Ich sitze in der Bahn nach Halle, während ich diese Zeilen schreibe. Mein Zoe hat dieses Wochenende frei und lädt auch nicht. Stattdessen bin ich zu Fuß zum Bahnhof gegangen. Das ist deutlich langsamer – aber das stört mich nicht. Wer ein E-Auto fährt, bekommt zur Langsamkeit nämlich ein anderes Verhältnis.
Auf meine persönliche Energiewende habe ich mich lange vorbereitet. Ich liebe Geschwindigkeit und habe bei meinem Vorgängeraudi die 200 km/h gerne und öfter voll ausgereizt. Mit einem Jugendfreund bin ich sogar mal mit 300 Sachen über die A3 gerast. Das sind aufregende Erlebnisse. Auch auf dem Jahrmarkt liebe ich die schnellen Fahrgeschäfte.
Nun freue ich mich eher über die Ringe, die auf meinem Armaturenbrett aufleuchten, wenn meine Batterie im Rollen lädt. Wenn ich eine rote Ampel sehe, nehme ich sofort den Fuß vom Gas und genieße, dass ich so Reichweite tanke. Jede Geschwindigkeitsbeschränkung befolge ich sofort, denn da gibt‘s haufenweise Ladungsringe zur Belohnung.
Ich bin unter die Reichweitenjäger gegangen. Und ich tue nicht nur so, ich freue mich wirklich darüber.
Im Vorfeld aber, habe ich durch Zen Meditation die Langsamkeit als Wert entdeckt. Nach dem Motto: „Wir können unser Leben nicht verlängern, nur vertiefen“. Zeit will gestaltet werden. Das habe ich beim Anstehen an der Kasse geübt. Eine wunderbare Meditationsübung. Ich weigere mich, mich über die aufgezwungene Pause zu ärgern, ich genieße sie und lasse noch zwei Eilige vor.
Der „eigene“ Akku
Jetzt kann ich die Ladezeit meines Akkus sinnbildlich für meine eigenen Ressourcen nehmen. Auch ich kann jetzt nicht mehr von Termin zu Termin hetzen, mein Akku muss erst laden.
Wenn ich langsam auf der Autobahn fahre, tue ich das mit neuem Selbstbewusstsein: Ich fahre ein Elektroauto. Ihr könnt anders entscheiden – ich mache das jetzt so. Und man kann auch genießen, überholt zu werden – in dem Sinne: Ihr pressiert, ich habe Zeit.
Nicht gerade alle Zeit der Welt, aber genug. Zeit, mein Ziel erst mit 110 km/h zu erreichen, oder auch mit 95 km/h im ECO Modus. Ich setze mich genüsslich vor einen LKW und rolle ins Ziel. Dabei genieße ich die rasante Beschleunigung des Zoe, der sanft und satt von 96 auf 130 wechselt und wenn ich ihn dann wieder auf 110 herunterrollen lasse einen Teil der Energie wieder rekuperiert.
Langsamer für die Umwelt
Als Familientaxi meiner drei Kinder sage ich jetzt öfter: Lauf zu Fuß! Oder: Nimm den Zug.
Auch Fahrten für Bekannte kann ich freundlich ablehnen – das macht mein Akku nicht mit. Lustigerweise gewinne ich durch diese Verlangsamung tatsächlich Zeit und vor allem: Gelassenheit. Wenn Sachen nicht schnell gehen, muss ich mich auch nicht dauernd beeilen und komme zur Ruhe.
Und zum Konzert einer Freundin in Halle nehme ich eben den Zug. Da kann ich von Anfang an bloggen.
Dass meine Langsamkeit der Umwelt zu Gute kommt, freut mich natürlich, schließlich habe ich ja als Mutter auch nachfolgende Generationen im Blick. Aber ich tue das nicht verbissen. Ich habe Spaß dabei. Ehrlich!