In einer Ingolstädter Werkstatt parkt eine Vision, die förmlich schon auf den ersten Blick Leistung atmet. Am Bug des schnittigen Sportwagens prangen allerdings nicht vier Ringe, sondern die Initialen des Schöpfers: RG wie Roland Gumpert. Und auch der drahtige, braungebrannte Mann hinter dem Lenkrad des mattgrauen Autos sprüht nur so vor Energie. „Nathalie“ ist der ganze Stolz des 77-jährigen Ingenieurs. Denn unter der Haut des nach seiner ältesten Tochter benannten „Zaubermobils“ steckt ein innovatives Antriebskonzept, das die Nachteile batterieelektrischer Antriebe – relativ kurze Reichweiten und lange Ladezeiten – vermeidet.

Herzstück des elektrischen Antriebs ist eine Methanol-Brennstoffzelle. Anders als bei den Wasser- stoff-Brennstoffzellen, wie man sie von Toyota, Hyundai oder Mercedes-Benz kennt, die den leicht entzündlichen und flüchtigen Wasserstoff in teuren Hochdruck-Tanks mit sich führen, spaltet hier ein Reformer ein Gemisch aus Methanol und Wasser katalytisch in Kohlendioxid und Wasserstoff auf. Das Kohlendioxid entweicht, der Wasserstoff strömt in die Zelle, die daraus dann den Fahrstrom erzeugt. Kontinuierlich während der Fahrt, nach einem kurzen Tankstopp von nur wenigen Minuten. Und für Reichweiten von bis zu 850 Kilometer. Ganz ohne Ladepausen.

Das neuartige Triebwerk liefert auch eine Antriebsleistung, wie man sie von einem Auto der Supercar-Liga erwartet: Vier Elektromotoren mit 400 kW (544 PS) beschleunigen „Nathalie“ in 2,5 Sekunden auf Tempo 100 und sorgen für eine Spitzengeschwindigkeit von über 300 km/h, referiert der Entwickler stolz.

„Elektroantrieb ist das Nonplusultra“

Als „grüner“ Visionär will sich der Entwickler aus Leidenschaft aber nicht etikettieren lassen. „Ich bin Ingenieur und muss sachlich erkennen, dass das elektrische Auto gegenüber Verbrennern einfach das Nonplusultra ist. Mit ihm lassen sich Primärquellen wie Sonne, Wind und Wasser direkt in Elektrizität umwandeln und in Batterien speichern. Außerdem ist dies Verfahren gegenüber Sekundärquellen wie fossilen Kraftstoffen vom elektrischen Wirkungsgrad her unschlagbar.“

Bei der Methanol-Nathalie sollen es 45 Prozent sein. Da das zur Herstellung des Methanols aus Anlagen entnommene C02 im Verhältnis 1:1 wieder ausgeschieden wird, spricht man hier von einem klimaneutralen Vorgang. Das klingt gut. Fast zu gut, um wahr zu sein. Zeichnet sich da vielleicht eine Revolution ab – oder ist die Massenfertigung der methanolbetriebenen „Gumpert Power Cell“ nur ein Traum?

Es ist, wie so oft, kompliziert. „Nathalie“ ist serienreif, wie der Entwickler versichert. Aber eine Serienfertigung des Elektroautos liegt trotzdem in weiter Ferne. Obwohl bei der Weltpremiere 2018 auf der Peking Motor Show und anschließend beim Genfer Autosalon Interessenten spontan Anzahlungen über 80 000 Euro auf den Tisch legten.

Aiways stieg wieder aus

Doch als 2020 Corona über die Welt hereinbrach und die chinesische Wirtschaft eine Vollbremsung hinlegte, geriet Partner Aiways in finanzielle Schieflage und stieg aus dem 2017 gegründeten Joint Venture Gumpert Aiways wieder aus – der Traum von einem Nachfolger des Aiways U5 mit Methanol-Brennstoffzelle musste ebenso begraben werden wie die geplante Serienfertigung des Sportwagens. Dabei wäre er als Prototyp fast beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans gestartet.

Roland Gumpert („Ich bin Optimist, das macht das Leben leichter“) ließ sich dadurch nicht aus der Bahn werfen. Er hat im Laufe seines langen Ingenieurslebens schon viele Tiefs erlebt – und ist anschließend immer wieder aufgestanden. Enttäuscht wurde er nicht nur von Kollegen und Geschäftspartnern, sondern auch von vollmundigen Versprechungen mancher Politiker, die sich erst die grüne Wende aufs Panier schrieben und dann doch einen Rückzieher machten.

