Vorweg: Ich mag die EU. Viele Entscheidungen finde ich sinnvoll: Zeitumstellung, Roaming, Gebührendeckel bei Kartenzahlung. Die Versicherungspflicht für E-Bikes ist es nicht.

Zum Hintergrund: Die Kommission will alle Elektrorad-Fahrer dazu zu verpflichten, ihre motorisierten Zweiräder zu versichern. Die Mitgliedsstaaten sollten ihre nationale Gesetzgebung anpassen. In Deutschland sind E-Bikes, deren Motoren höchstens auf 25 km/h beschleunigen, rechtlich als Fahrrad eingestuft. Das widerspricht einer Definition in der Wiener Straßenverkehrskonvention der Vereinten Nationen von 1968, in der allein Muskelkraft als Antrieb zählt. Nur: Wer mag vor 50 Jahren an elektrische Muskelkraft-Unterstützer gedacht haben? Eben.

E-Bikes: Ökologische Alternative zum Auto

Seien wir ehrlich: Das Auto, auch das elektrische, ist auf Kurzstrecken blödsinnig. Im Vergleich zu den 80ern haben die Fahrten zum Bäcker oder zum Kiosk auch stark abgenommen. Es braucht für 2-3 Kilometer kein Auto. Das E-Bike tritt das Erbe an.

Platzsparender, mobiler und günstiger im Unterhalt geht es kaum. Vielerorts können weder Carsharing noch der Nahverkehr mithalten. Der Siegeszug des Rads schafft Platz und ist gut für Gesundheit und Umwelt.

Das E-Bike hat erst Alte auf den Sattel gehoben, die sich beim Radeln nicht mehr abmühen mochten. Dann Pendler, die ohne Schweißflecken zur Arbeit radeln wollten. Und schließlich auch diejenigen, die am liebsten für jede Fahrt das Rad nehmen und nun noch weiter kommen als je zuvor.

Drei Gruppen, die den Verkehr da entlasten können, wo er zur Plage wird: in Innenstädten und an anderen Knotenpunkten unserer Infrastruktur.

Und warum will die Kommission jetzt ein Kennzeichen? Das Argument, dass im Un-Fall hohe Schadenssummen zusammenkommen können, zieht nur bedingt: Die meisten Deutschen sind bereits haftpflichtversichert. Und die Erkenntnis, dass sich Pedelec-Fahrer bei Unfällen schwerer verletzen als Radfahrer, fällt auch unter den Begriff „Eigenverantwortung“ – solange andere Verkehrsteilnehmer keinem höheren Risiko ausgesetzt sind, wofür es noch keine statistischen Belege gibt.

Ja, im schlimmsten Fall muss der Verursacher in die Privatinsolvenz und der Geschädigte guckt in die Röhre. Bei den aktuellen E-Bike-Preisen dürfte der Fall eher selten eintreten. Und: Die EU sieht für solche Fälle staatliche Opferfonds vor, die sicher nicht mit Milliardensummen gefüllt werden müssen. Wer die Kosten für Klimaprojekte, Fahrverbote oder Übergewicht gegenrechnet, die entstehen, wenn die E-Biker wieder Auto fahren, dürfte zu einem klaren Schluss kommen.

Versicherung für einen Zehntel-Toaster

Verstehen Sie mich nicht falsch: Es gibt Rad-Rambos, und wenn die auf einem sogenannten S-Pedelec mit fast 50 Sachen durch die Stadt heizen, dann kann man über Kennzeichen diskutieren. Aber für das elektrifizierte Rentner-Bike, das bergauf mit 200 Watt aushilft? Also der Zehntel-Leistung eines Toasters? Dafür ein Kennzeichen bestellen, warten, abholen? Und im Schritt davon noch: eine Versicherung suchen, Dokumente ausfüllen, Gebühren bezahlen? Das freut vielleicht die Versicherer, Kunden schreckt es nur ab.

Man mag der EU-Kommission nicht unterstellen, sie halte hier ein Leckerli für die Versicherungsbranche bereit – nach dem Motto „Klimapolitisch kommen wir eh nicht voran, dann werfen wir dem emissionsfreien Nahverkehr noch mal einen Stock zwischen die Speichen“. Offiziell geht es ja um eine nachvollziehbare Harmonisierung von europäischen Gesetzen. Nur halt in die falsche Richtung.

Gut, dass Initiativen wie Extra Energy dagegen angehen wollen. Die Pedelec-Lobby dürfte indes leider nur überschaubaren Einfluss ausüben können, das Mobilisierungspotenzial der Branche ist ebenfalls gering. Der unsinnige Kampf um Uralt-Diesel wird mit größeren Emotionen ausgefochten.

Schade um innovative E-Bike-Branche

Wenn eine aufwendige Versicherung nötig wird, ist das auch ein Tritt vors Schienbein der Innovatoren, die viel Zeit und Geld in den Aufbau kleiner E-Bike-Firmen gesteckt haben. In der kommenden EDISON-Ausgabe, die Ende Oktober erscheint, stellen wir Markus Riese von Riese & Müller vor, der aus seiner Garagenwerkstatt ein Fahrrad-Unternehmen mit 230 Mitarbeitern gemacht hat. Solche Anpacker wünscht sich die EU doch bei jeder Gelegenheit für unsere Binnenwirtschaft. Die können nun ihre Absatzziele für 2019 und 2020 wieder einkassieren. Und das alles nur, damit einzelne Raser nicht selbst haften müssen, sondern eine Versicherungsnehmer-Gemeinschaft?

Wenn das die verkehrspolitische Botschaft der EU ist, dann muss die Verkehrspolitik dringend auf die kommunale Ebene zurückgeführt werden. Viele Lokalpolitiker suchen ja händeringend nach alternativen Konzepten für ihre auto-überfüllten Städte. Brüssel gehört wohl nicht dazu. Aber die Kommission fährt wohl auch nicht mit dem E-Bike zur Arbeit. Sonst hätte man sich diesen kreuzdämlichen Vorschlag gespart.

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