Ursprünglich wollte Ørsted schon im kommenden Jahr in industriellem Maßstab E-Fuels auf Basis von „grünem“ Methanol insbesondere für die Schifffahrt und die Industrie produzieren. Jetzt hat das Management den europaweit viel beachteten Bau des Werkes „FlagshipONE“ gestoppt und das Vorhaben komplett beerdigt – kurz vor der Fertigstellung.

Das Werk im nordschwedischen Örnsköldsvik sollte im kommenden Jahr in Betrieb gehen und jährlich 55.000 synthetisches Methanol produzieren. E-Methanol ist ein flüssiger Kraftstoff, der aus grünem Wasserstoff und biogenem Kohlendioxid synthetisiert wird. Bei FlagshipONE sollte der Wasserstoff vor Ort mit Hilfe von 70 Megawatt erneuerbarer Energie durch Elektrolyse von Wasser hergestellt werden.

Zu wenig Abnehmer und zu hohe Kosten

Das dafür nötige Kohlendioxid sollte wie Dampf und Wasser für den Prozess aus einem benachbarten, mit Biomasse befeuerten Heizkraftwerk des regionalen Energieversorgers bezogen werden, die Prozesswärme in das lokale Fernwärmenetz eingespeist werden. „Dies ist unser erstes Power-to-X-Projekt im kommerziellen Maßstab und das größte seiner Art in Europa“, wirbt das Unternehmen derzeit noch auf seiner Website.

Die Entscheidung zum Baustopp zieht Abschreibungen in Höhe von 201 Millionen Euro nach sich und drückt merklich auf die jetzt veröffentlichte Halbjahres-Bilanz von Ørsted.

Nicht zu übersehen
Die Servicebetriebsschiffe der dänischen Svagt-Reederei versorgen Offshore-Windparks in der Nordsee. Betrieben werden sie mit Batterien und Verbrennungsmotoren, die mit E-Methanol laufen. Den Sprit sollte Ørsted aus der neuen Fabrik  liefern. Foto: SVAGT
Nicht zu übersehen
Die Servicebetriebsschiffe der dänischen Svagt-Reederei versorgen Offshore-Windparks in der Nordsee. Betrieben werden sie mit Batterien und Verbrennungsmotoren, die mit E-Methanol laufen. Den Sprit sollte Ørsted aus der neuen Fabrik liefern. Foto: SVAGT

Projektiert wurde Flagship One von dem schwedischen Anlagebauspezialisten Liquid Wind. Gefördert wurde das Projekt unter anderem von der Europäischen Investitionsbank und vom schwedischen Umweltministerium. Mit Ørsted kooperierte auch Uniper, um Einstiegsmöglichkeiten in das E-Fuel-Geschäft auszuloten. Auch das dürfte sich nun erledigt haben.

„Die Industrialisierung der Technologie und die kommerzielle Entwicklung des Abnahmemarktes sind deutlich langsamer vorangekommen als erwartet“, begründete die Ørsted-Führung den Rückzug gut zwei Jahre nach der finalen Investitionsentscheidung und etwas mehr als 14 Monate nach Baubeginn.

E-Methanol ist Reedereien viel zu teuer

Ferner habe sich „der Business Case während der Reifung verschlechtert, da die Projektkosten erheblich gestiegen sind und es nicht möglich ist, langfristige Abnahmeverträge zu tragfähigen Preisen abzuschließen“, heißt es im Geschäftsbericht des Konzerns. Die meisten Schifffahrtsunternehmen zögerten weiterhin, sich aus Kostengründen auf langfristige Beschaffungsverträge für nachhaltig erzeugtes Methanol festzulegen. Heizöl mit 0,5 Prozent Schwefelgehalt, die gängigste Art von Schiffskraftstoff kostet derzeit (14. August) in Rotterdam 13,39 Dollar pro Gigajoule Brennwert, Methanol auf fossiler Basis 18,01 Dollar. Schätzungen der Industrie zufolge wäre E-Methanol mindestens zwei- bis fünfmal so teuer.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Olivia Breese, die bei Ørsted für das Geschäft mit Wasserstoff und synthetische Kraftsttoffe verantwortlich ist, sieht Dekarbonisierungsprojekte insgesamt durch höhere Energie-, Ausrüstungs- und Investitionskosten herausgefordert: „Die Branche sieht sich mit einer erheblichen Kostenlücke zwischen E-Fuels und fossilen Brennstoffen konfrontiert“, sagte sie in einem Interview. Alternativen zur Verminderung des CO2-Fußabdrucks wie Flüssiggas (LNG) würden von vielen Abnehmern deshalb als wettbewerbsfähiger angesehen werden.

Fehlende Anreize der EU

„Die E-Fuels-Branche verfügt nicht über eine solide kommerzielle Sichtbarkeit auf der Abnahmeseite“. Und obwohl ein Großteil der erforderlichen EU-Regelungen bereits in Kraft sei, bieten kurz- und mittelfristige regulatorische Anforderungen, wie z. B. Unterquoten für E-Fuels und Anforderungen an die Treibhausgasreduzierung, keinen ausreichenden Anreiz für eine Umstellung.

Ørsted hatte ursprünglich darauf gesetzt, dass der Abschluss des Fit-for-55-Pakets auf EU-Ebene im Zusammenspiel mit dem Dekarbonisierungsdruck in der Industrie die Nachfrage treiben würde. Gleichwohl betont das Management, weiterhin an die langfristige Entwicklung des Marktes für dekarbonisierte synthetische Kraftstoffe zu glauben.

(Mit Ergänzungen von Franz W. Rother)

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