Kaum hat der Weltklimarat seinen neuen Bericht über den Stand der Erderwärmung veröffentlicht, streicht Volkswagen die Currywurst aus dem Angebot der Kantine, in der in Wofsburg die Führungskräfte des Konzerns tafeln. Wie viel CO2 dadurch eingespart wird, teilt der Autobauer zwar nicht mit, aber die Diskussion um einen „Veggyday“ hat dadurch wieder Fahrt aufgenommen.

In Offenburg hat derweil die Aktion „Klimafasten“ begonnen. Durch den Verzicht auf klimaschädlichen Fleischkonsum und auf Autofahrten sowie die Reduzierung des Energie- und Wasserverbrauchs sollen bis zum Weltklimatag im November 923 Tonnen des Treibhausgases eingespart werden. Immerhin. Doch Sebastian Heitmann, Co-Gründer und Geschäftsführer des Berliner Climate-Tech Investors Extantia, kann über derlei Aktionismus nur müde lächeln.

Verzicht bringt zu wenig an CO2-Einsparungen

„Durch Verzicht und Umweltaktivismus“, sagt er, „sind CO2-Einsparungen in einer wirksamen Größenordnung nicht mehr möglich.“ Um der Erderwärmung die Stirn zu bieten, sollte sich die Gesellschaft schleunigst „vom Klein-Klein des CO2-Einsparens verabschieden“, von Debatten um Plastiktüten oder Currywürste und den Verzicht auf dies und das. „Politik und Gesellschaft werden die Wende beim Klimawandel nur mit bahnbrechenden Technologien erreichen, die Planet und Profit in Einklang bringen“, argumentiert der Unternehmer.

Aus dem Klimakiller CO2 wird ein Kraftstoff
Die Ineratec-Technik hat das Potenzial, den globalen CO2-Ausstoß um 230 Millionen Tonnen pro Jahr zu reduzieren. Foto: Ineratec

Zusammen mit Freunden, Klimatech-Experten und dem Umweltwissenschaftler Francesco Pomponi von der Universität Edingburgh hat Heitmann im vergangenen Jahr in Berlin Extantia aus der Taufe gehoben. Das Venture Capital-Unternehmen investiert ausschließlich in Start-ups, die das Potenzial haben, die weltweiten CO2-Emissionen um „wenigstens 100 Megatonnen“ im Jahr zu reduzieren – das entspricht etwa 14 Prozent der Treibhausgase, für die der Industriestandort Deutschland Verantwortung trägt. Klotzen statt Kleckern lautet die Devise.

325 Millionen Tonnen CO2-Ersparnis durch Geothermie

Bisher investierte Extantia in das Geothermie-Start-up GA Drilling, das Chemieunternehmen Bloom, das das Batterie-Recycling-Unternehmen Betteries sowie in Ineratec aus Karlsruhe – die Ausgründung des Karlsruhe Instituts für Technologie (KIT) baut Anlagen, die mithilfe von Kohlendioxid aus der Luft, Wasser und Ökostrom klimaneutrale synthetische Kraftstoffe, auch E-Fuels genannt, sowie synthetische Chemikalien produzieren.

Treibhausgase sind schuld am Klimawandel. Ingenieure wollen deshalb CO2 aus der Luft herausfiltern – und für die Produktion von synthetischem Sprit nutzen. Auf Island haben gerade die Bauarbeiten an einer neuen Großanlage begonnen, die auch Audi zugute kommen soll. Klima

GA Drilling aus Bratislava hat ein Bohrsystem entwickelt, um Erdwärme durch härteste Gesteinsschichten und aus bis zu zehn Kilometern Tiefe nach oben zu befördern – ohne wasserführende Schichten zu stören oder gar Erdbeben auszulösen. Allein diese Technik habe das Potenzial, die welweiten CO2-Emissionen um 2,9 Prozent zu reduzieren. 325 Millionen Tonnen CO2-Equivalent ließen sich so einsparen, haben die Experten von Extantia ausgerechnet. Das entspricht in etwa der Menge an Treibhausgasen, die 325 Millionen Autos ausstoßen.

„Wir müssen in den Manhattan-Projekt-Modus kommen“

Ein anderes „Gigacorn“-Investment mit ähnlichen CO2-Minderungs-Potenzialen ist Bloom Biorenewables. Das schweizer Unternehmen arbeitet an einer Technologie, um Erdöl in chemischen Herstellungsverfahren durch Biomasse zu ersetzen. Das Unternehmen konzentriert sich dabei auf Lignin, ein Makromolekül, das für die Verholzung pflanzlicher Zellen sorgt. Es ist jene Pflanzenfraktion, die dem Erdöl am ähnlichsten und der beste Ausgangspunkt für die Herstellung von Ersatzstoffen für fossile Brennstoffe wie Kerosin ist, sagen die Forscher.  

Bio-Kraftstoffe aus Holz-Molekülen
Die Technik hat das Potenzial, den globalen CO2-Ausstoß um 1,57 Gigatonnen pro Jahr zu reduzieren. Foto: Bloom

„Das alles sind Techniken, die zwar noch in einer frühen Entwicklungsphase stehen, aber schon über das Laborstadium hinweg sind und spätestens in zehn Jahren verfügbar sein werden“, umreißt Heitmann das Portfolio seines „CO2-Reduction-Fonds“. Die positiven Auswirkungen der Technologien auf das Weltklima dürften jedenfalls deutlich früher eintreten als die einer neuen Bahnlinie, für deren Genehmigung es in Deutschland wenigstens zehn Jahre brauche. Eine ähnliche Priorisierung der Vorhaben unter Klimaaspekten würde er sich auch von der nächsten Bundesregierung wünschen: „Scheindebatten wie über eine Wasserstoff-Wirtschaft helfen uns nicht weiter – wir müssen endlich in einen Manhattan-Projekt-Modus kommen“.

Riesige Sparpotentiale in Bau- und Landwirtschaft

Extantia Capital hält derweil nach weiteren „Gigacorns“ Ausschau – Unternehmen, die nicht nur profitabel wirtschaften, sondern auch mindestens eine Milliarde Tonnen (also eine Gigatonne) CO2 einsparen können. Im Themenfeld Landwirtschaft und Ernährung sieht Heitmann noch riesige Potenziale. Er meint dabei ganz sicher nicht die Wurstfertigung im Volkswagen-Werk, sondern die Produktion alternativer Proteinquellen: „Da steckt das meiste Geld drin“, also die größte Rendite. Ebenso wie im Baugewerbe, etwa in Alternativen zu Beton und Aluminium.

Wer sich an der Suche beteiligen – und von den Investments profitieren will: Die Mindesteinlage beträgt 200.000 Euro.

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