Andere würden vor Frust ins Kissen beißen, nicht aber Gumpert: „Als Versuchsingenieur muss man immer damit rechnen, dass nicht mal die Hälfte der Projekte die Serienreife erlebt“, weiß er. Also: „Abhaken und weiter.“

Immer-weiter, Immer-höher

Bevor Gumpert zum Umweltvisionär wurde und die Idee zur Methanol Power Cell hatte, war er als Leitender Ingenieur und Motorsportchef bei Audi Teil der Bewegung, die das fragile Ökosystem des Planeten aus dem Gleichgewicht brachte: „Wir bauten monströse Boliden, wir interessierten uns nur selten für Spritverbrauch oder Umweltfragen – der damalige Zeitgeist verlangte ein Immer-weiter, Immer-höher.“

Als junger Ingenieur entwickelte er den geländegängigen VW Iltis für die Bundeswehr und später den Allradantrieb quattro bei Audi. Unter seiner Regie als Motorsport-Chef und mit Hannu Mikkola, Stig Blomqvist und Walter Röhrl am Steuer gewann Audi in den 1980er-Jahren vier Rallyeweltmeisterschaften. Er konstruierte für den VW-Konzern sogar ein 200 km/h schnelles Motorrad mit wassergekühltem Vierzylinder-Motor und 110 PS Leistung. VW beendete das Projekt mit der Bemerkung, man sei kein „Fahrradhersteller“ – und kaufte später den Motorradhersteller Ducati.

Lang, lang ist’s her. Ebenso wie die Zeit in China, wo Gumpert den Vertrieb im asiatisch-pazifischen Raum aufbaute und maßgeblich zum Erfolg des Audi 100 dort beitrug. Es war keine einfache Zeit für den Ingenieur, der immer Techniker, nie Technokrat sein wollte. Aber er knüpfte in China immerhin wichtige Kontakte. Unter anderem zu Aiways-Gründer Fu Qiang.

Als Gumpert 2002 sein Konzernleben beendete, erwachte wieder der Motorsportler: Der von ihm entwickelte benzingetriebene Supersportwagen Apollo stellte 2009 mit 7:11,57 Minuten einen neuen Rundenrekord für straßenzugelassene Autos auf der Nordschleife auf. Das Downforce-Konzept war so ausgelegt, dass das Auto sogar in einem Tunnel kopfüber hätte fahren können.

Zur geplanten Serienfertigung des Autos kam es allerdings nie: 2012 musste die Sportwagenmanufaktur Insolvenz anmelden. Doch aufgeben? Kam nicht infrage. Es steckt im Unternehmer in eigener Sache vor allem immer der Tüftler, der kreative Problemlöser. Als Kind einer Flüchtlingsfamilie aus Schlesien, die im Westen bei Null anfangen musste, lernte er nicht nur früh, mit wenig auszukommen. Sondern auch, dass es „manchmal einen langen Atem braucht, um seine Vorhaben zum gewünschten Erfolg zu bringen“.

Also aufstehen, den Staub abschütteln, weitermachen.

Minister vergaß den Gumpert-Smart

Was aus „Nathalie“ wird, ist noch nicht abzusehen. Aber der Traum vom emissionsfreien Stromern ohne die Handicaps eines reinen Batterieantriebs ist geblieben. „Ich habe eine Vision und der folge ich, solange es mir möglich ist.“ Ruhestand? Das ist noch keine Option.

Eine Methanol-Brennstoffzelle ist schließlich nicht nur ein Antrieb für Supersportwagen, sondern würde auch in Kleinwagen prächtig funktionieren. Auf seinem Betriebsgelände in Ingolstadt parkt ein Smart Fortwo, der auf Wunsch des ehemaligen Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer mit Batterie und Brennstoffzelle ausgestattet wurde. Doch die Pkw-Maut-Affäre sorgte 2018 dafür, dass sich der Minister anderen Themen zuwenden musste und den Gumpert-Smart aus den Augen verlor. Das Auto nutzt nun Gumperts Tochter.

Neue Hoffnung macht dem umweltbewegten Ingenieur ein anderes Auto: ein 3,5-Tonner von MAN. Der batterieelektrische Kastenwagen wurde im vergangenen Jahr im Auftrag des österreichischen Unternehmers Max Sommerer zum Gumpertmobil umgebaut. Vier Gumpert Power Cells mit zusammen 15 kWh Leistung erzeugen hier während der Fahrt Strom, mit dem kontinuierlich ein 36 kWh großer Akku gefüllt wird.

Klarer Sieger bei Wettfahrt

Im Frühjahr hat Gumpert damit eine Wettfahrt gegen einen baugleichen MAN eTEG unternommen – über 501 Kilometer, von Ingolstadt nach Graz in der Steiermark und zurück. Das Team von Gumpert Automobile („Grenzenlos elektrisch fahren“) erreichte ohne Probleme und Nachladen nach sieben Stunden sein Ziel. Vater und Sohn Sommerer brauchten für die gleiche Tour mit dem rein batteriebetriebenen Transporter doppelt so lange. Wegen acht Ladestopps und weil die Ladestationen oft nicht hielten, was die Betreiber an Leistung versprachen, sie bereits belegt oder schlicht defekt waren.

