – und manchmal ist das Schild bei einem Crash auch abgerissen.

Das heißt, wir müssen noch vorsichtiger vorgehen, als wir das ohnehin tun, wenn wir erkunden. Parallel dazu versuchen wir über eine Abfrage in speziellen Datenbanken, am Ende direkt beim Kraftfahrtbundesamt, herauszubekommen, um was für einen Fahrzeugtyp genau es sich handelt, wo die Gefahren liegen, und wo z.B. die Batterien gelagert sind beziehungsweise, wo sich der zentrale Abschaltstecker befindet, mit dem sich die Akkus verlässlich trennen lassen.

All das gilt jetzt erst einmal nur für Crash-Fahrzeuge. Und wenn die dann auch noch brennen, wir es noch mal komplizierter. Zumindest, wenn die Batterien selbst in Brand geraten sind. Denn das Lithium darin kann mit Löschwasser oder anderen Batterieflüssigkeiten reagieren und dabei kann Wasserstoff entstehen. Der im wahrsten Wortsinn brandgefährlich und kann sich schlagartig entzünden. Außerdem entsteht eine extreme Hitze wenn die Batterien in Brand geraten. Um die zu löschen, braucht es viel Wasser, notfalls Sand oder ein spezielles Löschpulver.

Alles in allem bedeuten E-Autos also einiges an zusätzlichem Aufwand beim Retten von Personen oder beim Löschen. Andererseits gehören Herausforderungen zu unserem Job. Und um sie zu meistern, machen wir ihn ja.

Im Schienenverkehr nehmen ja Straßenbahnen und ICE Züge einen wichtigen Raum ein, die ebenfalls elektrisch angetrieben werden. Gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen diesen Fahrzeugen und dem Elektroauto, was eine Rettung angeht?

Auch wenn beide Fahrzeugtypen elektrisch angetrieben werden, gibt es natürlich entscheidende Unterschiede.

Zum einen haben E-Loks – anders als E-Autos – in der Regel keine Akkus, die den Fahrstrom speichern müssen. Das heißt, das Akku-Risiko besteht im Normalfall nicht. Dafür haben wir das (viel größere) Problem der Stromversorgungsleitungen. Da liegt noch mal ein Vieltausendfaches dessen an Spannung, was die Auto-Batterien abgeben. Wenn wir bei Autos das Risiko von Spannungsübersprüngen haben über Zentimeter-Distanzen, wenn man den Adern zu nahe kommt, besteht das Risiko, so einen Lichtbogen abzubekommen, bei Zügen über mehr als einen Meter, falls man der spannungsführenden Oberleitung zu nahe kommt.

Anders als bei einem E-Auto weißt du als Retter so immerhin, dass Du es mit einem Elektrofahrzeug zu tun hast, wenn Du an einer Einsatzstelle mit einer Oberleitung kommst. Das bedeutet zweierlei: Erstens geht kein Helfer an einen Zug heran, bei dem die Oberleitung beschädigt ist ohne dass a) die Leitung stromlos geschaltet wurde und b) die Restspannung über eine sogenannte Erdungsstange in den Boden abgeleitet wurde. Das alleine bedarf einer speziellen Schulung.

Was wünscht sich die Feuerwehr von den Autoherstellern und der Politik in Punkto Elektrofahrzeugen?

Nach ersten, schlechten Erfahrungen mit E-Autos, bei denen die Batteriezellen oder auch die spannungsführenden Leitungen bei Unfällen beschädigt wurden und es zu Stromschlägen oder besonders ausgedehnten Bränden kam, haben die Autohersteller bereits nachgerüstet.

Sie kapseln die Akkus besonders, bauen sie möglichst zentral (und damit geschützt) in die Fahrzeugmitte ein, haben die Zwangstrennung der Batterien eingeführt und ummanteln inzwischen auch die Leitungen mit besonders robustem Material; etwa Kevlar, das ja auch in schusssicheren Westen steckt. Insofern kann man sagen, dass die passive Sicherheit schon recht hoch ist.

Was wir uns dennoch noch wünschen würden, wäre eine klare Kennzeichnung der Fahrzeuge mit alternativen Antrieben – also neben Strom auch beispielsweise solche mit Gas- oder Wasserstofftanks – etwa über einen verpflichtenden Kenn-Buchstaben auf dem Nummernschild. Und dann wäre es natürlich wünschenswert, wenn möglichst jedes Fahrzeug an einer genormten Stelle ein sogenanntes Rettungsdatenblatt an Bord hätte, dem wir die spezifischen Gefahrenstellen im Fahrzeug entnehmen können – also eben Batterien aber auch die Lage der Airbags, der Sprengkapseln für die Gurtstraffer, etc. Bisher gibt es das nur auf freiwilliger Basis, wenn die Fahrzeughalter sich so etwas besorgen. Der richtige Platz dafür ist übrigens hinter der Fahrer-Sonnenblende. Da schauen wir standardmäßig nach.

Sehen Sie persönlich andere Alternativen um den Verkehr in Zukunft umweltfreundlich zu gestalten?

