Nach dem flächendeckenden Stromausfall in Spanien und Portugal schließt der spanische Übertragungsnetzbetreiber Red Eléctrica einen Cyberangriff aus. Die Ursachenforschung geht nun weiter. Innerhalb weniger Sekunden waren am Montagmittag (28. April) 15 GW Leistung im spanischen Netz weggebrochen. Seit Dienstagmorgen (29. April) werden beide Länder fast vollständig wieder mit Strom versorgt. Dies teilten die zuständigen Netzbetreiber mit. Experten gehen derweil davon aus, dass es sich um einen seltenen Einzelfall handelt, der in Deutschland sehr unwahrscheinlich sei.

Rund 60 Prozent der Stromleistung sind Berichten zufolge inner halb von etwa fünf Sekunden weggebrochen und haben zu einem landesweiten Blackout geführt. „Das Stromnetz in Europa ist nicht dafür ausgelegt, dass so viel Erzeugungsleistung ausfällt“, sagte Veit Hagenmeyer, Leiter des Instituts für Automation und angewandte Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Sprecher für das nationale Energiesystemdesign-Programm der Helmholtz-Gemeinschaft. Vielmehr sei es für einen Verlust von maximal drei GW ausgelegt. Ab dann greift automatisch die Abschaltkaskade. Heißt: Kraftwerke, Wind- und PV-Anlagen, aber auch Umspannanlagen und das Stromnetz werden abgeschaltet, um sie vor Schäden zu schützen. In der Folge fällt dann der Strom aus. „Tritt ein Fehler auf, der zu so einer Kaskade führen kann, ist nach spätestens einer halben Minute klar, ob ein Stromausfall noch abgefangen werden kann oder nicht“, so Hagenmeyer.

Großausfall in Deutschland unwahrscheinlich

Im Fall von Spanien riss die Störung auch gleich das Nachbarland Portugal vom Netz. Die Großlage löste auch bei Amprion und dem Schweizer Übertragungsnetzbetreiber Swissgrid Alarm aus. Beide sind für die Stabilität der Netzfrequenz im europäischen Verbundnetz zuständig. „Für uns sichtbar wurde der Stromausfall in einem Frequenzsprung des europäischen Verbundnetzes. Außerdem gab es eine Meldung über eine Großstörung im europäischen Awareness System“, berichtete Amprion auf Anfrage. Gemeinsam mit den spanischen und portugiesischen Netzbetreibern sowie dem französischen Netzbetreiber RTE habe man sofort mit der Wiederherstellung des Übertragungsnetzes begonnen, heißt es weiter.

Hell und Dunkel
Der Blick von der Internationalen Raumstation (ISS) im All auf Westeuropa zu nächtlicher Stunde zeigt, wo in Süddeutschland und den Niederlanden, in Großbritannien (oben)  und der französischen Hauptstadt Paris die Lichter brennen - in Spanien hingegen ist es finster. Foto: NASA Earth Observation
Hell und Dunkel
Der Blick von der Internationalen Raumstation (ISS) im All auf Westeuropa zu nächtlicher Stunde zeigt, wo in Süddeutschland und den Niederlanden, in Großbritannien (oben) und der französischen Hauptstadt Paris die Lichter brennen – in Spanien hingegen ist es finster. Foto: NASA Earth Observation

Für Deutschland und auch die Schweiz waren laut Übertragungsnetzbetreibern keine Auswirkungen zu befürchten. Auch die Bundesnetzagentur gibt Entwarnung: Ein großflächiger, lang anhaltender Blackout sei in Deutschland unwahrscheinlich. Redundanzen und diverse Sicherheitsmechanismen sorgten für Versorgungssicherheit, so die Bundesbehörde weiter. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Ferdinand Alexander Gehringer, Referent für Innere und Cybersicherheit bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Deutschland verfüge über deutlich mehr schwarzstartfähige Kraftwerkskapazitäten, als dies auf der Iberischen Halbinsel der Fall sei.

Standortvorteil für Deutschland

Außerdem kommt Deutschland seine zentrale Lage in Europa zugute. So würden im Notfall Nachbar-Übertragungsnetzbetreiber außerplanmäßig Energie liefern, erläuterte Amprion. Auf der Iberischen Halbinsel sei dies allerdings schwieriger. Die Netze zwischen Spanien und Frankreich sind laut Medienberichten eher schwach und Portugal hat ohnehin nur Spanien als Nachbarn.

Aber es gab im europäischen Verbundsystem auch schon Störungen deutscher Natur. 2006 gingen in vielen europäischen Ländern die Lichter aus, weil in Deutschland eine Hochspannungsleitung abgeschaltet wurde. Grund war die Emsüberführung eines neuen Kreuzfahrtschiffs. 2021 folgte eine Netzstörung aus Kroatien. Infolgedessen wurde der europäische Verbund in eine südöstliche Zone mit Leistungsüberschuss und einen westlichen Bereich mit Leistungsmangel unterteilt.

Bislang keine Hinweise auf Hackerangriff

Grundsätzlich müssten für solche großflächigen Störungen aber mehrere Störungen gleichzeitig zusammenkommen, was sehr unwahrscheinlich sei, sagte Christian Rehtanz, Institutsleiter am Institut für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft der Technischen Universität Dortmund.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Was genau die Ursache für den spanisch-portugiesischen Blackout war, wird derzeit noch untersucht. Hinweise auf einen Hackerangriff gibt es laut Medienberichten bisher nicht. Gehringer von der Konrad-Adenauer-Stiftung mahnte jedoch: „Solche Ausfälle zeigen, dass Deutschland die Resilienz der eigenen Energieversorgung und die Energiesicherheit ständig im Blick haben sollte.“ Die Funktionsfähigkeit und Stabilität kritischer Infrastruktur, nicht nur Strom und Energie, sollte als sensibler Sicherheitsbereich fortwährend gemonitort werden, um ein schnelles Eingreifen im Störungsfall zu ermöglichen. So ließen sich auch mögliche Zusammenhänge von Störungen besser erfassen.

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