Die Drachen flattern mit einer Größe von bis zu 120 Quadratmetern durch die Luft – nicht getrieben von kindlichem Enthusiasmus, sondern von dem Wunsch nach regenerativer Energie. Die erste Flugwindkraftanlage Deutschlands, auch Drachenkraftwerk genannt, hat in Schleswig-Holstein eine Reihe von wichtigen Tests erfolgreich abgeschlossen. Die Pilotanlage „SkyPower100“ kann damit in den Dauerbetrieb übergehen.
Die Idee hat das Potential, ein neues Kapitel der Windenergie aufzuschlagen. Während der Weg vom Testlauf zur Massentauglichkeit voller Hürden ist und noch viele weitere Tests und Analysen – hinsichtlich der Sicherheit, Umwelt, und Genehmigungen – erfordert, ist das Grundprinzip, mit dem ein Drachenkraftwerk Strom erzeugt, recht simpel.
Das von dem Hamburger Unternehmen Skysails ursprünglich für die Schifffahrt konzipierte System besteht aus fünf Hauptkomponenten: Einem frei fliegenden Zugdrachen mit Seil, einem Start- und Landesystem, einem Steuerungssystem, einem Generator und einer Trägerplattform.
Wie die Flugwindanlage funktioniert
Ein Start- und Landemast hebt den Drachen auf seine Starthöhe, dort entfaltet er sich auf seine Größe. Der Drachen ist mit einer Seilwinde am Boden verknüpft, in die ein Generator integriert ist. Sobald der Drachen aufsteigt, zieht er das Seil aus der Winde. Dabei erzeugt der Generator Strom.
Sobald das Seil seine maximale Länge erreicht hat, zieht der Generator den Drachen zurück. Dies verbraucht laut den Projekbetreibern nur einen Bruchteil der Energie, die beim Aufsteigen des Drachens erzeugt wird. Das Ganze dauert zwei bis drei Minuten und soll mit einer Nennleistung von 100 Kilowatt voll automatisch rund um die Uhr ablaufen.
Ein ganzes Konsortium arbeitet, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, daran, die Anlage technisch und rechtlich auf deutschem Boden zu verankern. Skysails Power koordiniert das Projekt und ist hauptverantwortlich dafür, die Pilotanlage zu entwickeln, zu produzieren, zu installieren und zu testen. Die Energie und Versorgungsunternehmen EWE und EnBW sind dafür zuständig, Standorte zu suchen, sich um Genehmigungen zu kümmern, Fundamente zu setzen, die Drachen an Stromnetze anzuschließen und potentielle Zielmärkte zu analysieren. Auch das Institut für Antriebssysteme und Leistungselektronik der Leibniz-Universität Hannover ist involviert und kümmert sich vor allem um den Antriebsstrang.
Die Vorteile der Winddrachen
Die Windenergie über Drachen zu generieren, hat Vorteile. Die in der Höhe verschwindenden Drachen werfen laut den Projektbetreibern nur einen minimalen Schatten und sorgen für geringe Schall-Emissionen. Das Drachenkraftwerk nutzt zudem die sogenannte Höhenwindenergie. Sprich: den energiereichen und konstanten Wind in Höhen von bis zu 800 Metern, der eine stetige Stromproduktion generiert.
Wer eine Flugwindkraftanlagen baut, greift zudem laut den Projektbetreibern weniger in die Landschaft ein, als es beim Bau konventioneller Windenergieanlagen nötig ist. Die leichte und kompakte Bauweise erlaubt es außerdem, schwer zugängliche Gebiete zu erschließen.
Noch in den Startlöchern
Doch vieles muss auf diesem Gebiet erst noch erprobt und erarbeitet werden. In den letzten 15 Jahren entstand bereits eine rege Forschung – weltweit sind inzwischen laut der Webseite des Pilotprojektes „SkyPower100“ mehr als 50 Unternehmen und Forschungsinstitute aktiv.
Das Konsortium in Schleswig-Holstein untersucht weiterhin systematisch die Einflüsse auf die Umwelt, darunter, welche Auswirkungen es auf die Vogelbestände hat, die in die Flugbahn der Drachen geraten können. Neben Gutachten zu Geräusch-Emissionen sind vor allem auch Aspekte der Sicherheit des Drachenkraftwerks auf dem Prüfstand.
Für die Realisierung des Projektes wurde zum Beispiel in enger Abstimmung mit der Landesluftfahrtbehörde Schleswig-Holstein, dem Bundesverkehrsministerium, den umliegenden Gemeinden, der DRF Luftrettung sowie dem Luftsportverband ein Flugbeschränkungsgebiet eingerichtet. Die Erfahrungen hiermit sind ein wichtiger Schritt für die zukünftige Definition von Genehmigungen.
Denn ohne Genehmigung geht nichts. Nationale und internationale Voraussetzungen müssen überprüft und Verfahren und Definitionen schrittweise erarbeitet werden.
Indem die Pilotanlage nun in den Dauerbetrieb übergeht, ist das Konsortium einen Schritt weiter. Und ihr Enthusiasmus ist ungebrochen: Langfristig wollen sie eine Serienanlage für Drachkraftwerke entwickeln.