Nicht alle Elektroautos kommen mit einer Akkuladung 400 oder gar 500 Kilometer weit. Viele Elektromodelle der ersten und zweiten Generation kommen nur auf Reichweiten von 120, 150 oder 200 Kilometer – unter idealen, frühlingshaften Bedingungen. Aber Temperaturen um den Gefrierpunkt setzen den meisten Stromern kräftig zu, wie sich in diesen Tagen zeigt: Sie müssen früher als sonst an die Steckdose – und dort auch oft länger als üblich verweilen.

Verwunderlich ist dies freilich nicht. Auch Diesel und Benziner haben beim Kaltstart einen deutlich höheren Kraftstoffverbrauch, der jedoch beim Stopp an der Tankstelle kaum jemanden ernsthaft interessiert. Und bei einem Plug-In-Hybrid sind winterliche Temperaturen ebenfalls kein großes Problem. Schließlich kann bei Fahrzeugen mit dieser Antriebstechnik immer noch der Verbrennungsmotor einspringen, wenn dem Akkupaket die Kräfte ausgehen.

Zellchemie liebt die Wärme

Anders sieht es jedoch bei reinen Elektroautos aus, wenn die Kälte an der Reichweite knabbert. Denn die Lithium-Ionen-Akkus fühlen sich am wohlsten im Temperaturbereich um die 20 Grad Celsius. Niedrigere Temperaturen verlangsamen hingegen die elektrochemischen Prozesse im Innern der Batterie, wodurch wiederum der Innenwiderstand steigt. Das sorgt dafür, dass die Spannung sinkt, wenn der Stromfluss steigt. Deshalb heizen viele Hersteller die Akkus elektrisch auf. Das Batteriepaket entleert sich auch deshalb bei frostigen Temperaturen deutlich schneller. 

Kälte kostet Reichweite
Bei dem Test des norwegischen Automobilclubs schlugen sich die Stromer aus dem Volkswagen-Konzern recht gut. Nissan, Renault und BMW hatten mit den Temperaturen um den Gefrierpunkt deutlich stärker zu kämpfen. Grafik: NAF

Und das in nicht geringem Maße. Bei einem Test des norwegischen Automobilclubs NAF im zurückliegenden Winter erlebten die 20 populärsten Elektroautos bei frostigen Temperaturen zwischen Null und Minus zwei Grad Celsius Reichweiten-Verluste von rund 18,5 Prozent gegenüber den Angaben der Hersteller nach der Verbrauchsnorm WLTP. Auch brauchten manche Elektroautos deutlich länger, um ihre Akkus an den Ladestationen wieder aufzuladen – ihre Ladekurven flachten sich spürbar ab.

Die Heizung kostet fast 30 Prozent Reichweite

Daher sollte man dem eigenen Elektroauto etwas unter die Winterreifen greifen, damit man von einer dezimierten Reichweite nicht selbst überrascht wird und unter Umständen sogar liegenbleibt. Denn anders als bei einem Verbrennungsmotor kann der Pannendienst mit einem Starthilfekabel kaum helfen.

Je kälter die Außentemperatur, desto geringer die Reichweite, lautet die Regel. Wie weit kommt man dann noch ein Audi e-tron bei Außentemperaturen weit unter dem Gefrierpunkt? Ein Selbstversuch auf halber Strecke zwischen Berlin und dem Nordpol. Elektroauto

Das Problem der eiskalten Temperaturen ist dabei nicht allein der Energiefluss vom Akkupaket an den Antriebsmotor, sondern die zahlreichen Nebenaggregate und Verbraucher, die mehr als viele befürchten von der realen Reichweite abknabbern. Das gilt vor allem für die Heizung: Da beim Elektromotor keine Abwärme wie bei Verbrennern erzeugt wird, muss sämtliche Wärme erst erzeugt werden. Ist eine Heizung mit fünf Kilowatt Leistung verbaut und liegt der Fahrzeugverbrauch bei 15 Kilowattstunden auf 100 Kilometern, sinkt die Reichweite bei der Nutzung der Heizung um rund 30 Prozent. 

Glück hat da, wer eine Wärmepumpe an Bord hat. Anstatt mit dem Strom der Traktionsbatterie die Heizung zu betreiben, nutzt diese Wärmepumpe die Abwärme anderer Bauteile wie des Elektromotors, von Onboard-Charger und Inverter, um den Innenraum auf wohlige Temperaturen zu bringen.

