Sie gelten als die nächste große Innovation für Elektroautos: Festkörperakkus. Im Gegensatz zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien mit flüssigen Elektrolyten setzen sie auf ein festes Medium, das den Transport der Ionen zwischen der Anode und der Kathode übernimmt. Der Solid State-„Super-Akku“ könnte damit deutlich weniger brandgefährlich, kompakter und preiswerter, vor allem aber leistungsfähiger werden. Ein besonders großer Vorteil: die potenziell höhere Energiedichte, vor allem durch den Einsatz von Lithium-Metall-Anoden.
Doch bis zur Serienreife ist es noch ein langer Weg – selbst bei BYD gehen die Experten davon aus, dass der „Gamechanger“ erst Ende des Jahrzehnts massentauglich wird. Eine neue Studie eines chinesischen Forschungsteams, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Science, zeigt, warum viele Festkörperbatterien heute noch vorzeitig ausfallen: Durch mechanische Ermüdung der Lithium-Metall-Anode entstehen strukturelle Defekte, die die Sicherheit und Lebensdauer beeinträchtigen können.

Erprobung von Batteriezellen im Labor von High Performance Batteries (HPB). Foto: Ramon Haindl für Edison
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Grenzfläche zwischen der Anode und dem festen Elektrolyten – ein kritischer Bereich in der Zelle. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass beim wiederholten Be- und Entladen mechanische Spannungen auftreten, die Mikroverformungen und Risse verursachen. Diese fördern die Entstehung von sogenannten Dendriten – feine, nadelartige Metallstrukturen, die Kurzschlüsse auslösen können.
Kein Durchbruch, aber Fortschritt
Damit liefert die Studie zwar keine revolutionären, aber wichtige neue Einsichten in einen bisher wenig erforschten Aspekt der Zellermüdung. Prof. Jürgen Janek, Geschäftsführender Direktor des Physikalisch-Chemischen Instituts der Universität Gießen und Koordinator des BMBF-Kompetenzclusters für Festkörperbatterien, sagt:
„Der Wert der vorliegenden Arbeit liegt darin, dass die Autoren einen bisher wenig untersuchten Mechanismus der Kopplung von mechanischer Verformung und elektrochemischen Eigenschaften untersuchen und hierzu sehr schöne Ergebnisse zeigen.“
Gleichzeitig mahnt er zur Einordnung:
„Sie ist nicht als ‚sensationell‘ zu betrachten, sondern eher als eine sehr solide wissenschaftliche Arbeit mit wichtigen Ergebnissen zu den tiefgehenden Details der Lithium-Metall-Anode. Sie bedeutet aber keinesfalls das ‚Ende der Lithium-Metall-Anode‘.“
Ein Hoffnungsträger mit vielen Gesichtern
Festkörperbatterie ist nicht gleich Festkörperbatterie – darauf weist Prof. Janek ebenfalls hin:
„Unter dem Begriff ‚Festkörperbatterien‘ werden heute weltweit eine ganze Reihe verschiedener Batteriezellkonzepte zusammengefasst. Industrie und Forschung erhoffen sich Vorteile bezüglich Energiedichte, Sicherheit und Leistungsdichte. Eine zuverlässig funktionierende Lithium-Metall-Anode wird dabei als ein wichtiger Schritt betrachtet.“
Doch es gibt auch alternative Anodenkonzepte, etwa auf Basis von Silizium oder speziellen Kohlenstoffen. Und jede Zellchemie bringt eigene Herausforderungen mit sich – ob mechanische Belastbarkeit, Zyklenstabilität oder Produktionskosten.
Große Hürden auf dem Weg zur Serienreife
Prof. Helmut Ehrenberg, Leiter des Instituts für Angewandte Materialien – Energiespeichersysteme am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), ordnet die Ergebnisse ähnlich ein. Auch er lobt die Methodik der Studie, sieht aber den Erkenntnisgewinn eher auf einen kleinen Aspekt der Gesamtproblematik beschränkt:
„Die Studie untersucht nur einen kleinen Teil einer Festkörperbatterie: die metallische Anode und hier auch überwiegend nur den Grenzbereich zum Festelektrolyten. Revolutionäre Erkenntnisse, die einen Paradigmenwechsel anstoßen würden, liefert diese Studie nicht.“
Und er ergänzt:
„Dendritenbildung ist einer der wichtigsten Versagensmechanismen in Festkörperbatterien mit metallischen negativen Elektroden. Resultierende Kurzschlüsse sind auch eine der größten Sicherheitsrisiken. Insofern adressiert diese Publikation hoch relevante Beiträge zur Ermüdung und dem Versagen von Batterien.“
Doch auch Ehrenberg warnt: Die Festkörpertechnologie ist trotz vieler Versprechen in der Entwicklung noch längst nicht am Ziel:
„Erst wenn die Herausforderungen bei Lebensdauer, Sicherheit, Schnellladefähigkeit und Produktionskosten überwunden sind, wird sich zeigen, ob sich Festkörperbatterien gegenüber den konventionellen Lithium-Ionen-Batterien durchsetzen können. Das kann noch einige Jahre dauern – wenn überhaupt.“
Fazit: Viel Potenzial – aber noch kein Produkt
Während heutige Elektroautos überwiegend Lithium-Ionen-Akkus mit NMC- oder LFP-Chemie nutzen, könnten Festkörperbatterien langfristig deutlich mehr leisten: Angepeilt wird eine Leistungsdichte von wenigstens knapp 400 Wattstunden (Wh) pro Kilogramm. Aktuelle Lithium-Ionen-Akkus auf Basis einer Nickel-Mangan-Kobalt-(NMC)-Chemie kommen auf 230 bis 250 Wh/kg. Lithium-Eisenphosphat (LFP)-Akkus kommen aktuell nur auf 130 bis 160 Wh/kg. Mit der neuen Speichertechnologie würden Elektroautos mit relativ kleinen Akkus 1000 Kilometer ohne Ladepause fahren können. Doch die neue Studie zeigt, wie sensibel bestimmte Zellkomponenten noch auf Belastungen reagieren. Die Forschung kommt voran – aber der Weg zur marktfähigen Festkörperbatterie bleibt steinig.