Der Ausbau der öffentlichen Ladesäuleninfrastruktur wird weiterhin durch lokale Anbieter im regionalen Markt dominiert. Dies ist das Ergebnis der fünften Monopolanalyse des Ökostromanbieters Lichtblick. Doch nicht nur die Herausbildung der Monopolstrukturen kritisiert der Ökostromanbieter, sondern auch deren Folge: den fehlenden Wettbewerb auf dem Fahrstrommarkt. So werde „systematisch verhindert“, dass auf dem nachgelagerten Markt Wettbewerb entstehe, kritisiert Markus Adam, Chefjurist von Lichtblick. Die Folge des fehlenden Wettbewerbs sei dann, dass „überhöhte Preise“ beim Bezug des Ladestroms anfielen, argumentiert Lichtblick weiter.

Die Errichtung von Ladepunkten durch verschiedene Ladesäulenbetreiber (CPO) sei aufgrund der hohen Hardwarekostenwirtschaftlich nicht sinnvoll, weshalb Lichtblick Ladesäulen als „natürliche Monopole“ bezeichnet. Die Folge: Bereits seit Jahren haben sich in den lokalen Märkten jeweils einzelne Anbieter durchgesetzt – in der Regel der lokale Energieversorger. In der aktuellen Ausgabe der Monopolanalyse liegt der durchschnittliche Marktanteil eines einzelnen Akteurs bei 74 Prozent. In Hannover, Dortmund und Wiesbaden liegen die Marktanteile sogar bei jeweils über 90 Prozent.
Enercity widerspricht
Eine Anfrage bei Enercity zeigt jedoch ein anderes Bild. So verfüge der Regionalversorger aus Hannover nicht über 93 Prozent der Ladeinfrastruktur, sondern über 57 Prozent der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur. Die Diskrepanz ergebe sich aus der Berechnungsmethode. „Die vorliegende Analyse von Lichtblick betrachtet ausschließlich öffentliche Ladepunkte auf städtischen Flächen und lässt DC-Ladepunkte sowie die vielen teilöffentlichen Ladepunkte auf sonstigen Flächen, wie z.B. auf Kundenparkplätzen, außen vor“, erklärte ein Unternehmenssprecher. Die Betrachtungsweise von Lichtblick bilde die Wirklichkeit „nicht zutreffend“ ab, weil „nicht die Gesamtheit der öffentlich zugänglichen 24/7-Ladeinfrastruktur“ betrachtet werde. „Insgesamt kann in Hannover von einem Monopol der Ladeinfrastruktur nicht die Rede sein“, hieß es von Enercity.
Auch der Wiesbadener Kommunalversorger ESWE konnte die Zahlen Lichtblicks auf Anfrage nicht bestätigen. Statt eines Marktanteils von 94 Prozent rechnet ESWE mit einem Anteil von 61 Prozent (Stand 1. September 2024).
Bundeskartellamt und Monopolkommission sind alarmiert
Dass der Ladesäulenmarkt zur Monopolbildung neigt, kritisierten in der Vergangenheit neben Lichtblick auch bereits das Bundeskartellamt und die Monopolkommission. Beide Wettbewerbshüter bemängelten, dass die Vergabeverfahren öffentlicher Flächen bevorzugt an kommunale Unternehmen gehen. Dynamischer Wettbewerb werde so verhindert, kritisierte zuletzt das Bundeskartellamt in seinem Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung im Oktober 2024. Daraus entstünden hohe Ladepreise und ein eingeschränkter Ausbau der Ladeinfrastruktur, bemängelte das Kartellamt.