Vorsichtshalber am Abend noch mal laden

Verfügt das Elektroauto nicht über diese Technik, tut man gut daran, das Fahrzeug in den Abendstunden obligatorisch aufzuladen – auch dann, wenn an sich noch genügend Fahrstrecke für den nächsten Morgen vorhanden wäre. Denn unter Umständen hat es in der Nacht Temperaturen von deutlich unter null Grad. Und wer zusätzlich seine Standklimatisierung in den Morgenstunden 20 bis 30 Minuten lang aktiviert, um beim Start eine vorgeheizte Kabine vorzufinden, würde die Restreichweite spürbar reduzieren. Die Standklimatisierung sollte im Winter also nur aktiviert werden, wenn das Fahrzeug am Netz hängt.

Auch Tesla hat zu kämpfen
Die Kalifornier kamen in der Kälte immer noch am weitesten. Die geringsten Verluste bei der Reichweite verzeichneten bei dem Test aber Hyundai Kona und Audi e-tron. Grafik: NAF

Kann man das Elektroauto nicht zu Hause in der Garage laden, empfiehlt es sich, vor dem Weg nach Hause das Akkupaket noch maximal erstarken zu lassen. Nicht ganz unwichtig ist daher auch die Wahl des Parkplatzes. Ist in der Stadt gerade keine Ladesäule frei, an die ich das Auto über Nacht anstecken kann, bringt es durchaus Vorteile, den Wagen geschützt abzustellen: Der Wagen friert dann nicht derart stark zu wie wenn er komplett frei stehen würde. Das Enteisen der Scheiben dauert dann nicht so lange. Und es verbraucht vor allem nicht so viel Energie.

Porsche Taycon auf Schnee Nach dem Spitzenmodell haben die Zuffenhausener jetzt den etwas zivileren Taycan 4S vorgestellt. Und ihn für einen Härtetest bei winterlichen Temperaturen herausgerückt. Damit die Reichweite bei Frost nicht völlig einbricht, haben sich die Ingenieure einiges einfallen lassen. Elektroauto

Sitzheizung spart Energie

Übrigens: Sitz- und Lenkradheizung arbeiten deutlich effektiver als die klassische Heizung. Verfügt das Elektroauto über diese Technik, kann die Heizleistung für den Innenraum gedrosselt und die Reichweite erhöht werden, ohne größere Komforteinbußen hinnehmen zu müssen. 

Allerdings: Je mehr zusätzliche Verbraucher man zuschaltet, umso mehr reduziert sich die Reichweite des Akkupakets. Bei einem Auto, dass abends noch 150 Kilometer an Reichweite auf dem Smartphone oder dem Bordcomputer angezeigt hat, werden nach erfolgreicher Klimatisierung schnell nur noch 100 Kilometer oder weniger. Und je weniger ich den Akku mit den zahlreichen Verbrauchern stresse, umso weiter komme ich.

Mit reduzierter Ladeleistung
Niedrige Außentemperaturen lassen die Ladekurven flacher abfallen. Nur der Audi e-tron konnte die maximale Ladeleistung bei dem Test längere Zeit abrufen. Grafik: NAF

Daher sollte man den Akku des eigenen Elektroautos gerade im kühlen Herbst und noch mehr im eiskalten Winter möglichst nicht komplett leeren. Etwas früher und voller als sonst nachladen, bringt einen auf die sichere Seite und erspart einem am Morgen allerhand unangenehme Überraschungen und einen eilig einzulegenden Zwischenstopp auf dem Weg zum ersten Termin.

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2 Kommentare

  1. John

    Top 3 bei der Reichweite im Winter:

    Tesla Model S
    Tesla Model 3
    Tesla Model X

    Fazit im Artikel: „Auch Tesla hat zu kämpfen“

    Naja. 😉

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  2. Egon Meier

    Die Untersuchung ist alt aber trotzdem immer wieder interessant und Aussagekräftig.

    Am meisten wundert mich bei dieser Untersuchung, dass der Zoe trotz Wärmepumpe so mies abschneidet. In diesem speziellen Fall kann sie offenkundig nicht viel retten aber die Effizienz ist für den Zoe eh ein ganz heißes Thema.

    Die Hyundai/Kia- und die VW-Fahrzeuge liefern durch die Bank gute Werte auch wenn sie keine WP (außer e-tron) haben während die Tesla-Wagen wohl auf Nevada und Kalifornien optimiert sind. Im Winter geht es steil bergab.

    Es wird interessant, ob die WP beim MX und demnächst beim M3 eine signifikanten Verbesserung bringen.

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