Die Erde hat ihre Belastungsgrenzen, das wird uns angesichts der Klimakrise, des zunehmenden Artensterbens und der Vermüllung der Ozeane (und sogar des Weltraums) als Konsequenz menschlicher Aktivität zunehmend bewusst. Als mögliche Antwort darauf propagieren Regierungen und Institutionen weltweit das Konzept der Kreislauf-wirtschaft. So sollen durch Schließen der Materialkreisläufe die mit der Rohstoffgewinnung einhergehenden Umweltauswirkungen vermieden und das Müllproblem gelöst werden.

Im Hinblick auf eine nachhaltige Gesellschaft genügt dieser Ansatz für sich allein jedoch nicht. Denn er lässt die Frage offen, wie viel und wie schnell Materialien im Kreis geführt werden – und mit welcher Energien diese Kreisläufe betrieben werden. Denn in einer wirklich nachhaltigen Gesellschaft müssen nicht nur die Materialflüsse, sondern auch sowohl die Energieströme innerhalb der Grenzen bleiben, die unser Heimatplanet uns setzt.

Energie für den „Betrieb“ der Erde

Eine zentrale Frage lautet demzufolge: Stehen global genügend erneuerbare Energien für die nachhaltige Gestaltung der Materialflüsse in unserer Gesellschaft zur Verfügung, ohne die planetaren Grenzen zu „sprengen“? Dieser Frage geht an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) ein Team aus der Abteilung «Technologie und Gesellschaft» nach.

Betrachten wir den Planet Erde als System, tauscht dieser mit seiner Umgebung lediglich Energie aus. Der weitaus größte Teil der ins System eingebrachten Energie ist Sonnenstrahlung, ergänzt durch geringfügige Anteile an planetarer Bewegungsenergie und Erdwärme. Diese Energieströme wurden schon immer restlos von der Erde selbst genutzt. Ihre vielen Teilsysteme wie die Ozeane, die Atmosphäre und Wälder, aber auch reflektierende Eisflächen wurden damit gewissermaßen „in Betrieb gehalten“.

Offshore-Windpark vor düsterem Himmel
Windmühlen so weit das Auge reicht
Wenn die Menschheit zunehmend Anteile der erneuerbaren Energieströme für ihre Aktivitäten abzweigt, reduzieren sich die dem Erdsystem zur Verfügung stehenden Anteile. Foto: Christiano Firmani

Die meisten dieser Teilsysteme wandeln die eintretende Energie in weitere erneuerbare Energieströme um, zum Beispiel Wind- und Wasser-strömungen oder Biomasseproduktion. Dabei wird den eintretenden Energieströmen freie Energie, die sogenannte Exergie, entzogen. Unabhängig von der Nutzung, ob im natürlichen Erdsystem oder der von Menschen erschaffenen Technosphäre, wird die gesamte Energie letztlich wieder ins All abgestrahlt.

Auch Solarparks verändern das Klima

Wenn die Menschheit zunehmend Anteile der erneuerbaren Energieströme für ihre Aktivitäten abzweigt, reduzieren sich die dem Erdsystem zur Verfügung stehenden Anteile. Solche Störungen kann das Erdsystem bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Sind sie jedoch zu groß, steigt das Risiko, dass sogenannte Kipp-Punkte überschritten werden. Schnelle und irreversible Veränderungen im Erdsystem wären die Folge: etwa das Abschmelzen der Polkappen, welches wiederum den Klimawandel beschleunigt. Um diese Kipp-Punkte nicht zu überschreiten, darf die Größe der genutzten Landfläche nicht über der planetaren Belastungsgrenze liegen. Es ist aber auch entscheidend, auf welche Weise die Fläche genutzt wird: Solaranlagen anstelle von Wäldern etwa stören die Biodiversität, die Verdunstung und damit den Wasserkreislauf, die Rückstrahlung von Wärme ins All und vieles mehr.

Die gleichen Obergrenzen wie für die solare Nutzung gelten auch für die Ernte der sogenannten chemischen Energie – also für die Land- und Forstwirtschaft, die Nahrungs- und Futtermittel, Heizmaterial, Treibstoffe sowie Baumaterialien produziert. Denn die Erzeugung technischer Energie steht auf vielen Flächen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung.

Elektrische Energie als Universalwährung

Um die verschiedenen Potenziale an erneuerbarer Energie vergleichen bzw. summieren zu können, haben sie die Empa-Forscher in elektrische Energieäquivalente umgerechnet. Dazu werden in den Berechnungen die Wirkungsgrade heute verfügbarer Kraftwerkstechnik verwendet. Es macht einen Unterschied, ob Elektrizität aus Solarenergie, aus Holz oder aus Wasserkraft erzeugt wird. Diese Umwandlungsverluste schmälern die mögliche Ernte einiger Potenziale nochmals erheblich.

«Auch Windkraft, Wasserkraft und Biomasse-Produktion werden von der Sonne angetrieben – doch dabei entstehen Verluste. Besser ist es, Energie direkt zu ernten: mit Photovoltaik.»

Das Ergebnis der Studie überrascht: 99.96 Prozent der aus dem All auf die Erde eintreffende Energie werden für den Antrieb des Erdsystems und der Nahrungsmittelproduktion benötigt, daher können bloß 0.04 Prozent technisch genutzt werden. Dennoch liegt dieses Potenzial immer noch etwa um das Zehnfache über dem heutigen globalen Energiebedarf.