Etwas differenzierter betrachtet es das Mobilitätsreferat der Stadt München. So seien die Befunde von Lichtblick branchenweit bekannt. Die Landeshauptstadt erwartet jedoch, dass künftig verschiedene Ladesäulenbetreiber im öffentlichen Raum aktiv sein werden. Dies sei auch eines der Ziele des im Januar 2025 veröffentlichten Verfahrens zum Aufbau von Normalladeinfrastruktur in München. Für München sei daher festzustellen, dass „die aktuelle relative ‚Dominanz‘ der Stadtwerke München historisch bedingt ist“ und dass sich künftig die Marktanteile auf mehr Unternehmen verteilen werden, so eine Sprecherin.
Durchleitungsmodell als Möglichkeit der Partizipation?
Was den Ökostromanbieter aber eigentlich stört, ist dass Drittanbieter wie eben Lichtblick keinen eigenen Strom an der Ladesäule anbieten können. Zwar besteht mit dem Roaming-Modell in der Theorie die Möglichkeit, Ladestrom anzubieten. Allerdings beinhaltet dieses Modell neben dem Preis für den Fahrstromtarif des Roaming-Partners auch ein zusätzliches (Roaming-)Entgelt. Lichtblick argumentiert, dass durch das Roaming-Entgelt das dazugehörige Modell unwirtschaftlich sei und dadurch kein Wettbewerb auf dem nachgelagerten Fahrstrommarkt entstünde. In der Folge würden daher Drittanbieter aus dem Markt gedrängt.
Deshalb wirbt Lichtblick bereits seit Jahren für die Umsetzung des Durchleitungsmodells an PKW-Ladesäulen. Hierbei erhält jeder Energieversorger das Recht auf Durchleitung seines Stroms an den Ladesäulen. Im Gegenzug bekommt der Betreiber ein Nutzungsentgelt für Installation, Betrieb und Wartung der Ladesäule, das eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals ermöglicht. Damit bestimme nicht mehr der lokale Monopolist faktisch die Preise, sondern der Markt, argumentiert Lichtblick.
In Hamburg bereits Realität
Beim Aufbau des LKW-Schnellladenetzes ist das Modell bereits seit Sommer 2024 verpflichtend, in der Folge nahm auch kurz die Debatte um die Durchleitungspflicht für PKW Fahrt auf. Durchsetzen konnte sich das Modell bislang aber nicht. Im November 2024 überführten Lichtblick und der Softwareanbieter Decarbon1ze das Durchleitungsmodell erstmals in den Regelbetrieb – das Angebot ist bislang jedoch auf Mitarbeitende eines Berliner Arbeitgebers beschränkt.
In Hamburg begann Lichtblick im Januar 2025 mit dem Aufbau von mehr als 200 Ladepunkten, in denen das Durchleitungsmodell ermöglicht wird. Ebenfalls in Hamburg sitzt der einzige Regionalversorger Deutschlands, der jedem Anbieter von Ladestrom einen diskriminierungsfreien Zugang zur Ladeinfrastruktur anbietet – bis 2030 wollen die Hamburger Energiewerke mehr als 2.000 öffentlich zugängliche Ladestandorte errichten.
Enercity: Investitionen müssen sich refinanzieren
Anders sieht es Enercity. Das Unternehmen argumentiert, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur „erhebliche Investitionen“ und „laufende Betriebskosten“ verursache. Betreiber müssten daher die Möglichkeit haben, „ihre Investitionen zu refinanzieren“. „Solange keine verlässliche Refinanzierung der Investitionen sichergestellt ist, halten wir das Durchleitungsmodell nicht für geeignet, um den Wettbewerb an den Ladesäulen nachhaltig zu fördern“, so ein Unternehmenssprecher.
Im Gegenteil, argumentiert Enercity, könne eine unklare Refinanzierung den Ladeausbau hemmen. Ähnlich argumentieren die Stadtwerke Leipzig. Auch sie verweisen auf Anfrage darauf, dass der Versorger beim Ausbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur „in Vorleistung“ gehe, um die Voraussetzungen für das Wachstum der Elektromobilität zu schaffen. „Wir halten die Kosten, die wir an den Endverbraucher weitergeben müssen, dabei so gering wie möglich“, beteuert ein Sprecher.