Kernfusionskraftwerke können frühestens Mitte des Jahrhunderts in Betrieb gehen. Die Herausforderungen, um solche Kraftwerke zu entwickeln, sind weiterhin sehr groß. Das geht aus einer Kurzstudie zu Kernfusionskraftwerken des Büros für Technikfolgen-Abschätzung im Deutschen Bundestag (TAB) hervor. Die unabhängige Einrichtung, die den Bundestag berät, untersuchte, welche Herausforderungen für den Bau und den Betrieb kommerzieller Fusionskraftwerke noch zu meistern sind und welche Eigenschaften solche Kraftwerke voraussichtlich aufweisen werden.

Laut dem Bericht sind viele Fragen noch ungeklärt. Die Kraftwerke bräuchten etwa Tritium. Es sei jedoch nicht deutlich, ob von diesem Brennstoff genug zur Verfügung stehe. Zusätzliche Tritiumquellen zu erschließen, sei nicht einfach und brauche einen Vorlauf von mindestens zehn Jahren. Durch sogenanntes Brüten müssten Fusionskraftwerke im Betrieb mehr Tritium erzeugen, als sie verbrauchen. Die dafür nötigen Technologien seien aber kaum entwickelt und erprobt. Auch die Rohstoffe Helium und Beryllium könnten knapp werden. Lithium wiederum gebe es zwar genug, allerdings könnten sich die fehlenden Produktionskapazitäten für das benötigte Isotop Li-6 als bedeutendes Hindernis erweisen, heißt es in dem Bericht.

Wie sieht die Energiebilanz aus?

Auch sei bisher nicht deutlich, wie Fusionskraftwerke mehr Energie erzeugen könnten als sie verbrauchen. 2022 gelang es Forschern der National Ignition Facility (NIF) in den USA zwar erstmals, ein Plasma durch die Technik Laser-/Trägheitsfusion so zu zünden, dass mehr Fusionsenergie erzeugt wurde, als für die Aufheizung des Plasmas an Laserenergie eingesetzt worden war. Seitdem wird das Thema in den USA gehypt. In Deutschland überwiegt aber weiterhin die Skepsis: Für die Nutzung der Energie in einem Fusionskraftwerk reiche dies aber bei Weitem nicht aus, denn das gesamte Kraftwerk brauche viel mehr Energie als die in der Forschung verwendete Technologie, so der Tenor der Experten.

Konzeptzeichnung für ein IFE-Kraftwerk der Zukunft. Kredit: Eric Smith
Zukunftsmusik
Konzeptzeichnung für ein Kernfusions-Kraftwerk der Zukunft. Bild: Eric SmithEric Smith/ Lawrence Livermore National Laboratory

Zudem sei noch viel Forschung nötig zur Materialentwicklung. Teile eines Fusionskraftwerks müssten „extremen Bedingungen widerstehen, vergleichbar denen auf der Sonnenoberfläche“, heißt es in der Kurzstudie.

Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit?

Der Bericht schaut auch auf die Wirtschaftlichkeit von Fusionskraftwerken. Konkrete Prognosen zu den Kosten der Erzeugung von Fusionsstrom könnten derzeit nur spekulativ sein, heißt es darin. Die Kraftwerke würden aber einen hohen Investitionsbedarf und lange Kapitalbindung aufweisen. Investitionen in Fusionskraftwerke würden zudem nur schwer zu realisieren sein, wenn der Staat das unternehmerische Risiko nicht absichere.

Welche Anwendungsmöglichkeiten machen Sinn?

Um Strom bereitzustellen in Zeiten, in denen nicht genug Wind- und Solarenergie erzeugt werde, eigneten sich Fusionskraftwerke nach Einschätzung des TAB nicht. Chancen für die Technologie könnten laut Bericht aber in der Meerwasserentsalzung, der Wasserstoffherstellung oder im Zusammenhang mit Prozesswärme bestehen. Um einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Energiewirtschaft zu leisten, kämen Fusionskraftwerke „voraussichtlich zu spät“. Bei einem starken langfristigen Anstieg des globalen Energieverbrauchs erhöhten sich dahingegen die Marktchancen für Fusionsenergie.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Sibylle Günter, Wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) der TU München sagte, die TU forsche derzeit zu der Frage, ob Fusionskraftwerke in ein künftiges Energiesystem passen könnten. Nach bisherigen Ergebnissen könnten Fusionskraftwerke „sehr gut und sinnvoll mit den Erneuerbaren zusammenspielen“. Ihre Leistung sei regelbar. „Wenn man davon ausgeht, dass Fusionskraftwerke sowohl bei Bedarf Strom zur Verfügung stellen und in anderen Zeiten chemische Energiespeicher wie Wasserstoff produzieren, passen sie auch gut in ein Energiesystem der Zukunft“, so Günter.

Vor allem die CDU wirbt im laufenden Bundestagswahlkampf mit dem Thema Fusionskraft und möchte die Forschung in diesem Bereich stärken. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte als Ziel ausgegeben, dass Fusionsreaktoren schnell erprobt werden sollten. In Deutschland solle der erste ans Netz gehen.

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