Ab dem kommenden Jahr müssen europaweit alle neuen Automodelle mit einem automatischen Notrufsystem ausgestattet sein, dem eCall. Das ist gut: Retter kommen früher an die Unfallstelle, Verletzten wird schneller geholfen, mehr Unfallopfern als heute kann das Leben gerettet werden. Doch mit dem eCall passiert noch etwas anderes. Weil das System über eine Internetverbindung funktioniert, sind die Autos künftig automatisch vernetzt und ähneln damit rollenden Smartphones, die permanent Daten senden und empfangen können.

Wahlfreiheit für Verbraucher statt Datenmonopol für Autohersteller

Diese neuen Daten haben das Potenzial, Auto- und Mitfahrern mehr und bessere Dienstleistungen zu bescheren: Schnellere Pannenhilfe, der Weg zur günstigsten Tankstelle oder ein direktes Feedback zum Fahrstil sind nur einige der naheliegenden Ideen. Auch die Versicherer können und wollen ihren Kunden im Auto neue Angebote machen. Der Fantasie und dem Unternehmergeist sind keine Grenzen gesetzt – zumindest dann nicht, wenn wir solche Grenzen nicht künstlich schaffen.

Damit solche Grenzen gar nicht erst entstehen, müssen wir so schnell wie möglich die Frage klären, wer über die neuen Daten aus vernetzten Autos eigentlich verfügen darf. Die Haltung der deutschen Kfz-Versicherer ist klar: Die Daten gehören nicht den Automobilherstellern, sondern in die Hände der Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie müssen die maximale Kontrolle über die Daten haben und sollten frei entscheiden können, ob, wann und wem sie welche Daten senden oder von wem sie wann welche Dienstleistung erhalten möchten.

Denn wie sähe die Alternative aus? Ohne diese volle Wahlfreiheit und Datensouveränität hätten die Autobauer alleinigen Zugang zu den Daten. Sie könnten den gerade entstehenden Markt abschotten, andere Anbieter ausschließen und hohe Monopolgewinne einstreichen – zum Nachteil der Autofahrer, die ein beschränkteres Angebot zu einem höheren Preis bekämen. Übertragen auf die Smartphones wäre es so, als könnte der Besitzer auf ihnen nur die Apps derjenigen Firma nutzen, die das Smartphone gebaut hat. Eine absurde Vorstellung angesichts der über drei Millionen Apps, unter denen etwa Nutzer des Android-Betriebssystems auswählen können. Erst diese nützlichen Apps und die Kreativität ihrer Entwickler machen Smartphones wirklich smart – und würden aus einem vernetzten Auto ein echtes „smart car“ machen.

Wir brauchen eine herstellerunabhängige Plattform für vernetzte Autos

Mein Appell an die EU-Kommission und an die Bundesregierung lautet: Verhindert das Datenmonopol auf der Straße. Ähnlich wie bei Smartphones müssen wir auch bei vernetzten Autos den Wettbewerb um die beste Idee, die beste Dienstleistung zulassen. Die ideale technische Lösung dafür ist eine herstellerunabhängige Plattform in den vernetzten Autos, die den Datenaustausch standardisiert, sicher macht und für alle Anbieter zugänglich ist. Dafür setzen sich die deutschen Kfz-Versicherer ein und haben jüngst aus berufenem Mund Unterstützung erhalten: Eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie kommt zum Ergebnis, dass die geforderte „On-board Application Platform“ tatsächlich die beste Lösung ist – weil sie den Autofahrern die Hoheit über ihre Daten zuweist, den Wettbewerb sicherstellt und eine marktbeherrschende Stellung der Autohersteller verhindert.

Der Gesetzgeber sollte deshalb zügig die richtigen Rahmenbedingungen für eine solche Plattform schaffen – denn beim Entstehen neuer Monopole tatenlos zuzuschauen, wäre alles andere als smart.

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