Künftig könnten in Belgien wieder neue Kernkraftwerke entstehen. Zudem verabschiedet sich das Land von den derzeit vorgesehen Abschaltdaten. Einer entsprechenden Gesetzesänderung stimmte das belgische Parlament Mitte Mai mit überwiegender Mehrheit zu. Damit ist der immer wieder nach hinten verschobene Ausstieg aus der Kernenergie vom Tisch und die momentan am Netz befindlichen belgischen Reaktoren können weiterlaufen. Bereits bei seiner Regierungserklärung Anfang Februar hatte der belgische Premierminister Bart De Wever (N-VA) eine Entfristung der Laufzeiten angekündigt.
Engie betreibt in Belgien die beiden Kernkraftwerke Doel und Tihange, die jeweils über mehrere Reaktoren verfügen. Die Anlagen Doel 1 und 3 sowie Tihange 2 haben die Betreiber stillgelegt. Die Stilllegung von Doel 2 und Tihange 2 war eigentlich für diesen Herbst geplant, teilte ein Sprecher des belgischen Energieministeriums auf Anfrage von energate mit. Dieses Abschaltdatum gelte nun nicht mehr. Mit der Rückkehr zur „normalen“ rechtlichen Regelung könne der Staat die Betriebsgenehmigung unter der Beachtung von Sicherheitsaspekten jeweils im Zehnjahresrhythmus verlängern.
Meiler bereits in die Jahre gekommen
Für die Kraftwerke Doel 4 und Tihange 3 hatte Engie mit dem belgischen Staat ohnehin schon eine Laufzeitverlängerung bis 2035 ausgehandelt. Dieser Deal bleibe auch weiterhin bestehen, so der Sprecher. Aufgrund der Gesetzesänderung sei aber klar, dass die Regierung gewillt sei, die Laufzeiten der Kraftwerke weiterhin zu verlängern. Doel 2 und Tihange 2 liefern nach Angaben von Engie bereits seit 50 Jahren Strom, Doel 4 und Tihange 3 seit 40 Jahren. Die belgischen Kernkraftwerke decken rund die Hälfte des Strombedarfs.

Der britische Triebwerkhersteller hat mit Siemens Energy eine Vereinbarung getroffen, um kleine modulare Kernreaktoren mit einer Leistung von 470 Megawatt zur Serienreife zu bringen. Erste Anlagen des Typs sollen schon 2030 in Betrieb gehen. Grafik: Rolls-Royce
Nur: Laut einem Bericht von ingenieur.de hat der belgische Energieversorger Engie weder Interesse daran, die bestehenden Kernkraftwerke über ihr derzeit geplantes Ende hinaus zu betreiben, noch neue Reaktoren zu bauen. Möglicherweise könnte zwar die französische EDF einspringen – sie ist auch an den bestehenden belgischen Meilern beteiligt. Allerdings dürfte das Unternehmen auch im Heimatland Frankreich genug zu tun haben. Die Politik hat sich klar zu einem Neubau von Kernkraftwerken positioniert, derzeit sind 14 Anlagen angepeilt. Hintergrund ist, dass viele der französischen Kraftwerke in die Jahre gekommen und ersetzt werden müssen. Zuletzt hatte EDF in Frankreich das Kernkraftwerk Flamanville ans Netz gebracht – allerdings mit zwölf Jahren Verspätung und viermal so hohen Kosten wie ursprünglich anvisiert.
Dänemark denkt über Atomkraft-Einstieg nach
In Deutschland wurde das Thema Wiedereinstieg in die Kernenergie mit dem Koalitionsvertrag ad acta gelegt. Auch weite Teile der Energiewirtschaft sind hierzulande gegen ein Revival. Anders sieht es laut aktuellen Medienberichten hingegen in Dänemark aus. Das Land prüfe einen Einstieg in die Kernkraft, berichtet etwa die Frankfurter Rundschau, und das, obwohl in dem Land seit 1985 ein Verbot der Kernkraft gilt und sich das Land weitgehend mit Windstrom versorgt.
Möglicher Kurswechsel auch in der Schweiz
Auch Länder, die bereits Kernkraftwerke haben, denken über einen weiteren Zubau nach. So dürfen in der Schweiz lediglich die bestehenden Kernkraftwerke noch so lange betrieben werden, wie sie sicher sind. Wie lange diese Kernkraftwerke betrieben werden, entscheiden somit die Eigner. So hatte die Axpo im vergangenen Jahr eine Stilllegung des Kernkraftwerks Beznau verkündet. Neue Kernkraftwerke dürfen nach aktueller Gesetzeslage hingegen nicht gebaut werden. Eine Volksinitiative hatte sich aber zuletzt für die Erlaubnis von Neubauten ausgesprochen. Ob sich diese Bewegung in der Schweiz mit ihren Anliegen durchsetzt, ist derzeit unklar – zunächst muss nach Schweizer Recht das Parlament darüber entscheiden, anschließend wird es noch eine Volksabstimmung geben.
Finnland ist hier schon ein wenig weiter. Der staatliche Energiekonzern Fortum entwickelt aktuell ein Projekt – ob dies allerdings tatsächlich realisiert wird, steht ebenfalls noch nicht fest. Immerhin ging auch das zuletzt hinzugekommene Kernkraftwerk Olkiluoto 3erst nach jahrelanger Verzögerung an den Start. Zudem gehen Experten auch hier von ähnlichen Kostensteigerungen wie bei Flamanville aus.
