Richtig rührend wie Tesla um uns besorgt ist. Terminbestätigung, erste Erinnerung, zweite Erinnerung. „Treffen Sie bitte 15 Minuten vor Ihrem vereinbarten Termin ein.“ Warum? Keine Ahnung, zumal wir ja auch schon die zehn „Einführungsvideos“ mit Mail Nummer drei bekommen hatten. Verbunden mit dem diskreten Hinweis, dass bei allen Probefahrten ein Tesla-Angestellter mit dabei ist. Richtig, man weiß ja nie, was eine dumme Nuss von Verbrennerauto-Kunde mit einem vollelektrischen Tesla so alles anstellt.
Ein wenig gekichert haben wir allerdings über den vorletzten Satz: „Sie können bis zu drei Gäste mitbringen, welche während der Fahrt auf dem Rücksitz sitzen.“ Damit die auch keine Dummheiten machen, oder warum? Okay, wir sind jetzt mal ganz verständnisvoll: Menschen wir wir, die noch aus dem analogen Automobilzeitalter kommen, muss man auf dem Weg in die Zukunft schön sortieren und an die Hand nehmen.
Wir werden auch nett begrüßt, als wir uns in der kleinen Tesla-Dependance am Rande einer sehr großen deutschen Stadt als Probefahrer zu erkennen geben. Natürlich könnte uns einer der drei aufgekratzten jungen Tesla-Mitarbeiter einen Espresso aus dem gut sichtbar platzierten kleinen Automaten im Showroom anbieten. Quasi zur Einstimmung. Kriegen wir leider nicht, direkt fragen wollen wir vor lauter Höflichkeit auch nicht. Wir haben ja noch nichts gekauft, und Tesla-Chef Elon Musk muss ständig irgendwo sparen, wie man weiß.
Dafür gibt es jetzt ein aufregendes Angebot: „Welche Farbe hätten Sie denn gern für die Probefahrt? Schwarz oder Blau?“ Als alte Sparfüchse wählen wir natürlich Schwarz, denn diese coole Tönung ist beim Modell 3 immer kostenlos. Schon für das Deep Blue Metallic will Tesla nämlich 1600 Euro extra. Und unsere Lieblingsfarbe Red Multi-Coat, also Rotmetallic, ist hier eh gerade nicht verfügbar. Kostet im Ernstfall 2600 Euro extra, nur dass Sie Bescheid wissen. Doch, wirklich.
Flach, tief, sauschnell
Apropos verfügbar. Zu probieren ist heute die wilde Performance-Version des Amis. Sie wissen schon: Mit 487 Elektro-PS (politisch korrekt: 358 Kilowatt) aus zwei E-Motoren und elektronisch gesteuertem Allradantrieb. Tiefergelegt. Brachiale 20-Zoll-Latschen. Von Null bis Hundert in Nullkommanichts, offiziell in 3,5 Sekunden. Reißt bei Bedarf Tempo 260 und soll mit einer Batterieladung bis zu 530 Kilometer weit kommen. Das schaffen wir heute nicht, zumal wir ein wenig aufpassen müssen: Im Falle eines Unfalls drohen 2000 Euro Selbstbeteiligung, haben wir brav abgenickt und unterschrieben.
Also rein ins Vergnügen. Nur wie? Aha, dieses etwas labbrige Kunststoffkärtchen ist nicht die Visitenkarte des Verkäufers, sondern der Türöffner. Oben gegen die Mittelsäule halten, und dann dürfen wir die schick bündig versenkten Türgriffe herausfummeln. Immer erst den Daumen auf die größere Fläche. Naja. Der richtige Besitzer erledigt das natürlich eleganter per Smartphone.
Gut, nun das Kärtchen zum Starten noch mal kurz auf die Mittelkonsole halten. Dann kann es endlich losgehen, signalisiert uns die Anzeige des riesigen 15-Zoll-Touchscreens, dessen Design auf uns einen etwas uncoolen Eindruck macht. Für Ältere dürfte hier definitiv eine Lesebrille ins Spiel kommen. Funktioniert aber alles super – wenn man denn erst einmal kapiert hat, dass man sogar zum Öffnen des Handschuhfachs ins Computermenü muss.
Entführ-Frunk für Kleine
Nun aber los? Langsam, erst mal Lenkrad und Außenspiegel einstellen. Nein, auch dafür gibt es keine praktischen Knöpfe und Hebel – dort, wo man sie erwartet. Also husch, wieder ab ins Screen-Menü und dann jeweils ein bisschen an den beiden fipsigen Dreh-Drück-Rädchen auf dem Lenkrad arbeiten. Keine Angst, das lässt sich natürlich später im eigenen Auto für uns speichern.
