Die Diskussion um neue Kernkraftwerke flammt wieder auf. Als Argument wird angeführt, Sonne und Wind lieferten unregelmässig Strom – deshalb brauche es Atomkraftwerke für die sichere Grundversorgung. Dieses Argument klingt vertraut, ist aber überholt. Denn das Energiesystem der Gegenwart funktioniert längst anders, als es noch vor einem Jahrzehnt der Fall war.

Erneuerbare Energien haben in rasantem Tempo an Reife gewonnen. Wind, Sonne, Batterien und Elektrofahrzeuge befinden sich in einer anhaltenden Phase exponentiellen Wachstums – trotz bereits hoher Marktanteile. In fast allen Ländern dominieren sie heute den Ausbau neuer Stromerzeugungskapazitäten. 2024 sind 90% der weltweit zugebauten Kraftwerke erneuerbare – sprich Wind und Solar.Diese) Entwicklung verändert die Spielregeln des Energiesystems grundlegend.

Solarenergie ist längst mehr als Mittagsstrom

So liefert Solar heute rund 14 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs, und ihr Beitrag wächst mit hoher Dynamik. Die Technologie ist günstig, skalierbar und gesellschaftlich breit akzeptiert. Ihre frühere Schwäche – die Abhängigkeit vom Wetter – wird zunehmend durch Speicher, Digitalisierung und intelligente Steuerung ausgeglichen.

Noah Heynen
 Der Betriebswirt und Elektrotechnik-Ingenieur aus Solothurn ist Gründer und CEO von Helion Energy. Das Schweizer Unternehmen hat seit 2008 über 12.000 Projekte in den Bereichen Photovoltaik, Stromspeicher und Smart Energy realisiert, Ladestationen für Elektroautos errichtet und Wohnanlagen mit Wärmepumpen ausgestattet. Foto: Helion
Noah Heynen
Der Betriebswirt und Elektrotechnik-Ingenieur aus Solothurn ist Gründer und CEO von Helion Energy. Das Schweizer Unternehmen hat seit 2008 über 12.000 Projekte in den Bereichen Photovoltaik, Stromspeicher und Smart Energy realisiert, Ladestationen für Elektroautos errichtet und Wohnanlagen mit Wärmepumpen ausgestattet. Foto: Helion

Moderne Anlagen liefern nicht mehr einfach dann Strom, wenn die Sonne scheint, sondern dann, wenn Strom gebraucht wird. Batteriespeicher werden günstiger und leistungsfähiger. Heute werden neue Privatanlagen zu 90% mit Speicher ausgerüstet – der Speicher wird zum Standard. Mit der Elektromobilität entsteht eine zusätzliche, dezentrale Speicherkapazität. Bidirektionales Laden – das Rückspeisen von Strom aus dem Fahrzeugakku – wird in den nächsten Jahren zur Normalität. Wir haben neu Ladestationen im Angebot für wenig mehr als normale Ladestationen kosten. Damit lässt sich ein Elektroauto so einsetzen, dass es auch ein Einfamilienhaus über Tage mit Energie versorgen kann. Das E-Auto wird zum integralen Bestandteil des Energiesystems: ein mobiler Speicher, der das Netz entlastet und Stabilität bringt.Die Speicherkapazität? Bald auf Augenhöhe mit grossen Pumpspeicherwerken.

Aus vielen kleinen wird ein großes Kraftwerk

Die heutige Dynamik ist riesig und öffnet den Weg auch zu neuen Geschäftsmodellen. Wenn sich beispielsweise viele kleine Anlagen zusammenschliessen, entsteht ein grosses Kraftwerk – virtuell, aber hoch wirksam. In sogenannten virtuellen Kraftwerken werden Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher, Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge digital vernetzt. Gemeinsam bieten sie ihre Flexibilität am Energiemarkt an, gleichen Schwankungen aus und stabilisieren das Netz. Diese «Prosumer» – zugleich Produzenten und Konsumenten – werden so zu aktiven Akteuren im Energiesystem. Wird nur ein Drittel der vom Bund geplanten PV-Anlagen mit dieser Technologie ausgestattet, entsteht eine regelbare Leistung, die grösser ist als alle bestehenden Pumpspeicherkraftwerke in den Schweizer Alpen.

Solche Modelle reduzieren nicht nur teure Ausgleichsenergie, sondern fördern auch den effizienten Einsatz von Strom. Sie zeigen, wie sich technische Innovation und marktwirtschaftliche Mechanismen gegenseitig verstärken können. Flexibilität wird damit zum neuen Schlüsselbegriff der Stromversorgung – sie ersetzt das alte Paradigma der Grundlast.

