Palladium gehört mit zu den teuersten Metallen und hat schon den Goldpreis in den Schatten gestellt. Dringend benötigt wird es vor allem in der Autoindustrie, die es in Drei-Wege-Katalysatoren zur Abgasreinigung von Benzinmotoren einsetzt. Das kostspielige Edelmetall hat jedoch das Potential, den Sprung aus dem kohlenstoffbasierten hin zu einem Einsatz im klimafreundlicheren Antrieb mit Wasserstoff zu schaffen. Denn Palladium hat eine sehr interessante Eigenschaft: Es saugt das flüchtige Gas wie ein Schwamm auf.
Bereits 1866 entdeckte Thomas Graham, dass bei Raumtemperatur und Atmosphärendruck Palladium etwa das 900-fache seines eigenen Volumens an Wasserstoffgas aufnehmen kann. Ein idealer Speicher, der bisher nicht genutzt werden kann. Denn das Volumen von Palladiumkristallen, in die sich das Gas einlagert, gibt es nur sehr schwer wieder her. Bleibt es aber an der Oberfläche ultrakleiner Nanopartikel aus 50 Palladium Atomen mit einem Iridiumkern aus 13 Atomen haften, lässt es sich einfach bei Raumtemperatur wieder lösen.
Grundlagenforschung für die Energiewende
Forschern des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg ist es erstmals gelungen, die Voraussetzungen für diesen Prozess zu schaffen und die Abläufe zu beobachten. Noch ist dies Grundlagenforschung. Aber der Ansatz ist vielversprechend und in der Industrie bereits auf großes Interesse gestoßen. Denn Wasserstoff hat eine Menge Potential. Er könnte sich in Lkw und Bussen oder auch in Flugzeugen und Schiffen als alternativer Antrieb durchsetzen. Airbus plant bereits, bis 2035 marktreife Wasserstoffflugzeuge vorzustellen.
„Das wird noch ein spannender Prozess“, ist Professor Dr. Andreas Stierle überzeugt, der das ganze Thema ins Rollen brachte. DESY, so der Nanowissenschaftler, arbeite grundsätzlich an Themen, die sich mit der Energiewende beschäftigen. „In diesem Zusammenhang ist auch diese Forschung zu sehen, auch wenn wir dies von der Grundlagenseite aus betrachten.“
Bisher fristet der H2-Antrieb ein Schattendasein. Dafür gibt es viele Gründe – auch politische. Der Fokus der ehemaligen Bundesregierung galt dem Batterieantrieb. Erst im vergangenen Jahr gab es eine Richtungsänderung.
Aber auch technisch kämpft der Wasserstoff noch mit einigen Nachteilen. Abgesehen davon, dass zur Gewinnung von grünem Wasserstoff jede Menge Strom benötigt wird und damit die Gesamteffizienz sinkt. Auch ist die Speicherung alles andere als einfach, da das Gas nur flüssig bei 253 Grad Celsius oder in Drucktanks bei bis zu 700 bar gelagert werden kann. Eine „Nano-Praline“ könnte zur Lösung des Problems beitragen.
1,2 Nanometer große Palladium-Partikel
Die Idee von Stierle und seinem Team ist: desto kleiner, desto besser. Gemeint ist damit: sehr klein. Die Forscher verwendeten ein nur 1,2 Nanometer winziges Teilchen aus dem Edelmetall Palladium – ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter.
„Dreiviertel der Palladium-Atome sitzen auf der Oberfläche und machen den Job“, erklärt Stierle. Dabei bindet jedes Palladium-Atom ein Wasserstoffatom. Zwar wird auch noch Wasserstoff innerhalb des Palladiums gespeichert. Das gelangt aufgrund der geringen Größe allerdings sehr schnell an die Oberfläche. Doch je größer ein Palladium-Partikel wird, desto mehr Atome können sich im Volumen verstecken und sind damit für industrielle Anwendungen nutzlos.
„In technischen Anwendungen wie im Autokatalysator haben die Partikel meist eine Größe von 10 Nanometer“, erklärt Stierle. Die Effizienz ist somit sehr viel geringer als bei bei den Winzlingen, die er untersucht hat. Wichtig ist dabei, dass die Nano-Partikel stabil und damit so winzig bleiben und sich unter keinen Umständen ausdehnen.
Iridium-Nuss mit Wasserstoff-Überzug
Gelungen ist dies den DESY-Forschern mittels eines Kerns aus dem Edelmetall Iridium. Bildlich gesprochen ähnelt die Konstruktion der einer Praline: In der Mitte befindet sich eine Iridium-Nuss, umhüllt von einer Marzipanschicht aus Palladium. Ganz außen sitzt quasi als Schoko-Überzug der Wasserstoff. Zusätzlich sind die Partikel auf Graphen fixiert, einer extrem dünnen Lage aus Kohlenstoff. „Auf Graphen können wir die Palladiumteilchen in Abständen von nur zweieinhalb Nanometern verankern“, erklärt der Wissenschaftler, der das DESY-NanoLab leitet.
Auf diese Weise ist es den Forschern zum ersten Mal gelungen, Palladium-Cluster mit Iridium-Kern überhaupt in einer regelmäßigen, periodischen Struktur auf einem Gitter anzuordnen und zu charakterisieren. „Das ist der technische Trick dabei und notwendig, um die Wechselwirkungen der Mini-Palladium-Teilchen mit Wasserstoff messen zu können.“
An der DESY-Röntgenlichtquelle namens PETRA III konnten die Forscher bereits beobachten, dass der Wasserstoff im Wesentlichen an der Oberflächen haften blieb und kaum etwas in das Innere der Klümpchen eindrang. Da die Gasmoleküle sich nicht den Weg mühsam aus dem Inneren bahnen müssen, löst sich der Wasserstoff rasch von der Teilchen-Oberfläche ab. Das Team, zu dem auch Forscher der Universitäten Köln und Hamburg gehören, hat seine Arbeit im vergangenen Jahr schon im Fachblatt „ACS Nano“ der Amerikanischen Chemischen Gesellschaft (ACS) veröffentlicht.
Speicherung von Wasserstoff in hoher Dichte
Stierle ist von der Wirtschaftlichkeit des „Pralinen-Speichers“ trotz des hohen Preises für Palladium von zurzeit gut 1.678 Euro je Feinunze (31,103 Gramm) überzeugt. Denn „das Volumen bestimmt, wieviel Palladium als Speicher oder auch als Einsatz in einem Katalysator benötigt wird. Und das ist bei dem am DESY aufgezeigten Nano-Prinzip gering. Zudem lasse sich das Edelmetall recht gut recyceln“, erklärt er.
„Als nächstes wollen wir herausfinden, welche Speicherdichten wir mit der neuen Methode erreichen könnten“, so Stierle, der hofft, dass sich aus den Diskussionen mit Industriepartnern weitere Projekte ergeben.
Bis dieser innovative Ansatz den Weg in ein Industrieprodukt findet, müssen allerdings noch einige Herausforderung gemeistert werden. So dürften andere Formen von Kohlenstoffstrukturen besser als Graphen als Trägermaterial geeignet sein. Interessant könnten aus Sicht von Stierle Kohlenstoffschwämme mit winzigen Poren sein, in denen sich die Palladium-Nanoteilchen in nennenswerten Mengen unterbringen lassen.
Es gibt also noch jede Menge zu forschen.