Das Ergebnis aus der Betrachtung der Umwandlungsverluste ist wenig überraschend: Wir sollten die verfügbare Energie bevorzugt mittels Solarzellen ernten und nutzen. Denn fast alle erneuerbaren Energie-Ressourcen – auch Wind- und Wasserkraft und die Biomasseproduktion – werden letztlich von der Sonne angetrieben. Eine direkte Nutzung der Sonnenenergie bedeutet weniger Umwandlungsschritte und dadurch weniger Verluste.

Photovoltaik auf alle leeren Flächen

Ein Großteil der Sonnenenergie ließe sich auf einem kleinen Teil der Wüstenflächen der Erde ernten, was jedoch technisch und logistisch aufwändig ist. Das Forschungsteam der Abteilung «Technologie und Gesellschaft» betrachtet daher auf Wüstenflächen geerntete Sonnenergie als eine globale Energiereserve für den Fall, dass alle anderen Erntemöglichkeiten ausgeschöpft sind.

Als Konsequenz daraus sollten wir weltweit damit beginnen, alle bereits versiegelten Oberflächen, z.B. Gebäudedächer und Fassaden, aber auch Straßen, Schienenwege und Parkplätze zu nutzen. Diese Fläche würde ausreichen, um eine globale 2000-Watt-Gesellschaft zu versorgen.

Wüstenregionen als Reserve

Möchte man jedoch den weltweiten Energiebedarf auf das Niveau einer Industriegesellschaft anheben, so müssten auch Wüstenflächen mitgenutzt werden. Alle weiteren Energiepotentiale (z.B. aus Wind oder Biomasse) sind um Größenordnungen kleiner als die direkte Nutzung der Sonnenenergie – und sie sind zum Teil bereits heute übernutzt. Trotzdem können sie lokal eine bedeutende Rolle spielen. Insbesondere auch, weil sie den Bedarf an Speicherkapazitäten verringern können – eine Problematik, die in der Studie nicht berücksichtigt wurde.

Sonnenbetriebenes Kraftwerk
Landflächen, Ozeane und die Erdatmosphäre absorbieren pro Sekunde durchschnittlich 240 Watt Sonnenkraft pro Quadratmeter. Mit der Energie wird nicht nur die Photosynthese der Pflanzen betrieben. Sie wärmt auch das Erdsystem und lässt Wasser verdunsten. Foto: Nasa.

Also einfach massenweise Solaranlagen bauen, und das Energieproblem ist gelöst? Ganz so einfach ist das natürlich nicht. In ihrer Studie hat das Empa-Team nur den ersten Schritt betrachtet – die Berechnung des verfügbaren Energiepotentials. Die tatsächliche verfügbare Menge an Energie wird kleiner sein. Limitierende Faktoren sind etwa die Verfügbarkeit von Rohstoffen, aber auch Finanzkapital und Arbeitskraft, die Umweltauswirkungen bei der Rohstoffgewinnung oder der Produktion, auch bei Betrieb und Entsorgung der Anlagen. Hinzu kommt der Bedarf an zusätzlicher Infrastruktur für die Energieverteilung und -speicherung.

Aktuell geht das Forschungsteam der Frage nach, wie ein solcher Weg von der fossilen hin zur solaren Gesellschaft aussehen könnte. Denn das solare Energiesystem muss nicht nur groß genug sein, um den globalen Bedarf decken zu können, sondern auch rasch genug das fossile System ersetzen können, um die Klimakatastrophe noch rechtzeitig abzuwenden.

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3 Kommentare

  1. Woeufu

    Watt pro Sekunde?
    Lieber Sonne als Wind wegen Umwandlungsverlust von Sonne in Wind?
    Alles sehr schräg.

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  2. libertador

    Ich habe die direkte Publikation leider nicht gefunden, aber ein Satz hat mich doch etwas stutzig gemacht:

    „Eine direkte Nutzung der Sonnenenergie bedeutet weniger Umwandlungsschritte und dadurch weniger Verluste.“

    Mir ist nicht ganz klar, ob diese Betrachtung etwa für die Windenergie angemessen ist. Die nicht genutzte Energie bei Windkraftwerken verbleibt ja im Erdsystem und geht nicht irgendwohin verloren. Warum sollte die direkte Nutzung dann besser sein?

    Daneben ist ja genau das Problem des Klimawandels, dass zu wenig Energie dem Erdsystem verloren geht, sondern mehr kumuliert wird, weswegen zum Beispiel PV auf Wüstenflächen nicht unbedingt ideal ist, weil ansonsten ein guter Teil der Energie direkt ins All zurückgeworfen würde, anders als wenn eigentlich dunkle Flächen mit PV bedeckt werden. So ganz bin ich aus der Zusammenfassung hier nicht schlau geworden.

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    • Michael Händel

      Meiner Meinung nach haben Sie völlig Recht.
      Der offensichtliche Fehler in obiger Betrachtung ist, dass man die Relation „Energiemenge pro Zeiteinheit“ (welche durch den Menschen umgesetzt wird), nahezu vernachlässigt. Gepaart mit der Unterschätzung des Wachstums des Energieverbrauchs führt das leider nicht wirklich zum Hauptproblem – der eigentlichen Ursache des Klimawandels…

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