Solarenergie wie Bandenergie – nur krasser

Wer heute noch Solaranlagen baut, die mittags ungebremst Strom ins Netz einspeisen, handelt gegen die Logik dieses neuen Systems. Überproduktion belastet Netze und senkt Erträge. Gefragt sind intelligente Lösungen, die Erzeugung, Speicherung und Verbrauch optimal kombinieren. Steuerungssysteme wie HelionOne ermöglichen es, Anlagen sekundengenau auf Preissignale und Netzanforderungen reagieren zu lassen. Strom wird lokal genutzt, wenn er verfügbar und günstig ist – oder gezielt vermarktet, wenn er im System gebraucht wird.

Das Ergebnis ist ein Energiesystem, das nicht mehr von wenigen grossen Kraftwerken abhängt, sondern von Millionen kleiner, vernetzter Einheiten getragen wird. Diese Struktur ist nicht nur resilienter, sondern auch wirtschaftlich effizienter. Die Kosten sinken, die Versorgungssicherheit steigt. Solarenergie ist wie Bandenergie – nur krasser.

Kernkraftwerke passen immer weniger ins Bild

Kernkraftwerke haben ihre Vorteile, die sie in der alten Energiewelt spielen konnten. In eine neue, dezentrale und dynamische Welt passen sie mit ihrem starren Produktionsprofil aber immer weniger rein. Eine gleichmässige Produktion rund um die Uhr war in einem linearen System sinnvoll, wird aber in einem volatilen, digitalen Energiemarkt zum Hindernis. Die Transformation hin zu einem dynamischen Energiesystem findet in ganz Europa statt. Dieser Prozess ist nicht mehr umkehrbar – egal was die Schweiz entscheidet.

Der Wandel ist längst im Gang. Solarstrom, Speichertechnologien, Elektromobilität und intelligente Steuerungen bilden das zukünftige Rückgrat eines Energiesystems, das zuverlässig und bezahlbar ist – unabhängig von Wetter oder Tageszeit.

(Der Beitrag erschien zuerst in der Neuen Zürcher Zeitung)

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6 Kommentare

  1. S. Häckl

    Genau so ist es, der Artikel ist reine schönfärberei, ideologische grüne Phantasie.

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    • Franz W. Rother

      In der Schweiz sieht man das vielleicht anders.

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  2. Energetiker

    Ein Beitrag, der fast ohne Zahlen auskommt, die wichtig gewesen wären:
    Wieviel „Bandenergie“ liefert die virtuelle Flotte denn z.B. m Winter.
    Wirtschaftlich effizienzer sind kleine Einheiten niemals.
    Hier wird fabuliert, wild alle Begriffe aus der neuen schönen EE Welt aneinander gereiht.

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    • Franz W. Rother

      Das ist ein Meinungsbeitrag

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      • Dieter Bruppach

        Die Winterstromproblematik wird im Beitrag bewusst ausgelassen – da wohl keine Antworten bereitstehen.

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      • Engelbert.Montagne

        es hat sich gar nichts geändert. Ausser dass wir inzwischen nicht mehr nach unseren eigenen Gesetzen Handel. Nach dem EE Gesetz müssen EE nachhaltig, kosteneffizient und Netzverträglich sein. und was ist Fakt. Bei jedem neu Hinzukommenden EE Generator steht fest, dass wir, weil wir zu bestimmten Zeiten eh schon zuviel haben, entweder drauflegen!und verschenken oder abregeln und trotzdem den Betreiber bezahlen müssen Ansonsten geht der Pleite. Akkus sind auch nicht die Lösung, was bei Flaute nicht geliefert wird kann auch nicht gespeichert werden. Die Netzazusbaukosten steigen in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Mehrwert durch weiteren Ausbau. Auf der Nordsee werden gerade 17 WEA aus 2010 demontiert. 250 Mio sind futsch und 20 Mio Abbaukosten wofür. liest mal die Hochglanzprospekte vor dem Bau. Die Wahrheit ist, dass der dort produzierte Strom mehr als 15 Cent je kWh gekostet hat ohne die Folgekosten. und dann redet man von AKW und gestrig? Die abgeschalteten AKW hätten nach Ertüchtigung für unter 5 Cent je kWh geliefert zuverlässig steuerbar 24/7/360 und nicht mal zuviel und mal gar nichts und genau so sauber. Die Chinesen machen es uns vor wie Energiewende geht. es kommt nicht allein auf Wind und Sonne an. und obwohl die im letzten Jahr alle Rekorde in der Richtung gerissen haben, sind dort 24 AKW im Bau. Kosten keine 2 Mio je MW sind garantiert in 6 Jahren betriebsbereit. wie die über 40 in den letzten 10 Jahren gebauten zeigen.
        und was machen wir. Mit solchen schrägen Artikel den Weg in der Sackgasse bejubeln. Wenn wir nicht bald wach werden und die EE so Steuern. dass unsere Wirtschaft nicht weg läuft wirds ein böses Erwachen.

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