Wir sitzen übrigens ziemlich flach, fällt mir da auf, fast wie in einem Sportwagen. Und hinter uns ist alles frei – die Freunde wollten nicht mit zur Probefahrt. Ist ja auch nicht so üppig mit der Kopf- und Kniefreiheit in der zweiten Sitzreihe, bequem ist anders. Angenehm bis vielleicht 1,80 Körpergröße. Und die zwei Kofferräume – einer vorn, einer hinten – sind für ein 4,69 Meter langes Auto auch keine Platzwunder mit addierten 425 Liter Ladevolumen. Der kleine vordere lässt sich sogar von innen öffnen, falls Sie da irgendwie reinpassen und mal entführt werden sollten.
Sonnenschutzfaktor Null
Oh, die Sonne kommt raus, da hätten wir das große Glasdach über uns jetzt gern geöffnet. Geht aber nicht und irgendeine Art von Jalousie zum Abdunkeln gibt es auch nicht. Unsere Betreuerin lächelt beruhigend und erwähnt schnell die dort oben grandios tätige UV- und Infrarot-Schutzschicht. Und die so schön sichtbaren Wolkenformationen am Himmel. Hä, und im Hochsommer? Wird doch immer heißer bei uns. Ein Sonnenbrillen-Dach gegen Hitze?! Nee, das wollen wir jetzt nicht glauben. So sind wir von Audi, BMW und Mercedes verwöhnten deutschen Meckerpötte eben. Keinen Sinn für azurblaues Glück.
Lieber losfahren. Das geht ja ziemlich geschmeidig, finden wir. Und obwohl wir so einiges gewöhnt sind, kriegen wir einen ziemlichen Schreck beim vollen Durchdrücken des Fahrpedals. Mein lieber Herr Gesangsverein, solche Schläge haut einem nicht mal ein Porsche Turbo ins Kreuz. Programmierter Ampelsieger, das macht Spaß, Freunde! Das müssen wir gleich noch mal probieren. Neuer Nebenmann – und noch einmal.
Als beim vierten Mal unsere Nackenmuskeln verspannen, fällt uns der alte Kalauer ein: Sex macht Spaß, aber wer kann immerzu Spaß ertragen. Okay, also lieber Cruisen und dazu im Menü „Driving“ einfach den entspannten „Chill“-Modus wählen. Macht schön locker.
Allerdings spüren wir dummerweise schon bei Tempo 80, dass hier der Wind verdammt vorlaut rauscht. Überhaupt scheinen die Jungs in Kalifornien bei der Dämmung etwas gespart zu haben. Stichwort Abrollgeräusche und so. Und auch mit dem hoch gepriesenen Autopiloten des Tesla ist es so eine Sache. Kann geradeaus und die meisten Kurven, auch Überholen. Aber die Hände müssen immer wieder ans Lenkrad, damit Kollege Computer weiterspielt. Bis zum Jahresende soll seine neueste Software auch auf Ampelfarben reagieren und innerorts automatisch fahren, erfahren wir vom amtlich bestellten Beifahrer. Gegen dann 5200 Euro Aufpreis, bei nachträglicher Bestellung werden für dieses Update 7300 Euro fällig. 7300 Euro? Doch, im Ernst.
Unterwegs im Flatulenz-Modus
Und sonst? Vielleicht haben wir heute unseren sensiblen Tag, aber das Tesla-Ding federt, nun ja, bretthart, melden die Bandscheiben. Zumal wir gerade am Stadtrand auf eigene Gefahr eine Kopfsteinpflaster-Dorfstraße gesucht, gefunden und getestet haben. Es rappelt heftig. Klar, dabei spielen neben der straffen Abstimmung auch die 20 Zoll großen Niederquerschnittsreifen der Performance-Version eine brutale Rolle. Merke: Für die Familie lieber die Langstreckenversion des Model 3 wählen mit den elastischeren 18- oder 19-Zoll-Rädern.
Ihre Lieben können Sie dafür garantiert mit den gefühlt eine Million Möglichkeiten der Elektronik anfixen. Der Tesla kann jetzt nämlich auch furzen, und wem das zu albern ist, für den gibt es neben dem Flatulenz-Menü auch einen Kaminfeuer-Modus. Der zaubert ein knisterndes Feuer auf den Bildschirm, setzt die Temperatur hoch und spielt dazu romantische Weisen. Ein weiterer Modus kann demnächst sogar auf Ihren Hund aufpassen und Alarm schlagen, wenn es für den Kläffer drinnen zu heiß wird. So, nun ist ihre private Truppe weichgeklopft, und Sie können zart erwähnen, das dieses Auto mit allem schicken Pipapo so ab rund 60.000 Euro zu haben ist.
Fast vergessen: Beim Aussteigen haben wir beinahe unsere Kaution riskiert. Aus Versehen nicht den kleinen, feinen Taster gedrückt, sondern flugs, typisch dummer Petrolhead, zum davor liegenden, viel solideren Hebel gegriffen. „Nicht dran ziehen!“, rief unsere Begleiterin aufgeregt. Das sei doch der Notöffner, und da könne dann womöglich die Seitenscheibe herausfallen. Schwamm drüber, wir verraten es nicht.