Für Gumpert stand danach fest: Der rein batterieelektrische Antrieb ist nur eine Übergangslösung. „Der Methanolantrieb schafft eine hohe Reichweite, die denen der Verbrenner nicht nachsteht. Wir vergeuden keine Zeit durch häufiges Nachladen. Und wir sind, grünes Methanol vorausgesetzt, trotzdem klimaneutral.“

Nicht nur im Straßen-, sondern auch im Schiffs- und Flugverkehr sieht er deshalb Anwendungsfelder für seine Technik. Airbus hat angeblich bereits angeklopft. Trotzdem ist die Methanol-Brennstoffzelle noch lange kein Selbstläufer.

„Ich verstehe das“, sagt Gumpert beim Abschied nachdenklich. „Autohersteller haben Milliarden in die Batterieelektrik und die Ladeinfrastruktur investiert. Da komme dann ich daher und zeige, dass es kostengünstiger ginge. Aber ich schwöre,das ist die Zukunft.“

Er ist noch lange nicht fertig.

Seinen Wandel vom Rallye-Weltmeister zum Umweltvisionär schildert Roland Gumpert in seiner Autobiografie „Ohne Limit“, die im Juli erschienen ist. Das Buch spannt den Bogen vom Audi 50 über den Allradantrieb „quattro“ bis zur Entwicklung der Methanol-Brennstoffzelle. Erschienen ist das Buch im Mitteldeutscher Verlag. Es kostet 26 Euro. ISBN: 9783963117077

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6 Kommentare

  1. Rainer Zerrath

    Wieso veröffentlichen Sie einen Werbeartikel für ein Fahrzeug, das einen Treibstoff benötigt, den er überhaupt nicht gibt?
    Ich habe noch keine einzige Tankstelle für „grünes“ Methanol gesehen.

    Von einem „klimaneutralen Vorgang“ kann bei dem Gumpert-Antrieb jedenfalls keine Rede sein, solange es kein „grünes“ Methanol gibt. Denn das Auto emittiert ja CO₂.

    Und dass der Wirkungsgrad dieses Autos noch einmal deutlich geringer als der schon bescheidene eines Wasserstoff-Brennstoffzellen-Autos ist, weil ja noch zwei Umwandlungsprozesse dazu kommen, das wird von der Autorin natürlich verschwiegen.

    „Aber eine Serienfertigung des Elektroautos liegt trotzdem in weiter Ferne.“
    Und da wird sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch liegen bleiben, denn für ein so unsinniges Auto gibt es keinen Markt.

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    • tz

      Ich habe mich auch damit beschäftigt und bei grünem Methanol ist es tatsächlich eine co2-neutrale Energieerzeugung. Kaufen kann man das grüne Methanol in den NIederlanden ab 1000 Liter-Gebinden, Preis ca 1,80€/Liter. Ist aber einige Zeit her, wo ich mit Herrn Gumpert diskutiert habe. Er ist Ingenieur, hat aber einen schlechten Überblick, was die Konkurrenz angeht. Ist aber relativ normal im Segment der Wissenschaft. Einstein war ja vermarktungstechnisch ein ähnlicher Fuchs.

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  2. einfachklardenken

    Euch gilt mein Mitleid, dass dieser Rohrkrepierer es immer wieder zum Artikel schafft, einfach unfassbar.
    Fakt ist, alles Theorie und nie bewiesen. Die Reichweite erreicht der oder die Nathalie nur mit voll gefüllten 65L Methanol-Tank und voll gefüllter Batterie, die um die 80kWh wie ein vergleichbares BEV haben soll. Ein Liter Methanol hat einen Energiegehalt von 5kWh, wobei die Herstellung eines Liters dieses 60prozentigen Methanols nur unwesentliche 12kWh Strom verschlingt, oder ca. 470kWh oder vergleichbar 54L Benzin oder 48L Diesel. Faszinierend und dann auch noch die Energie der 80kWh Batterie für gerade mal 800km, das soll Fortschritt sein ?! Das unterschlägt der jetzt ach so ökologische denkende Herr Gumpert gerne. Wann fängt man endlich an zu begreifen, dass wir einfach nicht soviel regenerative Energie zur Verfügung mehr haben um uns solch Blödsinn zu leisten.
    Abschließend sei die ernsthaft gemeinte Frage erlaubt sein, warum dem lieben Herr Gumpert sein Arbeitsverhältnis bei Audi fristlos aufgelöst wurde und mit wieviel Firmen er in den Konkurs gewandert ist ?!

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    • Franz W. Rother

      Regenerative Energie – Wind- und Sonnenstrom – stehen nur begrenzt zur Verfügung? Ist mir neu.

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  3. haarthhoehe

    Wasserstoff ist leicht entzündlich? Das ist so nicht korrekt.

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  4. Søren

    … und gerade die WoMo-Branche braucht solche Lösungen. 400 bis 500 km Reichweite und dan Methanol tanken (Infrastruktur?) sind dafür völlig in Ordnung.
    auch „die letzte Meile“ ist manchmal länger oder schwerer, als die Akkus halten.
    Ich hoffe, dass sich wenigstens im schwereren Segment so ein Konzept durchsetzt. Im PKW ist die „einfache“ Akku-Technik ausreichend und der Gewichtsnachteil deutlich kleiner.

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