Die Anzahl der Ladesäulen in Deutschland nimmt zu. Doch ein intelligenter Lademarkt dürfe sich nicht mehr auf das bloße Zählen von Ladepunkten beschränken, meint Sören Ziems, Chief Product Officer und Managing Director des Ladedienstleisters Elvah, der seit 2023 zur E.On Group gehört. Es brauche dynamische Ladetarife. Ein Gastkommentar.

Die Elektromobilität ist längst Realität: Über 145.000 öffentliche Ladepunkte verbrauchten im ersten Halbjahr 2024 bei 21 Millionen Ladevorgängen rund 500 GWh Energie. Das klingt nach Fortschritt, oder?

Doch Zahlen allein erzählen nicht die ganze Geschichte. Sie verschleiern oft die wahren Herausforderungen des Marktes: Wo bleibt die Effizienz? Die Fairness? Und warum reden wir nicht über die echte Nachfrage? Ein intelligenter Lademarkt darf sich nicht länger auf das bloße Zählen von Ladepunkten beschränken. Stattdessen müssen wir den Markt verstehen, lenken und gestalten. Dynamische Preise können genau das leisten – wenn wir den Mut haben, sie richtig einzusetzen.

Ein Markt in Bewegung – aber ohne Steuerung

Die Wahrheit ist: Wir stecken in einem starren System. Preise sind unflexibel, intransparent und oft unfair – zum Nachteil von Verbrauchern und Betreibern, die ihre Infrastruktur kaum effizient nutzen können. Wie soll die Mobilitätswende gelingen, wenn überholte Marktstrukturen sie ausbremsen?

Sören Ziehms 
Der Betriebswirt war 2020 Co-Gründer des Daten-Dienstleisters Elvah, der seit 2023 ein Tochterunternehmen von E.On ist. Zuvor war er für ProSiebenSat.1 tätig, wo er maßgeblich am Aufbau der Website MyVideo beteiligt war. Er ist Fan der E-Mobilität. Foto: Elvah
Sören Ziehms
Der Betriebswirt war 2020 Co-Gründer des Daten-Dienstleisters Elvah, der seit 2023 ein Tochterunternehmen von E.On ist. Zuvor war er für ProSiebenSat.1 tätig, wo er maßgeblich am Aufbau der Website MyVideo beteiligt war. Er ist Fan der E-Mobilität. Foto: Elvah

Ein Blick auf die Zahlen zeigt das Potenzial: Mehr als 60 Prozent des Stroms in Deutschland stammen aus erneuerbaren Energien, viele Betreiber setzen sogar vollständig auf grünen Strom. Doch die Verbraucher spüren davon wenig – sie zahlen weiterhin hohe Preise. Auch in Zeiten, in denen die Energie eigentlich günstig verfügbar ist. Das ist nicht nur eine verpasste Chance, sondern ein deutliches Warnsignal: Ohne Flexibilität werden wir die Herausforderungen der Elektromobilität nicht bewältigen.

Ein neues Level für den Wettbewerb

Dynamische Preise sind keine technische Spielerei – sie sind die Grundlage für einen echten Wettbewerb und ein effizientes System. Wenn Ladepreise sich an Echtzeitfaktoren wie Energieverfügbarkeit, Netzkapazitäten und Nachfrage anpassen, profitieren alle Beteiligten. Verbraucher können günstiger laden, wenn die Nachfrage gering oder die Verfügbarkeit erneuerbarer Energie hoch ist. Betreiber hingegen können ihre Infrastruktur optimal auslasten und ihre Wirtschaftlichkeit steigern. Wir brauchen klare Regeln.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Dynamische Preise sind nur dann sinnvoll, wenn Verbraucher sie verstehen. Transparenz ist entscheidend: Apps, Webseiten oder Anzeigen an der Ladesäule sollten in Echtzeit erklären, warum Preise gerade steigen oder fallen – etwa wegen Netzengpässen, hoher Nachfrage oder günstiger Energie. Nur so entsteht Vertrauen.

Ein Markt, der sich entwickeln muss

Kritiker fürchten durch einen flexiblen, wettbewerbsorientierten Markt regionale Ungleichheiten, vor allem in ländlichen Gebieten mit wenigen E-Fahrzeugen. Diese Sorge ist berechtigt, aber lösbar: Staatliche Förderprogramme, mobile Ladepunkte oder die Integration in bestehende Standorte garantieren eine Grundversorgung. Nicht jeder Standort muss rund um die Uhr ausgelastet sein. Mit Daten und durchdachter Planung entsteht eine Infrastruktur, die sowohl Wachstum als auch Effizienz vereint.

Die Elektromobilität wächst – und mit ihr die Verantwortung, den Markt aktiv zu gestalten. Dynamische Preise sind ein zentraler Baustein auf diesem Weg. Sie fördern den Wettbewerb, schaffen Transparenz und ermöglichen eine effiziente Nutzung der Infrastruktur. Doch sie sind keine Selbstläufer. Politik, Betreiber und Verbraucher müssen gemeinsam daran arbeiten, diesen Markt fair und zukunftsfähig zu machen.

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