Grundsätzlich gilt, dass öffentliche Nah- und Fernverkehrssysteme in der Regel effizienter und damit umweltfreundlicher sind als der Individualverkehr. Andererseits wissen wir alle, dass das ÖPNV-Angebot nicht in der Lage ist, alle individuellen Verkehrsbedürfnisse zu vertretbaren Kosten zu erfüllen – und eben auch mit vertretbarer ökologischer Belastung. Es nützt ja nichts, überall auf dem Land Busse fahren zu lassen, wenn ein einzelner PKW reichte, ein paar Personen vom Dorf in die Stadt zu bringen.

E-Mobilität ist sicher eine Verkehrsform, die – wenn der Strom aus regenerativen Quellen stammt – deutlich umweltverträglicher ist als erdölbasierte Antriebe. Andererseits darf man auch nicht übersehen, dass die Arbeitsumstände, unter denen die für den Akkubau erforderlichen Rohstoffe abgebaut werden, in vielen Fällen in Drittweltländern ganz erbärmlich sind – mit immensen Belastungen für die Menschen die dort arbeiten, aber auch für die Umwelt selbst.

Wenn also der Verkehr der Zukunft umweltfreundlicher werden soll, dann muss gerade auch bei der Gewinnung der Rohstoffe noch Einiges besser werden.

Wenn wir über das Wasserstoffauto sprächen, würden sie dort ähnliche Probleme benennen?

Ich habe Wasserstoffantriebe ja schon mal kurz erwähnt. Der ist halt ein sehr reaktionsfreudiges Gas, um es mal vorsichtig auszudrücken. Das heißt, auch hier stellt uns Helfer die Vielzahl neuer, alternativer Antriebe vor zusätzliche Aufgaben.

Da fällt zwar das geschilderte Akku-Problem weg, aber dafür haben wir halt das Gas an Bord, das beispielsweise mit Sauerstoff stark reagiert. Auch wenn nicht das Risiko besteht, dass ein Wasserstoffauto so schlagartig in Brand gerät, wie etwa der Zeppelin Hindenburg damals über Lakehurst.

Trotzdem müssen wir uns auf eine andersartige Gefahr zusätzlich einstellen – und wieder müssen wir einen Fahrzeugtyp zusätzlich verlässlich identifizieren. Auch da also wäre eine eindeutige Kennzeichnung hilfreich.

Was würden Sie Elektroautofahrern raten, um ihre Sicherheit zu optimieren?

Erst mal das, was ich allen Autofahrern rate, unabhängig von der Antriebsform: Fahren sie vorsichtig – und nie schneller als der Schutzengel fliegen kann. Das minimiert zwar nicht das Risiko, dass irgendein Irrsinniger Sie von der Straße räumt. Aber zumindest Sie selbst können die Unfallrisiken deutlich senken.

Abgesehen davon sehe ich wenig spezifische Vorbeugungsmaßnahmen, mit denen sich ein E-Autofahrer vorab besonders schützen kann. Machen Sie sich schlau, wie gut der Hersteller die Akkus und Leitungen sichert, fragen sie konkret danach. Denn das Bewusstsein der (potenziellen) Käufer erhöht den Druck auf die Hersteller, das Maximum an Sicherheit zu installieren.

Und ein letztes vielleicht noch. Machen Sie sich vertraut damit, ob und wo Sie bei Ihrem E-Mobil die Batterie – etwa über einen Zentralschalter – verlässlich vom Bordnetz trennen können. Diesen Schalter gibt es bei vielen E-Autos, und mitunter kommt man als Fahrer auch gut dran. Wenn Sie dann einen Unfall haben und soweit unverletzt sind, dass Sie die Akkus noch gefahrlos trennen können, machen Sie es. Das spart uns Rettern Arbeit. Und wenn sie es nicht selbst machen können, können Sie uns zumindest das Suchen abnehmen und uns sagen, wo der Zentralschalter steckt.

Eine kleine Spitzfindigkeit zum Schluss: Ein Elektroauto hat keinen Auspuff, das müsste man doch eigentlich schnell erkennen?

JEDES Hybrid-Auto hat einen Auspuff. Und bei vielen Benzinern sieht man den Auspuff auch nicht, weil er unter der Heckschürze verdeckt ist. Das heißt, ein E-Golf und ein „normaler“ sehen sich SEHR ähnlich. Erst recht bei Dunkelheit und Regen.

Ich habe übrigens kein E auf den Nummernschild- dann sollte ich das wohl mal ändern?

Ja, dass das mit dem „E“ eine Kann-Vorgabe ist, das ist echt doof.

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1 Kommentar

  1. Theresa Bauer

    Elektroautos sind aus diversen Gründen sehr gefährlich und ich warne immer wieder vor dem hohen Unfallrisiko. Die Zahl der verunfallten Fahrer geht zwar insgesamt zurück. Trotz dieser positiven Entwicklung bleibt das Risiko, bei einem Unfall schwer verletzt oder sogar getötet zu werden, relativ hoch. Dieses Risiko ist gemäss der Beratungsstelle für Unfallverhütung (ein Merkblatt kann als PDF auf https://trovas.ch/?title=elektroauto heruntergeladen werden) nicht unbedingt auf die Batterie zurückzuführen, sondern auch beispielsweise auf die geringen, kaum wahrnehmbaren Lärm-Emissionen.

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