Viel Zeit und Geld wurde in den vergangenen Jahren in den Auf- und Ausbau einer europäischen Akku-Industrie investiert. Dabei konzentrierte sich das privatwirtschaftliche Engagement größtenteils auf die Errichtung von Produktionsanlagen. Rohstoffe, wie das für die Akkuproduktion essenzielle Lithiumhydroxid, glaubte man, problemlos auf den Weltmärkten einkaufen zu können. Nun kündigt sich ein langjähriger Lieferengpass an, der – wird nichts unternommen – der noch jungen europäischen Akku-Industrie und dem Ausbau der europäischen E-Mobilität einen schweren Schlag versetzen könnte, warnt Dirk Harbecke, der Chairman von Rock Tech Lithium. Der Deutsche hat das Explorationsunternehmen vor über zehn Jahren in Kanada gegründet, um Lithium aus Gestein statt durch Extraktion aus Salzseen zu gewinnen. Zum Topmanagement des börsennotierten Unternehmens gehört unter anderem der ehemalige Finanzvorstand von BMW und der Deutschen Bank, Stefan Krause. Ein Gastkommentar.

Gerade erst hat der deutsche Fahrzeughersteller Audi bekannt gegeben, ab 2026 nur noch Fahrzeuge mit E-Motor produzieren zu wollen. Andere Hersteller, wie Mercedes-Benz und BMW, haben angekündigt, den Anteil von E-Fahrzeugen an ihrer Gesamtproduktion bis 2030 auf mindestens 50 Prozent zu erhöhen. In Deutschland, in ganz Europa, wird derzeit fieberhaft an der Umstellung vom Verbrennungs- auf den E-Motor gearbeitet. Ein Transformationsprozess, der nur gelingen kann, wenn der Fahrzeugindustrie ausreichend Lithium-Ionen-Akkumulatoren als mobile, wiederaufladbare Speichersysteme mit hoher Energiedichte zur Verfügung stehen.

Lithium-Hydroxid ab 2023 auch aus Kanada

Der Aufbau erster europäischer Akku-Produktionsanlagen ist bereits so gut wie abgeschlossen. Hier wurde in den vergangenen Jahren kräftig investiert. Schlecht ist es dagegen nach wie vor um deren Versorgungssicherheit mit der – für eine Akkuproduktion zwingend erforderlichen – Komponente Lithiumhydroxid bestellt. Erst in jüngster Zeit hat sich in Europa die Erkenntnis durchzusetzen begonnen, dass der Aufbau eigener europäischer Zulieferketten eine zwingende Notwendigkeit darstellt.

Dirk Harbecke
Vor über zehn Jahre hat der Betriebswirt in Kanada Rock Tech Lithium gegründet. Heute ist der Chairman des börsennotierten Unternehmens.

Nun müssen rasch neue förderwürdige Vorkommen aufgespürt und europäische Konverter zur Raffination des gering konzentrierten Rohlithiums in hochkonzentriertes Lithiumhydroxid errichtet werden. Eine Pionierrolle möchten wir dabei mit unserem Unternehmen Rock Tech Lithium einnehmen. Für 2023 haben wir die Inbetriebnahme des ersten europäischen Lithium-Hydroxid-Konverters angepeilt. Das Rohlithium stammt aus einer dem Unternehmen gehörenden kanadischen Mine. 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid wird der Konverter pro Jahr raffinieren können – genug für eine halbe Million europäische Autobatterien. Jedoch nicht annähernd genug für die sieben bis acht Millionen E-Autos, welche die Europäische Kommission ab 2025 jährlich in Europa vom Band rollen sehen will.

Europa drohen schon im Herbst Versorgungsengpässe

Die abbauwürdigen europäischen Vorkommen an Rohlithium reichen bei weitem nicht aus, um den Eigenbedarf der heimischen E-Autoindustrie zu decken. Ganz zu schweigen vom Mangel an Konvertern. Derzeit importiert Europa den Großteil seines Lithium-Hydroxid-Bedarfs – 80 Prozent – aus der Volksrepublik China. Den Weltmarkt für Rohlithium haben die dortigen Konverter-Gesellschaften schon vor Jahren praktisch an sich gezogen. Chinesische Akku-Hersteller haben sogar begonnen, in Europa eigene Produktionsstätten zu errichten. Mittlerweile dominieren sie den europäischen Akku-Markt. Nicht zuletzt dank ihrer Liefersicherheit. Ihre noch junge europäische Konkurrenz droht da ins Hintertreffen, die europäische Automobilindustrie gar in eine gefährliche Abhängigkeit zu geraten. Mit ersten Versorgungsengpässen haben beide Industrien bereits für das 3. Quartal 2021 zu rechnen.

2021-2035 – die kritischen Jahre

Laut einer zu Beginn dieses Jahres erschienen Studie von Roland Berger und der RWTH Aachen dürfte es der Akku-Industrie in Europa bis 2025 gelingen, ihren Anteil am Weltmarkt auf 15 Prozent auszubauen. Doch dürften von diesem Anstieg nur 4 Prozent auf europäische, 11 Prozent aber auf in Europa errichtete asiatische – vornehmlich chinesische – Produktionsstätten entfallen. Europäischen Herstellern wird es – bei der immer angespannteren Lage auf den Weltmärkten – zunehmend schwerfallen, ihren Lithium-Hydroxid-Bedarf zu decken.

Die Nachfrage nach den Akku-Bestandteilen Lithium und Kobalt ist wegen der wachsenden Elektromobilität stark gestiegen – das könnte vorübergehend für Engpässe sorgen. Rohstoffe

Offizielle Berechnungen gehen davon aus, dass der hiesige Verbrauch bis 2030 um das 18-fache, bis 2050 sogar um das 60-fache zunehmen wird. Solch große zusätzliche Liefermengen werden sich nicht einfach auf den Weltmärkten einkaufen lassen. Schließlich haben auch andere Staaten E-Autoindustrien, muss auch andernorts mit einem rapiden Anstieg des Verbrauchs gerechnet werden. Eine größere Entspannung der Weltmärkte dürfte erst der Auf- und Ausbau von Lithium-Recycling bringen. Doch ist mit der Einführung praktikabler Wiederverwertungs-Verfahren nicht vor 2035 zu rechnen.

Europas Autoindustrie droht Abhängigkeit

Kurz- und mittelfristig werden deshalb die Erschließung und der Abbau bislang unbekannter Vorkommen sowie der Aufbau einer europäischen Raffinations-Infrastruktur den einzig praktikablen Ausweg bilden. Die Europäische Kommission wird unterstützend wirken können und müssen. Letztlich wird es aber an der Privatwirtschaft, an der europäischen Akku- und E-Automobilindustrie, liegen, ob sichere Lieferketten errichtet, ob die wachsende chinesische Umklammerung gelockert oder sogar ganz gelöst werden kann. Massive Investitionen werden hierzu erforderlich sein: in europäische Rohlithium-Abbau- und Konverter-Projekte. Doch ist bei E-Autos der Akku nun einmal auch für 40 Prozent der Wertschöpfung verantwortlich. Der Einsatz würde sich also lohnen – nicht zuletzt auch in finanzieller Hinsicht.

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