Wind und Sonne liefern mittlerweile den Großteil des Stroms in Deutschland – wenn sie denn scheinen und wehen. Doch was passiert in Dunkelflauten, wenn beides tagelang ausbleibt? Eine vielversprechende Lösung kommt nun aus den USA: Eisen-Luft-Batterien, die Strom über mehrere Tage speichern können – und dabei ganz ohne das knappe und teure Lithium auskommen.
Das Start-up Form Energy aus Massachusetts hat den Bau einer der weltweit ersten Eisen-Luft-Großbatterien in Kalifornien gestartet. Der Speicher soll über 100 Stunden hinweg kontinuierlich Energie liefern – ein Vielfaches der bislang üblichen Lithium-Systeme, die oft schon nach vier Stunden entladen sind. Möglich macht das eine clevere Technik: Die Batterie basiert auf reversibler Rostbildung.
, erklärt Form-Energy-Sprecherin Sarah Bray.
Strom aus Rost – günstiger, sicherer, langlebiger
Technisch funktioniert das System, indem Eisen unter Zugabe von Luft und Wasser oxidiert – also rostet – und dabei Energie freisetzt. Beim Laden wird der Rost wieder in Eisen zurückverwandelt. Dieser Prozess ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch günstig: Eisen ist auf der Erde rund 100-mal häufiger verfügbar als Lithium, der Abbau deutlich weniger energieintensiv. Auch das Risiko von Batteriebränden, wie es bei Lithium-Akkus immer wieder auftritt, ist bei Eisen-Air-Systemen praktisch ausgeschlossen.
So funktioniert eine Eisen-Luft-Batterie
Das Prinzip: Die Eisen-Luft-Batterie nutzt die chemische Reaktion zwischen Eisen, Wasser und Sauerstoff – genauer gesagt den Prozess der rostbildenden Oxidation und deren Umkehrung.
Beim Entladen: Eisen reagiert mit Luftsauerstoff und Wasser → es entsteht Eisenhydroxid (Rost)
Dabei wird elektrische Energie freigesetzt.
Beim Laden: Durch Stromzufuhr wird das Eisenhydroxid wieder zu metallischem Eisen umgewandelt,
Wasser und Sauerstoff werden dabei abgespalten.
Vorteile: Speicherdauer bis zu 100 Stunden; kein Risiko von Überhitzung oder von Bränden wie bei Lithium-Ionen-Akkus; Eisen ist weltweit verfügbar.
Nachteile: Geringer Wirkungsgrad von derzeit 40 bis 50 Prozent; langsame Lade- und Entladezeiten.
Die derzeit in Kalifornien installierte Testanlage liefert 1,5 Megawatt Leistung über 100 Stunden, also 150 Megawattstunden Speicherkapazität. Das entspricht in etwa dem Tagesverbrauch von 1.500 Haushalten. Die Kalifornische Energiekommission fördert das Projekt mit 30 Millionen US-Dollar – im Rahmen eines landesweiten Programms, das Alternativen zu Lithium voranbringen soll. Ziel: ein stabileres und klimaneutrales Stromnetz bis 2045.
Auch in Deutschland wird geforscht
Während in den USA die ersten Anlagen Realität werden, läuft auch in Deutschland intensive Forschung zur Eisen-Luft-Technologie. Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) in Oberhausen, das Forschungszentrum Jülich sowie der Batteriehersteller VARTA arbeiten an alternativen Speichersystemen, die auf Eisen oder anderen Metallen basieren. So entwickelt VARTA beispielsweise eine Batterie mit zirkulierendem Eisen-Slurry, während Jülich an besonders energiedichten Titan-Luft-Systemen forscht. Ziel ist es, robuste, langlebige Speicherlösungen für die Netzstabilität zu schaffen – und das möglichst günstig, mit Materialien, die weltweit verfügbar sind.
Der Preis muss stimmen – und die Technik sich bewähren
Noch ist die Technik im Aufbau. Zwar liegt der Preis je Kilowattstunde mit derzeit 200 Dollar noch auf dem Niveau von Lithium-Systemen. Doch Form Energy rechnet damit, den Preis in wenigen Jahren auf 20 Dollar drücken zu können – und damit unter das aktuelle Niveau jeder Konkurrenz zu fallen.

Wenn Eisen rostet, wird Energie freigesetzt. Beim Laden kehrt sich der Prozess um – und das Eisen wird wieder metallisch. Foto: Robin Lubbok/WBUR
Ein Wermutstropfen: Der Wirkungsgrad des Stromspeicher-Technologie liegt aktuell bei rund 40 bis 50 Prozent, während Lithium-Akkus mehr als 90 Prozent der eingespeicherten Energie wieder abgeben können. Doch für den Einsatz als Langzeitspeicher zählt vor allem eines: Verlässlichkeit und günstige Skalierbarkeit.
Und hier zeigt sich Potenzial: Form Energy baut bereits an einer 8.500 Megawattstunden starken Eisen-Luft-Batterie – genug für den Jahresstrombedarf von 2.500 Haushalten. Die Anlage soll 2028 in Betrieb gehen. „Mit dieser Technologie beseitigen wir das größte Hindernis für eine tiefgreifende Dekarbonisierung“, sagt Mateo Jaramillo, Chief Executive Officer und Mitbegründer von Form Energy. Jaramillo arbeitete bis 2016 für Tesla Energy und war dort entscheidend am Powerwall-Programm des Technologiekonzerns beteiligt. „Wir machen Erneuerbare Energie verfügbar, wann auch immer sie benötigt wird, selbst während mehrerer Tage mit extremem Wetter oder Netzausfällen.“
Bill Gates ist mit von der Partie
Zu den Investoren gehört unter anderem Breakthrough Energy. Die Organisation wurde 2015 von Microsoft-Gründer Bill Gates ins Leben gerufen, um Innovationen im Bereich erneuerbarer Energien und anderer Technologien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu beschleunigen. Mit von der Partie ist auch der Stahlhersteller ArcelorMittal, der auch in Minnesota Erz abbaut.
Sollte sich die Technik bewähren, könnte sie der Gamechanger für die Energiewende sein – auch in Deutschland.