Die Autobahn liefert selbst den sauberen Solarstrom für die Elektroautos, die auf ihr entlangfahren. Diese Vision verfolgt die Wasserwirtschaftsbehörde Rijkswaterstaat in den Niederlanden. Unsere westlichen Nachbarn hoffen so neue, bisher ungenutzte Areale für die Energiewende erschließen zu können.

Das Amt hat für ein Pilotprojekt die A37 in der Provinz Drenthe ausgewählt, die Richtung Niedersachsen führt. In diesen Tagen finden dazu in den Anrainer-Gemeinden Bürgeranhörungen statt. Auf einer Strecke von 40 Kilometer will Rijkswaterstaat rechts und links der Trasse und auf dem Mittelsstreifen Solarpanele installieren lassen. Insgesamt handelt es um eine 300 Hektar große Fläche, auf der bis bis zu 140 Megawatt Strom erzeugt werden soll – genug, um 35.000 Haushalte zu versorgen.

Das Vorhaben ist längst nicht das einzige in Europa, das Verkehrswege zur Energiegewinnung nutzen will. Vergleichbare Projekte existieren in Deutschland und Frankreich – die nicht immer ein Erfolg waren. Das Potenzial ist allerdings riesig. So schätzt das Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, dass sich an und auf Verkehrsflächen in Deutschland 58 Gigawattstunden Strom produzieren ließen. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr lieferten die deutschen Braunkohlekraftwerke 21 Gigawattstunden.

Solarzellen sollen sich in die Landschaft einpassen

An vielen Orten, an denen Betreiber große Freiflächen-Photovoltaikanlagen oder gar Windräder installieren wollen, stoßen sie auf skeptische bis ablehnde Bürger. Daher hat sich der Architekt Marco Vermeulen bei seinen Entwürfen für die A37 bemüht, die Solarzellen in der Landschaft möglichst verschwinden zu lassen und dennoch die Sonneneinstrahlung gut zu nutzen.

Ein anderes Konzept verfolgt Rijkswaterstaat entlang der A50 nahe der Gemeinde Uden im Süden des Landes. Dort besteht eine rund 400 Meter lange Lärmschutzwand aus Solarzellen und liefert seit Ende 2018 Strom. Dieses Solar-Autobahn genannte Projekt hat die EU-Kommission mit 1,4 Millionen Euro bezuschusst. Vergleichbare Projekte gibt es auch in Bayern entlang der Autobahn A92 bei Freising oder der ICE-Bahnstrecke zwischen Nürnberg und Regensburg.

In die Fahrbahn integrierte Solarmodule von Wattway auf der französischen Insel Reunion im indischen Ozean. Der Strom kann direkt in eine Ladestation für Elektroautos fließen.
Von der Straße ins Auto
In die Fahrbahn integrierte Solarmodule von Wattway auf der französischen Insel Reunion im Indischen Ozean. Der Strom kann direkt in eine Ladestation für Elektroautos fließen.
Foto: Wattway / Colas

Fahrbahn liefert Energie

Technisch anspruchsvoller ist es, die Solarzellen in die Fahrbahn selbst zu integrieren. In den Niederlanden gibt es seit 2016 einen entsprechend ausgerüsteten Radweg in der Nähe von Amsterdam. In Deutschland hat 2018 das Berliner Start-up Solmove in Erfstadt nahe Köln auf einer Strecke von 90 Meter Solarmodule auf einem Radweg verlegt. Der erzeugte Strom sollte ins Netz fließen oder die Strecke erwärmen, um sie im Winter eis- und schneefrei zu halten.

Solarpark Herzogenrath Schwimmende Solaranlagen, Windräder, Power-to-X: Tief im Westen, nördlich von Aachen ist die Stadt Herzogenrath bei der Stromerzeugung komplett unabhängig von externen Lieferanten. Und auch Wärme wollen die Projektpartner demnächst für Bürger und Betriebe bereitstellen. Energiewende

Doch kam es hier nach Regenfällen zu Kurzschlüssen, so dass die Stadt schließlich Ende 2019 den Rückbau der Solaranlage verlangte. Wogegen sich wiederum Solmove wehrte. Der Streit wird wohl die Gerichte beschäftigen.

Dagegen hat das französische Bauunternehmen Colas mit seinen Wattway-Modulen deutlich mehr Fahrbahnen mit Solarzellen ausgestattet. Pionierstrecke war ein Abschnitt der RD5 in der Normandie, der 2016 in Betrieb ging. Dort sollen 2880 Panele bis zu 280 Megawattstunden Energie pro Jahr liefern. Laut eigenen Angaben hat die Firma mittlerweile 40 Versuchsstrecken weltweit ausgerüstet. Sie konzentriert sich mittlerweile auf relativ kleine Anlagen samt Batterie, die Strom etwa für Straßenbeleuchtung, Schilder oder Überwachungskameras liefern – auch in den Niederlanden.

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3 Kommentare

  1. Julius

    Es wäre toll, wenn die Autoren zwischen Leistung und Energiemengen unterscheiden. Was Ist gemeint mit den 21. GW (GWh) der braunkohlekraftwerke?

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    • Lothar Kuhn

      Ist korrigiert. Vielen Dank für den Hinweis.

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  2. Jbl

    Die sollen nicht die Flächen neben der Autobahn auch noch versiegeln, sondern die Autobahn überdachen. Dann fahren die Autos im Trockenen und die Flächen zum Wasser versickern werden nicht noch kleiner.

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